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und den Plafond mit dem Fresko der Mut-
tergottes. In einem völlig zerstörten Haus
fand sich unversehrt und einsam ein
Spinnrad. In einem anderen Haus, ebenfalls
bis auf die Grundmauern niedergebrannt,
war zwar die hölzerne Bettumrandung ver-
schmort, Bettgewand, ein Strohsack und
die Vorhänge dagegen nahmen keinen
Schaden. Hingegen hatten Hitze und Feuer
bei etlichen Häusern, die durch Eisentore
und durch eiserne Fensterläden geschützt
waren, diese eisernen Schutzschilde aufge-
bogen und verkrümmt, so dass auch hier
Feuer in das Innere vordringen konnte.
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Die Bilanz des Schreckens
Das Ausmaß der Katastrophe lässt sich
kaum ermessen, sprengt jede Vorstel-
lungskraft. Verschont hatte das Feuer die
zwei Stadtviertel Rindermarkt und
Schweizergasse sowie die südlich bzw.
westlich des Dominikanerinnenklosters
gelegenen kleinen Streusiedlungen
Kalchgrube und Forchach. Niedergefa-
OSTTIROLER
NUMMER 3-5/2009
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HEIMATBLÄTTER
Das Messge-
wand, vermut-
lich eine
Stiftung der
Familie Wol-
kenstein-
Rodenegg für
die Kirche
St. Johann im
Jahr 1587, hat
den Stadt-
brand über-
standen. Die
Buchstaben in
den gestickten
Schriftbändern
über den Wap-
pen bedeuten:
Christoph
Freiherr zu
Wolkenstein
und Rodenegg
bzw. Ursula
Freiin zu
Wolkenstein
geborene
Freiin
Madruz. Das
kostbare
Messkleid mit
dem in Gold
gestickten
Astkreuz befin-
det sich heute
in der Pfarr-
kirche
St. Andrä.
Fotos:
Meinrad
Pizzinini
ckelt hatte der Brand, mitunter bis auf die
Grundmauern, alle Gebäude der Mera-
nergasse (Messinggasse) sowie alle Ge-
bäude innerhalb der Stadtmauer, aus-
nahmslos, selbst den abgelegenen Spitals-
komplex und die einsam gelegene
Angerburg. Die Wucht des Feuers war
derartig gewaltig, dass es selbst die außer-
halb der Stadtmauern gelegenen Mühlen,
Badstuben und Werkstätten entlang des
Mühlbaches oder der Drauwiere er-
wischte. Auch die Iselbrücke wurde in
Mitleidenschaft gezogen. Gut die Hälfte
der Häuser der Stadt waren Ruinen, ihre
Bewohner obdachlos. Die Menschen
hatten im wahren Sinne des Wortes ihr
Dach über dem Kopf verloren, waren
aber gezwungen, in den Brandruinen zu
hausen, deren Decken und Gewölbe ein-
zustürzen drohten.
Dass wir über diesen großen Lienzer
Stadtbrand im Jahre 1609 recht gut Be-
scheid wissen, ist dem Umstand zu ver-
danken, dass die Wolkenstein und die Stadt
Lienz in ihrer Verzweiflung beim Tiroler
Landesfürsten intervenierten und um fi-
nanzielle Hilfe baten. Zwischen Lienz und
Innsbruck entspann sich ein reger Schrift-
verkehr, wobei in Innsbruck vor allem der
Geheime Rat und die Kammer, die oberste
Finanzbehörde der Grafschaft Tirol, in
diese Angelegenheit involviert waren und
namens des Landesfürsten die Entschei-
dungen trafen.
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Wie in solchen Fällen
üblich, wurde eine Kommission zusam-
mengestellt und beauftragt, sich in Lienz
umzuschauen, Informationen zu sammeln
und diese mit konkreten Vorschlägen, wie
und mit welchen Mitteln der Wiederaufbau
der abgebrannten Stadt finanziert werden
sollte, nach Innsbruck zu schicken. Außer
Diskussion stand, da kannte der frühmo-
derne Staat wenig Erbarmen, dass die Ge-
schädigten sich weitgehend selbst zu hel-
fen hatten. In die Kommission wurden be-
rufen: Dr. Mathias Burglechner
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, Jurist, als
Rat Mitglied der Regierung in Innsbruck
und somit hoher Beamter; Hauptmann
Christof Genet, Obristfeld- und Zeug-
meister; Heinrich Kurz, Zolleinnehmer in
Toblach; Oswald von Graben zum Stein,
Bergrichter zu Lienz. Diese mit juristi-
schen, militärischen, technischen und
Finanzexperten bestückte Kommission
arbeitete zügig und konnte nach zweiwö-
chigen Erhebungen und Recherchen Mitte
Mai ihren Endbericht abschließen.
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In den
mitgeschickten Beilagen war aufgelistet,
welche Häuser und Gebäude der Brand
verheert hatte, welche der Brand (in der
Schweizergasse) verschont hatte, welche
nahe gelegenen und etwas weiter entfern-
ten Wälder den Lienzern angewiesen wer-
den sollten, damit sie dort das Rüst- und
Bauholz schlagen, natürlich ohne dafür be-
zahlen zu müssen, und nach Hause trans-
portieren konnten. Ausgerechnet wurde zu
diesem Zweck der nötigste Bedarf an Bau-
holz zum Wiederaufbau der Wohnhäuser.
Wegen der durch den Brand ramponierten
Stadtmauer wurde eine Planzeichnung der
niedergebrannten Stadt, die eine Ruinen-
landschaft vorstellte, angefertigt. Vorgelegt
wurde der Entwurf einer Feuerordnung,
die vom Landesfürsten genehmigt und am
19. August 1609 als Urkunde ausgefertigt
wurde.
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Vorgelegt wurden erste Kostenvor-