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des Heiligen Grabes in der Pfarrkirche St.
Oswald in Kapfenberg.
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Laut erhaltener
Quittung wurde das Heilige Grab dort im
Jahre 1780 von Königer und dem Tisch-
lermeister Johann Michael Hermann ge-
fertigt. Der Leichnam Christi, der in der
Karwoche zentral im Heiligen Grab prä-
sentiert wird, ist eine qualitätsvolle unter-
lebensgroße Skulptur.
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Der Corpus Christi
liegt auf einem weißen Tuch. Die Augen
sind geschlossen, der Mund Jesu ist leicht
geöffnet. Blutspuren sind keine bemerkbar,
ansonsten weist die Figur jedoch eine na-
turalistische Fassung auf. Deutlich sind die
fünf Wundmale erkennbar. Die Anlage des
Lendentuches formulierte Königer realis-
tisch, ohne barock bewegte Drapierung.
40
Der Bildhauer beschäftigte sich mehrmals
mit dieser Thematik. Für die Pfarrkirche
Kapfenberg lieferte er auch die Figuren
zum Annen- und Franz-Xaver-Altar
41
sowie eine geschnitzte Gruppe der Taufe
Christi für den Taufstein
42
.
Dem dreidimensionalen Bildwerk wird
das Ölgemälde
Einbalsamierung des
Leichnams Christi
(um 1729, Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum,
Abb. 12
)
von
Paul Troger
gegenüber gestellt. Es
handelt sich um eine Farb- und Form-
fguration auf einem fächigen Bildträger,
die illusionistisch als dreidimensional
erscheint. Kolorit und Helldunkelmalerei
erzeugen im Betrachter die vom Thema
geforderte innere Stimmung. Durch die
Hinzufügung von Joseph von Arimathäa
und Nikodemus, die den Leichnam Christi
salben, erzählt Troger eine Geschichte –
während die Skulptur von Königer allein
durch ihre körperliche Präsenz, ohne Bei-
werk auf den Betrachter wirkt.
Begegnungen mit der Antike
(Raum 6)
Der Bildhauer muss „die sichtbare
Natur als sein objectum damit er umzuge-
hen hat, betrachten, nicht wie dis und jenes
sich in der Natur zuföllig ergibet, sondern
wie sie in sich selbst nach ihrer Voll-
khommenheit seyn soll (…). Es haben uns
von disen Sachen die alten Griechischen
und Römischen Künstler vortreffiche
Exempl in denen von ihnen mit grosser
Sorgfalt und Fähigkeit verfertigten (...)
Statuen hinterlassen, welche man die An-
tiquen nennet“.
43
Das hier vom Tiroler His-
toriographen Anton Roschmann im Jahre
1742 postulierte Leitbild der „Antiquen“
für den Bildhauer und die vertretene Idee,
dass sich der Künstler nicht an der Zufäl-
ligkeit und Unvollkommenheit der Natur
orientieren könne, erinnern stark an Ge-
danken, die Bernini bereits 1665 geäußert
hatte. Auch er regte an, junge Bildhauer
Statuen, Reliefs und Büsten der Antike ab-
zeichnen zu lassen.
44
Ganz in diesem Sinne
erwarb Peter Strudel 1692 in Rom Gips-
abgüsse antiker Skulpturen, die für den
Lehrbetrieb an der Wiener Akademie ver-
wendet wurden.
45
Veit Königer
war Schüler dieser Aka-
demie. Seine von dieser Institution mit
dem ersten Preis ausgezeichnete, drama-
tisch formulierte Figurengruppe
Herkules
erschlägt Antäus
(1754, Wien, Belvedere,
Abb. 13)
dokumentiert die Orientierung an
der Antike.
46
Königer hat sich wiederholt
mit der Herkules-Thematik auseinander-
gesetzt. So zeigt etwa die von ihm im
Jahre 1764 für einen Brunnen im Grazer
Domherrenhof gestaltete Figurengruppe
den Kampf des Halbgottes mit der Hydra
von Lerna.
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OSTTIROLER
NUMMER 5/2011
6
HEIMATBLÄTTER
Abb. 10:
Joseph
Bergler
d. Ä.,
Das
Opfer
Abra-
hams,
1753,
Alaba-
ster;
Vaduz-
Wien,
Samm-
lungen
des
Fürsten
von und
zu
Liech-
ten-
stein.
Foto:
Samm-
lungen
des
Fürsten
von und
zu
Liech-
tenstein
Abb. 12: Paul Troger, Einbalsamierung des Leichnams
Christi, um 1729, Öl auf Leinwand; Innsbruck, Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum.
Foto: Tiroler Landesmuseen
Abb. 11: Veit Königer, Grablegechristus, 1780, Holz, gefasst;
Kapfenberg, Pfarrkirche St. Oswald. Foto: Silvia Ebner