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OSTTIROLER
NUMMER 3-5/2009
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HEIMATBLÄTTER
anschläge für vordringliche Reparaturar-
beiten an den wichtigsten öffentlichen
Bauten: 2.362 Gulden für die drei Kirchen,
für das im Eigentum des Landesfürsten
stehende Bergrichterhaus sowie den Erz-
und Fronkasten 348 Gulden; für das Her-
stellen der Stadtmauer 6.236 Gulden.
Christoph von Wolkenstein veranschlagte
den Schaden der Gebrüder Wolkenstein,
die als Pfandherrschaft in der Stadt vier
Häuser, die hinter der Liebburg gelegene
Hofmühle sowie als Private die Liebburg
und das Messingwerk besaßen, mit 25.748
Gulden; davon entfielen auf das Messing-
werk samt Verweser- und Handelshaus,
Werkstätten und sieben Wohnhäuser für
ihre Arbeiter und einschließlich Material,
Proviant, Mobiliar usw. 13.750, auf die
Liebburg 7.700 Gulden.
Finanzielle Hilfen
Es kursierten mehrere Vorschläge, wie
der Stadt finanziell geholfen werden
sollte: Der Staat, konkret die Kammer in
Innsbruck, sollte Geld auslassen. In ganz
Tirol sollte speziell für Lienz ein Auf-
schlag auf eine landschaftliche Steuer ein-
gehoben werden. Auch wurde kurz erwo-
gen, die Bewohner der umliegenden Ge-
richte zu verpflichtenden Handschichten
heranzuziehen, um die beschädigte Stadt-
mauer wieder herzurichten. Aus all dem
wurde nichts, weil die Kammer zu wenig
flüssiges Geld hatte und befürchtete, hier
einen Präzedenzfall für Hilfsgelder aus
staatlichen Mitteln zu schaffen. Auch die
anderen Vorschläge wurden abgeschmet-
tert, weil ihre Umsetzung politisch nicht
opportun schien und mit Widerstand der
Landstände und der betroffenen Unter-
tanen zu rechnen war.
Konkret wurde die Stadt mit drei Maß-
nahmen unterstützt. Der Stadt wurde ein
„Brandsteuerpatent“ ausgestellt, das sie er-
mächtigte, in Tirol und dessen Nachbarlän-
dern milde Gaben einzusammeln. Das Er-
gebnis dieses „Bettelgangs“, der die Lienzer
Sammler über Tirol hinaus bis nach Kärn-
ten, Steiermark, Salzburg und nach Ober-
österreich und selbst nach Bayern führte,
war allerdings ernüchternd. Eingesammelt
wurden knapp 1.100 Gulden (davon in Tirol
979 Gulden). Von diesem Geld konnten bis
Frühjahr 1610 nur 454 Gulden für den Wie-
deraufbau eingesetzt werden, der Rest war
von den Reisespesen der Sammler und für
allerlei Interventionen in Innsbruck und
Bozen verschlungen worden.
Die konkreteste Hilfe leistete die Tiroler
Landschaft. Ihr Kleiner Ausschuss räumte
der Stadt am 13. Mai 1609 einen zinslosen
Kredit in der Höhe von 5.000 Gulden ein,
der innerhalb von fünf Jahren zurückzu-
zahlen war.
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Zwei Lienzer Abgesandte,
die den Gesamtschaden mit 300.000 Ta-
lern bezifferten, erreichten aber Ende Juni
dieses Jahres, dass ihnen der Kleine Aus-
schuss auf Fürsprache des Landesfürsten
die Hälfte der Kreditsumme nachsah, also
schenkte, so dass die Stadt nur mehr 2.500
Gulden zurückzuzahlen hatte.
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(Getilgt hat
die Stadt diesen Kredit, von dem 1616 500
Gulden nachgesehen wurden, erst im Jahre
1622. Allerdings hatte die Stadt wegen des
Brands in der Schweizergasse 1613 ab die-
sem Zeitpunkt einen weiteren Kredit in der
Höhe von 1.500 Gulden bei den Tiroler
Landständen laufen.)
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Zum dritten wurde ein Aufschlag in der
Höhe von einem halben Kreuzer auf das
Umgeld (Getränkesteuer auf Alkoholika)
bewilligt, den die Wirte in der Stadt und im
Landgericht Lienz auf jedes von ihnen
ausgeschenkte Maß Wein einzuheben und
abzuführen hatten, wovon diese sich
wenig begeistert zeigten, weil sie ob der
höheren Preise Umsatzeinbußen befürchte-
ten. Dieser Umgeldaufschlag, befristet auf
drei, dann verlängert auf sechs Jahre, sollte
jährlich schätzungsweise an die 1.000 Gul-
den einbringen und den Wiederaufbau
finanzieren helfen.
Den Wolkenstein wurde auf fünf Jahre der
Zoll auf das exportierte Messing erlassen.
Auf Anordnung der Kammer ließ Sig-
mund von Wolkenstein in Lienz die Zahl
jener durch den Brand geschädigten Perso-
nen oder Haushaltsvorstände erheben, die
kein Vermögen besaßen oder nur auf ein un-
zureichendes Vermögen zurückgreifen
konnten. Und er sollte sich einen Überblick
über die Vermögenslage der drei abgebrann-
ten Kirchen verschaffen, damit abgeschätzt
werden konnte, in wieweit die sich selbst
helfen konnten. Da sah es eher trist aus. Die
Johanneskirche war mit durchschnittlichen
Jahreseinnahmen von 26 Gulden arm wie
eine Kirchenmaus, und das bei einem
Kostenvoranschlag für den Wiederaufbau,
der bei rund 4.000 Gulden lag. Besser stand
es mit dem Stadtspital, das im Durchschnitt
jährliche Einnahmen von rund 1.360
Gulden hatte, die aber weitgehend für die
Besoldung der Angestellten und die Versor-
gung der Pfründner, alles in allem 45 Perso-
nen, ausgegeben wurden (Kostenvoran-
schlag für den Wiederaufbau von Spital und
Kirche 6.000 Gulden). Auf Hilfe war auch
das Karmelitenkloster angewiesen bei
durchschnittlichen Einnahmen von 700 bis
800 Gulden. Wie der Bericht Wolkenstein
deutlich macht, war Lienz seelsorglich stark
unterbesetzt, eine Auswirkung der religiö-
sen Krise des 16. Jahrhunderts. Das Karme-
litenkloster zählte vier Patres, daneben wal-
teten als Priester nur der Pfarrer von St.
Andrä und sein Hilfspriester, die aber einen
weiträumigen Pfarrsprengel zu betreuen
hatten. Eine auch zeitweise Absiedlung der
Karmeliten verbot sich von selbst, da ihre
Gottesdienste und Predigten an den Feier-
tagen großen Zulauf hatten und Wolkenstein
befürchtete, dass sich aus dem nahen Kärn-
ten das Lutheranertum einschleichen
könnte.
Wiederaufbau
Auch Positives wusste Sigmund von
Wolkenstein Ende August aus Lienz zu be-
richten. Allerorten werde gearbeitet, repa-
riert und aufgebaut, allein an die 150 aus-
wärtige Handwerker und Arbeiter seien in
Lienz beschäftigt. Bloß die Kosten für den
bereits begonnenen Aufbau aller wichtigen
städtischen Gebäude (Rathaus, Amlacher
Turm, die Stadttore usw.) schätzte er auf
rund 4.000 Gulden, auch mit dem Bau der
Wasserkanäle oder Ritschen hatte man be-
reits begonnen.
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Über den weiteren Fortgang der Wieder-
aufbauarbeiten in Lienz sind wir im Detail
nicht mehr unterrichtet, weil darüber nichts
nach Innsbruck gemeldet worden ist. Ein
flehentliches Ersuchen der
„armen Burger-
schaft und Gemein der im Grundt abgepru-
nen unnd jämerlich inn Äschen gelegte Stat
Liennz“
vom Feber 1610 um weitere, bitter
benötigte Hilfe wurde vom Landesfürsten
und seinen Innsbrucker Behörden nicht er-
hört.
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Sorgen bereiteten den letzteren die
Stadtmauer, weil Lienz aus militärischer
Perspektive als nicht unwichtiger befestig-
ter Grenzort („Konfinenort“) angesehen
wurde.
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Nun war aber die Stadtmauer
durch den Brand beschädigt worden, ent-
sprach nicht mehr dem neuesten Stand der
Wehrtechnik und hatte mit einer Gesamt-
länge von 564 Bergklaftern recht ansehn-
liche Dimensionen. Angedacht wurde, die
Stadtmauer nicht nur wieder herzustellen
sondern auszubauen und zu verstärken. Ein
von Spezialisten eingeholter Kostenvoran-
schlag belief sich auf über 73.000 Gulden.
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Der von Graf Leonhard von Görz-Tirol für
das Bürgerspital gestiftete Kelch wurde
durch den Stadtbrand nicht zerstört.
Foto: Silvia Ebner
Der sogenannte Holaus-Kelch von 1488
scheint sich zur Zeit des großen Brandes in
St. Johann befunden zu haben.
Foto: Silvia Ebner