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engagement“. In jedem Fall war es schön,
in Maria Hornung eine Forscherpersön-
lichkeit anzutreffen, die ganz von wissen-
schaftlichem Eros erfüllt war, was auch
Ergebnisse zeitigte, für die sie im uni-
versitären Establishment ihrer Zeit wenig
Verständnis erntete, etwa als sie ihr pro-
fundes Detailwissen in einem Roman, der
um die Gründung der Sprachinsel Pladen
kreist, verarbeitete.
11
Wenn auch kein lite-
rarisches Meisterwerk, scheint das Buch
doch als unkonventioneller Ansatz von
Wissensvermittlung bemerkenswert.
Hornung hatte viele Freunde und Be-
kannte in Osttirol und genoss hier eine ge-
wisse Popularität – man kannte die Dia-
lektforscherin aus Wien und schätzte es,
dass Osttirol in ihren Arbeiten eine so
wichtige Stelle einnahm. Diese und andere
Bindungen freilich gingen im Alter durch
das allmähliche Nachlassen ihrer Schaf-
fenskraft und ihrer wachsenden Immobi-
lität, schlichtweg auch dadurch, dass sie
viele ihr nahe Stehende überlebte, weit-
gehend verloren. So war es letztlich nur
eine recht kleine Trauerschar, die am 13.
Juli 2010 ihrem Sarg bei der Beisetzung
auf dem Döblinger Friedhof folgte.
Der Nachlass Maria Hornungs ist, zu-
sammen mit einem beträchtlichen Teil
ihrer umfangreichen Bibliothek, in den Be-
sitz des Instituts für Österreichische Dia-
lekt- und Namenlexika der Österreichi-
schen Akademie der Wissenschaften über-
gegangen, wofür den Erben an dieser
Stelle ein herzlicher Dank ausgesprochen
sei. Im Nachlass findet sich erwartungsge-
mäß auch interessantes Material zu Ost-
tirol bzw. dem in dialektaler Hinsicht in
vielem nahe stehenden angrenzenden
Mölltal. Besonders sei auf eine Dokumen-
tation Osttiroler Dialektwortschatzes in
Form eines umfangreichen Zettelkastens
hingewiesen, die nach Gemeinden geglie-
dert ist und meist mundartliche Ein-Wort-
Belege, daneben auch Exzerpte aus histo-
rischer und dialektologischer Fachliteratur
etc. enthält. Es ist davon auszugehen, dass
diese Sammlung im Zusammenhang mit
Hornungs Habilitationsschrift angelegt
wurde. Letztere wurde für das WBÖ
intensiv exzerpiert. Die Sammlung aus
dem Nachlass enthält jedoch darüber hin-
aus Wortschatz, der sich im Register zur
„Mundartkunde“ nicht findet und somit
eine wichtige Ergänzung zu selbiger dar-
stellt. Eine ebenfalls als Zettelkartei ange-
legte Sammlung von Mundartwörtern
dokumentiert den Dialekt von Mörtschach
im Mölltal, wo Hornung während der
Kriegs- und Nachkriegsjahre mehrere
Sommer verbrachte, u. a. als Hüttenwirtin
auf der 1951 durch eine Lawine zerstörten
Sadnighütte, unweit des heutigen Sadnig-
hauses.
12
Eine weitere umfangreiche Kar-
tei zu Osttiroler Orts- und Flurnamen wird
schon seit längerem am I DINAMLEX
archiviert und bildet eine der Quellen für
die beiden Institutsprojekte ALPKULTUR
(Kulturhistorische Namendokumentation
im Alpenraum: Die Berg- und Almnamen
Osttirols) bzw. Historisches Osttiroler
Siedlungsnamenbuch.
13
Mit Maria Hornung verliert Österreich
eine einzigartige Forscherpersönlichkeit.
Ihr wissenschaftliches Vermächtnis wird
jedoch für viele künftige Studien, und das
nicht nur zur interessanten Sprach- und
Namenlandschaft Osttirols, einen fixen
Referenzpunkt darstellen.
OSTTIROLER
NUMMER 10/2011
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HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzi-
nini. Für den Inhalt der Beiträge sind die
Autoren verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer:
Mag. Dr. Hubert Bergmann, Österreichische
Akademie der Wissenschaften, Institut für
Österreichische Dialekt- und Namenlexika,
Wohllebengasse 12-14, 2. Stock, A-1040
Wien, hubert.bergmann@oeaw.ac.at
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Anmerkungen:
1 Näheres s. Fuchs, H.: Die österreichischen Maler des
19. Jahrhunderts, Bd. 2, Wien 1973, S. K88 bzw. Er-
gänzungsbd. 1, Wien 1978, S. K172 f.
2 Institut für Österreichische Dialekt- und Namen-
lexika (Hg.): Wörterbuch der bairischen Mundarten
in Österreich (WBÖ). Wien 1970-lfd. [1. Teilliefe-
rung: 1963].
3 Vgl. die Verzeichnisse ihrer Schriften in folgenden
Publikationen: Verein der Freunde der im Mittelalter
von Österreich aus besiedelten Sprachinseln & Kom-
mission für Mundartkunde und Namenforschung der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften
(Hg.): Mundart und Name im Sprachkontakt. Fest-
schrift für Maria Hornung zum 70. Geburtstag. Wien
1990 (= Beiträge zur Sprachinselforschung 8); Pohl,
H. D.: Sprache und Name in Mitteleuropa. Beiträge
zu Namenkunde, Dialektologie und Sprachinselfor-
schung. Festschrift für Maria Hornung. Wien 2000
(= Beihefte zur Österreichischen Namenforschung 1);
Pohl, H. D.: Nachruf auf Maria Hornung. In: Öster-
reichische Namenforschung, Jg. 38, 2010, S. 7-18.
4 Der Verein steht jetzt unter dem Vorsitz von Dr.
Ingeborg Geyer und ist vor kurzem in die Hardtgasse
7/14, A-1190 Wien übersiedelt; Näh. s. unter
www.sprachinselverein.at (zuletzt eingesehen am
13. 9. 2011).
5 Hornung, M.: Gedanken zu meiner „Mundartkunde
Osttirols“. In: Tiroler Heimat 29-30 (1965-1966),
S. 277.
6 Hornung, M.: Die Osttiroler Bauernsprachinseln Pla-
den und Zahre in Oberkarnien. In: Osttiroler Hei-
matblätter, Jg. 28, Nr. 2-8, 1960. In den Osttiroler
Heimatblättern veröffentlichte die Autorin folgende
weitere Artikel: Rauchküche und Rauchstube in Ost-
tirol (Jg. 35, Nr. 1-3, 1967); Das Osttiroler Namen-
buch (Jg. 40, Nr. 11, 1972); Zur Problematik der
Ortsnamenforschung in Osttirol (Jg. 44, Nr. 4-5,
1976); Beobachtungen zur Flurnamenbildung mit
slawischen Endungen in Osttirol (Jg. 50, Nr. 4,
1982); von M. Hornung eingeleitet und aus dem
Italienischen übersetzt: Sefilan, B. (d. i. Fontana, G.):
Altertümliche Lebensbilder aus der Sprachinsel Pla-
den (Sappada) in Oberkarnien (Jg. 31, Nr. 4-6, 8-10,
1963).
7 Hornung, M.: Osttirol und Gottschee. Ein wort-
kundlicher Rückblick auf Walter Tschinkels dialek-
tologische Untersuchungen. In: Nelde, P. H. (Hg.):
Mehrsprachigkeit, Minderheiten und Sprachwandel.
St. Augustin 2004: 43-48 (= Plurilingua 28).
8 Hornung, M.: Mundartkunde Osttirols. Eine dialekt-
geographische Darstellung mit volkskundlichen
Einblicken in die altbäuerliche Lebenswelt. Wien
1964 (= Studien zur österreichisch-bairischen Dia-
lektkunde 3). Das Buch ist nach wie vor über den
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissen-
schaften (http://www.oeaw.ac.at/deutsch/service/ ver-
lag.html) erhältlich.
9 Siehe: Katalog der Tonbandaufnahmen B 1 bis
B 3000 des Phonogrammarchivs der Österreichi-
schen Akademie der Wissenschaften. Wien 1960
(= Österreichische Akademie der Wissenschaften,
Mitteilung der Phonogrammarchivs-Kommission
81). Hier sind auch jeweils Name, Beruf und Ge-
burtsort der Sprecher angeführt. S. a. den Online-
Katalog des Phonogrammarchivs: http://catalog.
pha.oeaw.ac.at (zuletzt eingesehen am 7. 9. 2011).
10 Einige Rezensionen in Auswahl: E. Kühebacher im
Schlern, Jg. 38 (1964), S. 324-329; B. J. Koekkoek
im Journal of English and Germanic Philology, Bd.
64 (1965), S. 533-535; M. Kundegraber in der Öster-
reichischen Zeitschrift für Volkskunde, Bd. 69
(1966), S. 150-151; K. Finsterwalder in den Tiroler
Heimatblättern, Jg. 42, Heft 7/9 (1967), S. 88; H.
Penzl in den Modern Language Notes (German
Issue), Bd. 82 (1967), S. 484-486; A. Haslinger in der
Zeitschrift für Deutsche Philologie, Jg. 87 (1968),
S. 143-145; O. Pausch in den Mitteilungen des Insti-
tuts für österreichische Geschichtsforschung, Bd. 77
(1969), S. 480-481; P. Hölzle in den Beiträgen zur
Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Bd.
92 (1970), S. 342-343; E. Gabriel in der Zeitschrift
für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd.
101 (1972), S. 261-268.
11 Hornung, M.: Heimat in fremdem Land. Roman der
deutschen Sprachinsel Pladen in Italien. Horn [1980];
der Held dieser „historical fiction“ ist ein junger
Bauernsohn aus Abfaltersbach. Später folgte ein
schmaler Prosaband zur Gottschee: Hornung, M.:
Gottes offene Hand. Ein Bilderbogen aus der Ge-
schichte des Gottscheer Volkes. Horn [1996].
12 Siehe Hornung, M.: In Mörtschach fing es an ... In:
Die Kärntner Landsmannschaft, Heft 10 (1989), S.
19-20. Die betreffenden Belegzettel tragen einen
Stempel „Mörtschach Mölltal / Dr. M. Jechl“, dürf-
ten also zeitnah zu den darin beschriebenen Aufent-
halten angefertigt worden sein (die Ehe mit Herwig
Hornung, der später neben seiner Tätigkeit als Mit-
telschullehrer auch wissenschaftlich publizierte, u. a.
zu mittelalterlichen Inschriften, schloss sie 1947).
13 Näheres zu diesen Projekten unter http://www.oeaw.
ac.at/dinamlex/Projekte.html (zuletzt eingesehen am
13. 9. 2011).
Maria Hornung mit Gewährsmann bei einer mundartkundlichen Erhebung (1955).
Sämtliche Abbildungen: Archiv des I DINAMLEX