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OSTTIROLER
NUMMER 3/2010
4
HEIMATBLÄTTER
„Die Welt der Bilder prägt sich nicht
einem zuverlässig aufnehmenden Organ
einfach ein. Vielmehr greifen wir durch das
Anschauen nach den Objekten. Mit einem
unsichtbaren Finger bewegen wir uns durch
den Raum, gehen zu entfernten Orten, wo
sich Dinge befinden, berühren sie, ertasten
ihre Oberfläche, umfahren ihre Umrisse, er-
forschen ihre Oberflächenstruktur. Es ist
eine eminent aktive Tätigkeit.“
7
Wie bereits beschrieben, galt für die
Künstlerin die Ausbildung im Fach Grafik
an der Universität als weitere wichtige
Ausdruckskomponente für ihre Arbeit. Ist
es verwegen, in ihren gegenwärtigen Ar-
beiten nach grafischen Elementen zu su-
chen? Skizzenhaft betonte Abschnitte und
lineare Einfassungen sind ein wichtiger
Teil ihrer Bildkompositionen.
Jede Form, die in ihrer Begreifbarkeit
festgehalten werden soll, löst sich nicht in
reduzierte Farbkomponenten auf oder
verfließt unmotiviert in monochromatische
Umrahmungen. Eingefasste binnenmaleri-
sche Elemente gelten durchaus als von der
Malerin gewollt betonte Separierungen,
trennen aber auch zeitlich induzierte
Bildräume ab. In der Folge verlangen be-
tont zentrierte Bildinhalte genauso wie aus
der Mitte an den Rand verlagerte Situatio-
nen, Körperformen und Landschaftsaus-
blicke nach Aufmerksamkeit.
Es geht hier nicht um Schattenspiele, die
sich farblich akzentuiert absetzen, sondern
um das malerische Bedürfnis der Künstle-
rin, die Prozesshaftigkeit ihrer Arbeit zu
kontrollieren. Und es steht wiederholt die
Frage im Raum, was nehmen wir wahr?
Wir sehen Durchbrüche bis in untere
Malschichten, die als erzählerischer Rah-
men auf den Bildgrund begleiten und, wenn
man dazu bereit ist, den Wesensstrukturen
der Malerin näher kommt – Durchbrüche
als gleichbedeutende Durchblicke in sensi-
tiv verdeckte Seelenregungen.
Die Farbe als impulsives Erlebnis
Trotzdem gelten diese raumgreifenden
Formen und Strukturen in ihrer Immanenz
nicht als alleinige Inhaltsträger, denn die
Wahl der Farbkomponenten konkurriert ab-
wechslungsreich mit dem Stimmungsgehalt
der Künstlerin und weiterer Rahmenbedin-
gungen. Ursula Mairamhof beschreibt den
Malakt und einhergehend den Beginn der
Farbauswahl als alleinig intuitiv-impulsives
Erlebnis. Natürlich erhält die Kunstschaf-
fende mit der Auswahl der Farbe ein emo-
tional bestimmtes Werkzeug zur Verfügung,
das im ideellen Sinn gebraucht und ver-
braucht wird. Damit einhergehend unterliegt
auch dieses während des Malprozesses, den
Formen und Umrissen gleich, dem Farb-
willen der Künstlerin, die unabdingbar über
deren Intensität, deren Pigmentierung und
deren Pastosität entscheidet. Mit der Farbe
Rot z. B., die immer wieder in ihren Bildern
reduziert hervorblitzt, verbindet Ursula
Mairamhof höchste Impulsivität auf einer
Ebene, die sie faktisch nicht unbearbeitet im
Bildwerk realisiert haben will – eine Über-
malung mit Weiß verzögert eindeutig ge-
wollt jene Expressivität, die ein Zuviel an
Intimität preisgeben würde. Es ist durchaus
nachvollziehbar, dass Pastellnuancen ein
Zurücknehmen von nicht gewollter Plakati-
vität erleichtern.
Im Grunde genommen gibt die oberste
Schicht in ihren Bildwerken zum Teil in
ihrer Konturiertheit und zum Teil mit ihrem
Farbkanon darüber Auskunft, in wie weit
sich die Malerin von der initialen Ausgangs-
situation bei der Themenerschließung
distanziert hat bzw. ihr entwachsen ist. Nur
vereinzelt wählt sie Graumodulierungen als
Hauptfarbkomponente für ihre Bilder aus,
vielmehr kommt die Farbe Schwarz vorran-
gig laviert als grafikbezogenes Element mit
Pinsel oder Tuschefeder als gestalterische
Weiterführung bzw. Aussage unterstüt-
zende Einfassung von Bildkompartimenten
regelmäßig zur Anwendung.
Mit der Titelfindung der Arbeiten, die in
dieser Form von ihr erst seit ein paar Jahren
beansprucht wird, kanalisiert die Malerin ihr
Abschlusskonzept. Das vorangestellte „K“
steht für Komposition und wird zusätzlich
mit verschlüsselten Zahlen- und Kleinbuch-
stabenkombinationen ergänzt – als archiva-
rische Notiz sozusagen. Hingegen soll der in
Klammer angeführte Maltitel uns darüber
Auskunft geben, welcher Intention die Ma-
lerin am konzeptionellen Beginn gefolgt ist.
Fluktuationen, zeitlich gewollte oder
auch unbeeinflusste veränderbare Abläufe
allgegenwärtiger Befindlichkeiten bestim-
men Ursula Mairamhofs Malbedürfnis,
das schließlich im Bildwerk einer subli-
mierten Persönlichkeitsdarlegung im Zuge
dieser Zeit entspricht.
Anmerkungen:
1 Wassily Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst – ins-
besondere in der Malerei, Neuauflage Bern
2
2006, Seite 25.
2 Ebenda.
3 Vgl. dazu: Eleonora Bliem-Scolari, Bildbruchstücke als
malerische Wesensdarlegung, in: Ursula Mairamhof.
Fenster ins Andere, Stams 2008.
4 Ebenda, Seite 13.
5 Rudolf Arnheim, Kunst und Sehen. Eine Psychologie des
schöpferischen Auges, deutsche Ausgabe Berlin
2
1965,
Seite 31.
6 Rudolf Arnheim, Entropie und Kunst. Ein Versuch über
Unordnung und Ordnung, deutsche Ausgabe Köln
2
1996.
7 Rudolf Arnheim, Kunst und Sehen, Seite 29.
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autorin dieser Nummer:
Mag. phil. Eleonora Bliem-Scolari, A-6020
Innsbruck, Dr.-Stumpf-Straße 45a; E-Mail:
el.bliem-scolari@gmx.at.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße
2 a.
2009: K93al (Anlehnung), 100 x 120 cm. Diese Arbeit zählt zu den neueren Werken, in
denen insbesondere das figurale Motiv – die Künstlerin selbst – wieder verschlüsselt aus
dem Zentrum drängt.
Alle Fotos: Eleonora Bliem-Scolari
2010: K102sf (Spannungsfeld), 70 x 50 cm.
Dieses kleinere Hochformat wurde von
Ursula Mairamhof anfänglich mit „Beherzt“
betitelt, erfuhr aber auch in der Nomenklatur
eine „innere Überarbeitung“!