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Abschied von Freunden

Am vierten Adventsonntag 2015 wur-

den beim Gottesdienst die acht iraki-

schen Flüchtlinge vorgestellt und

begrüßt, die in unserem Pfarrhaus Her-

berge finden sollten. Zuvor war das

Haus in einer gemeinsamen Aktion

von Gemeinde und Pfarrgemeinde von

einem Team von Freiwilligen renoviert

und wohnlich gemacht worden, viele

Leisacher und auch Auswärtige steuer-

ten Sach- und Geldspenden bei. Als

dann die jungen Eltern mit ihren vier

Kindern und das ältere Ehepaar zag-

haft lächelnd vor uns standen, wurde

allen Anwesenden warm ums Herz

und viele Bedenken verflüchtigten sich.

Nach den Weihnachtsferien gingen

Zeyneb und Zine, die beiden älteren

Mädchen, in die Volksschule und Dine,

die jüngste, in den Kindergarten. Alle

drei fanden sich von Anfang an gut zu-

recht und wurden herzlich aufgenommen und

bestens betreut. Kein Wunder, dass sie sich

schon bald gut auf Deutsch verständigen konn-

ten und durch ihre freundliche, offene Art viele

Freunde fanden.

Für die Erwachsenen erwies sich das Erlernen

unserer Sprache wesentlich schwieriger. Ein

dreiköpfiges Team von pensionierten Lehrerin-

nen ermöglichte den Deutschkurs im Pfarrhaus,

damit auch Asra, die Mutter des damals einjäh-

rigen Achmed, teilnehmen konnte. Am Anfang

waren wir vielfach auf Bilder und Anschauungs-

material angewiesen, manchmal half auch Eng-

lisch ein bisschen weiter und zur Not wurde

auch hin und wieder das Handy-Wörterbuch

strapaziert. Ein Tässchen arabischer Mokka

oder starker schwarzer Tee erleichterte uns

immer das Lernen und Unterrichten. Besonders

motivierend war es, wenn wir über einen

Scherz oder ein lustiges Missverständnis

gemeinsam lachen konnten. Bald waren die

Ausdrucksmöglichkeiten und das Vertrauensver-

hältnis so weit fortgeschritten, dass wir auch

über die Sorgen und Probleme unserer großen

„Schüler“ reden konnten.

Das lange Warten auf die Einvernahme in Inns-

bruck, das Hoffen auf einen positiven Bescheid

und die bittere Enttäuschung, als das Asyl-

ansuchen abgelehnt wurde, erlebten wir haut-

nah mit. Man kann sich nur schwer vorstellen,

was es für einen jungen Familien-

vater bedeutet, seit fast drei Jahren

zur Untätigkeit verurteilt zu sein,

keine eigenen Entscheidungen treffen

zu können und immer auf fremde

Hilfe angewiesen zu sein.

Als sich nun für die junge Familie die

Möglichkeit eröffnete, nach Jorda-

nien zu ziehen, wo in der Hauptstadt

Amman eine große Wohnung von Verwandten

frei geworden ist, entschlossen sie sich diese

Chance zu ergreifen, ohne das Ergebnis der

Berufungsverhandlung abzuwarten. Sie sind

den Menschen von Leisach sehr dankbar für die

freundliche Aufnahme und die vielfältige Unter-

stützung und nehmen unzählige wunderbare

Erinnerungen an Osttirol mit in das unbekannte

Land, von dem sie hoffen, dass es ihnen zur

Heimat wird. Wir alle wünschen ihnen, dass

sich diese Hoffnung erfüllt.

Zeyneb und Zine werden in Amman eine

Schule besuchen, in der Deutsch als Fremdspra-

che unterrichtet wird. Sie möchten auf keinen

Fall vergessen, was sie hier gelernt und erlebt

haben, und Zeyneb hat den Plan, einmal Ärztin

oder Deutschlehrerin zu werden.

Ihr Interesse an unseren Bräuchen, unseren

Festen und unseren Überlieferungen haben die

Kinder oft und deutlich gezeigt. So ist ihnen

auch aufgefallen, dass eine der Bildtafeln, die

seit 20 Jahren unsere Fußgängerunterführung

schmücken, nicht nur deutsche Märchenfiguren

zeigen, sondern auch eine bekannte Figur aus

einem arabischen Märchen, nämlich Aladin

und seine Wunderlampe. Wie gerne würden

wir ihnen auch so eine Wunderlampe mit auf

den Weg geben, damit sie sich hin und wieder

zu uns nach Leisach zaubern könnten, das für

15 Monate ihre Heimat war.

Mathilde Habernig