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Leisacher

Gucklöcher

Mutter zu sein ist das Schönste, was

mir passieren konnte

Zwei Tage vor ihrem fünften Geburtstag

überfiel die deutsche Wehrmacht Polen und

löste dadurch den Zweiten Weltkrieg aus.

Weitere fünf Jahre später musste

rosa

Senfter

erfahren, dass ihr Vater im Krieg

gefallen war. Damals war Rosa zehn Jahre

und die Älteste von fünf Kindern. Der frühe

Verlust ihres Vaters, mit dem sie so gern mu-

siziert und gesungen hat, und die kindlichen

Erinnerungen an diese traurige Zeit hängen

ihr heute noch nach. Natürlich lag es an ihr,

die Mutter zu unterstützen und einen be-

trächtlichen Teil der Arbeit in der kleinen

Landwirtschaft zu übernehmen. Neben der

Schufterei gibt es aber auch schöne Erinne-

rungen an die Kindheit auf dem Berg, in

Kristein, wo eigentlich nur Steine und

„Tschurtschen“ zum Spielen zur Verfügung

standen. Die kindliche Phantasie, die aus

Steinen einen Stall erstehen ließ und die

Nadelbaumzapfen zu Kühen erweckte,

bescherte ihr einige selige Stunden.

Nach acht Jahren Volksschule besuchte Rosa

Senfter ein Jahr lang jeden Donnerstag die

sogenannte Fortbildungsschule in Assling.

Mit vierzehn wurde sie zu ihrer Kusine nach

Kartitsch geschickt, wo sie als Mädchen für

alles eingesetzt war. Nach zwei harten

Jahren bekam Rosa in der Landwirtschafts-

schule in Lienz eine umfassende Ausbildung

in Haushaltsführung, Kochen, Gesundheit

und vielem mehr. Das Leben im Internat war

eine wunderschöne Zeit, in der sie wieder

jung sein durfte und nicht ausschließlich als

Arbeitskraft betrachtet wurde. Außerdem

gefiel ihr die nette Gemeinschaft unter

Gleichaltrigen und sie genoss den bisher

entbehrten Luxus, in einem warmen Haus zu

wohnen. Das Schuljahr dauerte von Allerhei-

ligen bis Ostern, die restliche Zeit mussten

die Schülerinnen und Schüler daheim bei

der Arbeit helfen. Ein Jahr hielt dieses Glück

an, dann folgte eine Anstellung als Haus-

haltshilfe bei den Brüdern Unterweger in

Thal, die Rosa mit einer ihrer Schwestern

teilte. Im Anschluss daran trat sie eine Stelle

bei der Familie Rohracher in Lienz an,

wo es in dem großen Haus jede Menge zu

tun gab.

Ein Lichtblick erhellte diese dunkle Zeit nicht

enden wollender Arbeit: Bei einem Konzert

auf dem Hauptplatz in Lienz begegnete

Rosa zum ersten Mal ihrem Siegmund, für

den sofort klar war, dass sie die Frau ist, mit

der er sein Leben teilen wollte. Auch Rosa

fühlte sich zu ihm hingezogen und sie trafen

sich öfters und unternahmen unvergessliche

Motorradausflüge nach Südtirol und auf

viele Almen. Bald wurden sich die beiden

Verliebten einig und nach eineinhalb Jahren,

im Mai 1960, läuteten die Hochzeits-

glocken. Von nun an nannte die 26-jährige

Kristeinerin den Gasslerhof ihr Zuhause und

auch dort gingen ihr die Arbeit und die

Verpflichtungen nicht aus. Die tiefe Liebe zu

ihren Kindern und die Freude an ihnen

halfen Rosa über die Last des Alltags

hinweg. Im Brustton der überzeugung er-

klärt sie, die Kinder seien das Schönste, was

ihr habe passieren können, und dass nie die

Sorge um die Mühen mit ihnen im Vorder-

grund gestanden sei, sondern die Dankbar-

keit und Freude über die große Kinderschar.

Helene, Peter, Seppl, Hilde, Martin, Hannes,

Margit, Barbara und Stefan bedeuteten für

ihr Leben eine Bereicherung und der Nach-

wuchs war lange Zeit der wichtigste Inhalt

ihres Daseins. Als Margit im Alter von nur

zwölf Tagen an einer Gehirnblutung starb,

brach für die verzweifelte Mutter verständ-