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spitze (3.164 m, im „Atlas Tyrolensis“
Hoch Creuz B. = Berg, siehe unten) von
einem Gletscher ausgefüllt. Auf der Fels-
umrahmung fanden intensive Frostverwit-
terung und Bildung von Bergschründen
statt: Dringt Wasser in Poren und Klüfte
und gefriert, so sprengt das Eis den Fels
(es hat um 9 % mehr Volumen als Wasser
– Eis imWasserrohr bringt es unweigerlich
zum Bruch!). Der Gletscher hobelte den
Wo heute auf der Sonnseite von Prägra-
ten auf 2.575 m die Sajathütte steht, riegelt
eine ausgeprägte Schwelle das Kar gegen
die Steilflanke des Haupttales ab. Und da-
hinter liegt der „Tanzboden“, so nannten
die Einheimischen in bildhaftemVergleich
den „brettlebnen“ Boden eines längst ver-
landeten Karsees. – Kar bedeutet „Ge-
birgskessel“ (seit dem 9. Jh.). In alten
Tiroler Mundarten wird
kâr
oder
kôr
mit
„Gefäß, Geschirr“ definiert; der
beikâr
ist
der Bienenkorb, der
brunnkâr
der Brun-
nentrog. Der alte deutsche Begriff
char
„Schüssel“ ist verwandt mit gotisch
kas
und altisländisch
ker
, abgeleitet von ger-
manisch
kasa
oder
kaza
, die allesamt
Gefäß bedeuten (vergleiche in altem
Deutsch
kasto
„Behältnis“). Diese Be-
zeichnung für ein Weidegebiet in einem
muldenförmigen Gelände vor Felswänden
im Hochgebirge ist ursprünglich ein
Gleichnis der ersten Hirten mit ihren fla-
chen hölzernen Milchschüsseln. – Der
Name für Mulde wurde dann auch auf
Gipfel übertragen, z. B. Hafelekar, Birkkar
(Karwendel).
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In der Eiszeit war der riesige Kessel hin-
ter der Sajathütte unterhalb der Kreuz-
NUMMER 7/2010
78. JAHRGANG
OSTTIROLER
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Anton Draxl
Sajat – ein geheimnisvoller Name?
Alte Namen, Land und Leute an der oberen Isel
Vorwort
Im Juli 1978 war ich zum ersten Mal
auf Sajat, hoch über Prägraten. Friedl
Kratzer hatte mich wiederholt in mei-
nem Büro in Matrei (Johann-Panzl-
Straße 5) aufgesucht und mir von sei-
ner Hütte vorgeschwärmt (seit Juni
1975 arbeitete ich in der Geschäfts-
stelle der Nationalparkkommission
Hohe Tauern für Kärnten, Salzburg und
Tirol). – Ich war von Sajat und der
Hütte begeistert. So ein schöner Name,
wohllautend und seltsam! Damals
dachte ich mir nur, er klingt sehr alter-
tümlich (keltisch, romanisch, sla-
wisch?). Erst im Jahr 2002 kam ich
beim Forschen und Schreiben für den
Text eines Karwendel-Buches drauf,
dass es sich um einen ganz simplen bai-
rischen Flurnamen handelt. Diese Ent-
deckung fiel mir im Herbst 2009 wieder
ein und spornte mich an, erstmals wie-
der über die Iselregion, diesen histo-
risch, namens- und naturkundlich so
interessanten Bereich der Hohen Tau-
ern, zu berichten, seit ich im März 1992
meinen Dienstort Matrei verlassen
musste.
Die „Prädinga“-Sonnseite im Sommer: links hinten der Großvenediger, davor die Rote
Säule – rechts der Hohe Eichham (ein unklarer Name) und die kegelförmige Wunspitze,
die sich über dem Timmeltal erheben. Die Sajathütte liegt dort, wo die Rote Säule den
Schatten wirft. Darunter breiten sich nach rechts bis zu den Felspartien hinunter die Sajat
Mähder aus. Zwischen dem schroffen Gelände und dem schütteren Lärchenwald befin-
den sich die Trog Mähder (z. B. Oberbichla Troug). Gegen den rechten Bildrand liegt die
Ortschaft Bichl. Im Graben, der vom Sajatkar talwärts führt, fließt der Zopsenbach, sla-
wisch „der Rauschende“.
Foto: Wolfgang Retter, Lienz