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und veranschaulicht dadurch im Grunde
genommen eine Ausnahmeerscheinung
unserer Wahrnehmung! Nun, der Akt der
Auseinandersetzung mit einer künstleri-
schen Arbeit als solche wird zum einen
inhaltlich durch induziertes Wissen darüber
definiert, aber zum anderen meistens über-
ragenden und vermutlich auch zum eupho-
rischeren Teil bestimmt die Intuition und
unsere visuelle Erfahrung die Analyse von
Artefakten als Kunst.
Tendenzen, verschiedentlich genützte
Variabeln, technikinduzierte Abstimmun-
gen oder verborgene Bildbausteine, die im
täglichen Leben mehr oder weniger be-
wusst wahrgenommen werden, fordern
dazu auf, Erfahrungswerte anzusammeln
mit dem Ziel, das Verhältnis zwischen
„Jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit,
oft ist es Mutter unserer Gefühle. So bringt
jede Kulturperiode eine eigene Kunst zu-
stande, die nicht mehr wiederholt werden
kann“
1
, schrieb Wassily Kandinsky 1910
einleitend zu seiner für die zeitgenössische
Kunstgeschichte vorbereitende Schrift
Über das Geistige in der Kunst.
Präziser
ausgedrückt, waren Kandinsky und in
unmittelbar gleichgesinnter Auffassung
weitere Künstlerkolleginnen und -kollegen
am Beginn des 20. Jahrhunderts Wegberei-
ter für vollkommen differente künstlerische
Tendenzen, die zur bisher vorherrschenden
naturalistischen, impressionistischen bis hin
zur sezessionistischen Tradition, sozusagen
avantgardistischen Stellenwert einnahmen.
Aus der Gegenständlichkeit heraus folgte
als logisches weiteres geistiges Konstrukt
die Abstraktion – die Abstraktion als Wag-
nis, reale Bezüge als solche z. B. in der
Bildebene zwar zuzulassen, diese Bezüge
aber einer transformierenden Auflösung zu
unterziehen.
Es kann nicht verhehlt werden, dass für
viele Menschen diese Visualisierung einer
Deformierung gleichkommt und die Ab-
grenzung zu Dilettantismus eigentlich
alleinig das Wissen und die Erfahrungs-
werte der Betrachterinnen und Betrachter
als Parameter beansprucht, bedeutet doch
eine kunstbezogene Transformation für den
Kunstschaffenden, sicheres Terrain zu ver-
lassen und auf Verständnis zu hoffen! Das
Schlagwort der Kennerschaft ist diesbezüg-
lich für uns heute vermutlich relevanter und
authentischer als vor 100 Jahren. „Es gibt
eine andere äußerliche Ähnlichkeit der
Kunstformen, der eine große Notwendig-
keit zugrunde liegt. Die Ähnlichkeit der
inneren Bestrebungen in der ganzen mora-
lisch-geistigen Atmosphäre, das Streben zu
Zielen, die im Hauptgrunde schon verfolgt,
aber später vergessen wurden, also die Ähn-
lichkeit der inneren Stimmung einer ganzen
Periode kann logisch zur Anwendung der
Formen führen, die erfolgreich in einer ver-
gangenen Periode denselben Bestrebungen
dienten“
2
, erläuterte Kandinsky weiter
NUMMER 3/2010
78. JAHRGANG
OSTTIROLER
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Ursula
Mairam-
hof im
Feber
2010 in
ihrem
Atelier in
Innsbruck.
K79tr II
(Träge-
rin II) aus
dem Jahr
2007,
80 x 80 cm.
Acryl-
farben auf
Leinen,
zum Teil in
Misch-
technik,
zählen für
die Künst-
lerin zum
bevor-
zugten
Mal-
material.
Eleonora Bliem-Scolari
Ursula Mairamhof – Expressive Bildbausteine
als Parameter einer inneren Stimmung