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von Meereswellen übertrug Egger ins
Symbolische. Abgesehen von dieser ge-
danklichen Überhöhung dieses Sujets voll-
endete er eine bravouröse Tonmalerei mit
malerischen Nuancen, dramatisch gesetz-
tem Duktus und faszinierender Lichtdrama-
turgie.
Von den Meisterwerken niederländischer
Maler in den Museen in Den Haag, Delft,
Rotterdam, Haarlem und Amsterdam war
Egger-Lienz begeistert und zutiefst beein-
druckt. Nach dieser Rundreise schrieb er
am 24. August 1913 an Otto Kunz: „Ges-
tern von der Reise zurück, die mich mit
neuen Erlebnissen für die Zukunft erfüllt
hat. Wie flüchtig ist gegen diese Meister
unser ganze Kunst von heute; bei denen er-
scheinen die Werke wie galvanisierte See-
len, unverwüstliches, konzentriertes Er-
leben. Bei uns lauter Optik, nur Erschei-
nung für das Auge, dort gebautes, den
ganzen Menschen erfüllendes Erleben.“
Dieses Jahr 1913 aber wird in der Aus-
stellung noch mit dem Gemälde
Virgl
(1913; Ferdinandeum) manifestiert und
damit wird die andere Seite einer Natur-
darstellung deutlich. Dort im
Meer
der nie-
dere Horizont und die Weite, hier in
Virgl
die Enge der Landschaft mit dem hohen
Raumabschluss des Bozner Beckens und
den braunrötlichen Tonwerten der Erde.
Wie im Gemälde
Sonnenuntergang auf der
Mendel
(1919; Museum Schloss Bruck)
spielt die Lichtdramaturgie in den beiden
Landschaften von 1913 eine wichtige
Rolle: In beiden Gemälden ist die Licht-
sphäre dominant, über dem Meer vibrie-
rend, über dem Bozner Kessel in drei
mächtigen Sonnenstrahlen fast symbolisch
herabströmend. Dieser Einstieg in die Rot-
terdamer Ausstellung mit der Begegnung
des Sujets „Landschaft“ ist beeindruckend.
Das kleinformatige Gemälde
Katwijk. Der
Leuchtturm
(1913; Leopold Museum) er-
scheint noch in topografischer Genauigkeit
und fern jener Atmosphäre, welche das
Gemälde
Meer
erfasst hat. Dann folgt spä-
ter das licht- und farbstarke Gemälde
Cherso
(A. 20er Jahre; Leopold Museum):
man erlebt die neue Intensität vom Blau
des Wassers und Gelb des Gesteins, das
Konzept fast abstrahiert in der konstrukti-
ven Formung; nichts von der einst vibrie-
renden Sphäre der Nordsee oder der duns-
tigen Stimmung in Bozen ist spürbar.
Nach der Begegnung mit dem späten
Selbstbildnis
(1923; Ferdinandeum) wer-
den Bereiche erschlossen, die den Werde-
gang von Egger-Lienz veranschaulichen.
Die Studie zum
Haspinger
(1906/08; Mu-
seum Schloss Bruck) mit dem auf der
Rückseite gemalten Motiv
Holzfäller
las-
sen eine wichtige Station im Wandel des
Historienbildes deutlich werden. Hatte
Egger-Lienz im monumentalen Gemälde
„Das Kreuz“ (1898/1901; Ferdinandeum)
noch die Orientierung auf das Historien-
bild Münchner Prägung vor sich, auch
wenn er bereits Abschied von der bühnen-
haften Statik genommen und das Sujet in
eine fast veristisch lebendige Dramaturgie
geformt hat, so formulierte er im
Haspin-
ger
einen neuen plastischen Kanon, der
dann vor allem im „Totentanz“ zum Aus-
druck kam. Zudem entwickelte er anstelle
der frontalen keilförmig nach vorne füh-
OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2010
5
HEIMATBLÄTTER
Albin Egger-Lienz, Virgl, 1913; Tiroler Landesmuseum Ferdinan-
deum, Innsbruck.
Albin Egger-Lienz, Sonnenuntergang auf der Mendel, 1919;
Museum Schloss Bruck, Lienz.
Albin
Egger-Lienz,
Cherso, A.
1920er-
Jahre;
Leopold
Museum,
Wien.
Albin
Egger-
Lienz,
Haspinger
(Entwurf),
1908;
Museum
Schloss
Bruck,
Lienz.