Seite 24 - Gemeindezeitungen

Basic HTML-Version

24
24
D
ie
S
onnseiten
N
ummer
49 - D
ezember
2014
P
farre
D
ie ersten Nachweise
für das Vorhandensein
von Orgeln in Tirol gehen
bis ins Mittelalter zurück.
Zunächst gab es nur weni-
ge Instrumente in Stadt- und
Klosterkirchen; im Laufe der
Zeit erhielten aber auch Pfarr-
und Filialkirchen eine Orgel.
Dabei gab es regionale Un-
terschiede: Während in man-
chen Gegenden auch kleine
Kirchen bereits im 17. oder
spätestens im 18. Jahrhundert
mit einer Orgel versehen wur-
den, gab es im Pustertal und
seinen Seitentälern noch nach
1900 einige Pfarrkirchen
ohne Orgel. Zu diesen gehör-
te auch Grafendorf.
Das erste Instrument in der
Pfarrkirche war ein Pedalhar-
monium; wann es angeschafft
wurde, ist nicht bekannt. Ob-
wohl der Orgelbauer Alois
Fuetsch aus Lienz im März
1933 fünf Tage lang mit ei-
ner Reparatur verbrachte, die
große Kosten verursachte,
war die fast 70-jährige Orga-
nistin Marianne Unterkircher
auf Dauer nicht damit zufrie-
den. Es entlockte ihr „unter
dem Einfluß der Temperatur-
schwankungen [...] manchen
Seufzer“, sodass der Wunsch
nach einer Orgel immer lau-
ter wurde. Bald darauf war
es soweit: Der Verkauf eines
testamentarisch der Kirche
vermachten Anwesens er-
möglichte es, diesen Wunsch
zu realisieren. Orgelbauer
Fuetsch, der bisher in Osttirol
nahezu eine Monopolstellung
eingenommen hatte, war am
4. Oktober 1935 gestorben.
Daher wandte man sich an die
Firma Karl Reinisch‘s Erben
in Steinach amBrenner. Diese
reichte am 6. Dezember 1935
einen Kostenvoranschlag für
eine neue Orgel ein, die acht
Register (darunter eine Trans-
mission) auf einem Manual
und Pedal erhalten und 6.000
Schilling kosten sollte. Die
Firma steckte zu dieser Zeit
wegen der schlechten Wirt-
schaftslage in Schwierigkei-
ten und war auch auf kleine
Aufträge angewiesen. Sie
betonte daher: „Dieses Offert
ist ein besonders günstiges
Angebot und wir betonen,
dass Sie keine solche billi-
ge neue Orgel mehr erhal-
ten“. Das Angebot war ohne
vorherige Besichtigung der
Kirche erstellt worden. Erst
nach Auftragserteilung wollte
der Werkmeister die Raum-
verhältnisse in Augenschein
nehmen und dann auch eine
Prospektansicht liefern. Vor-
gesehen war der zeitübliche
„frei stehende“ Prospekt, das
heißt, dass die Prospektpfei-
fen nicht von einem Gehäuse
umrahmt waren. „Auf be-
sonderen Wunsch“ enthielt
die Angebotsdisposition das
Schweberegister Vox coe-
lestis 8‘. Die Firma Reinisch
riet jedoch, stattdessen lieber
eine Oktav 4‘ einzubauen, die
„für die Wirkung des Plenos
geeigneter wäre“, was dann
auch so ausgeführt wurde.
Nach der Auftragserteilung
konnte die Orgel (Opus 167
der Firma) am Pfingstsonn-
tag, dem 31. Mai 1936, das
erste Mal erklingen. Sie hatte
folgende Disposition:
Pfarrer Josef Koller schrieb
in die Pfarrchronik: „Deo
gratias, dass wir eine Orgel
haben!“ Zu den Anschaf-
fungskosten kamen noch 500
Schilling für Nebenauslagen.
Das Gebläse war auf dem
Dachboden der Kirche un-
tergebracht. Bereits im ersten
Jahr traten wiederholt Stö-
rungen an der Orgel auf, aber
„die Firma war stets zur Hand
mit Nachregulieren“.
Am 7. September 1937, über
ein Jahr nach Aufstellung, er-
folgte die Kollaudierung des
Werks durch Prof. Karl Koch,
Chordirektor an St. Jakob in
Innsbruck, und Anton Dawi-
dowicz, Chorleiter und Or-
ganist an St. Andrä in Lienz.
Sie lobten die sorgfältige und
gewissenhafte Ausführung
der Arbeit und die Intona-
tion der einzelnen Register.
Die Präzision der Ansprache
- kritischer Punkt bei pneu-
matischen Orgeln - fanden sie
dagegen nur „befriedigend“.
Außerdem bedauerten sie,
dass aus finanziellen Grün-
den kein zweites Manual ge-
baut und aus Raummangel
kein Oktavbass untergebracht
werden konnte. Abschließend
gratulierten sie jedoch „zu
dem schönen, wohlgelun-
genen Instrument“, das ein
„neues Schmuckstück“ der
restaurierten Kirche sei. Von
dieser Orgel konnte trotz in-
tensiver
Nachforschungen
leider kein Foto gefunden
werden.
Nach vierzig Jahren war die
Orgel allerdings unspielbar
geworden; vor allem eine
Trockenperiode im Frühsom-
mer 1976 hatte ihr stark zuge-
setzt. Ein Lienzer Privatmann
erwarb die Orgel und baute
sie ab. Als Ersatz musste man
sich aus finanziellen Gründen
mit einem elektronischen Er-
satzinstrument im Selbstbau
begnügen.
Knapp weitere vier Jahrzehn-
te später erhält die Kirche
nun mit der Errichtung der
Linder-Orgel ein qualitätvol-
les Instrument, das der Pfarr-
gemeinde lange Zeit Freude
bereiten möge.
M
atthias
R
eichling
Quellen:
Pfarrarchiv Grafendorf: Orgelak-
ten, Pfarr-Chronik 1931–1946; An-
ton Dawidowicz, Orgelbaumeister
und Orgeln in Osttirol, Diss. Wien
1949, S. 89; IZ – Innsbrucker Zei-
tung, 2.7.1936; Lienzer Nachrich-
ten, 13.8.1937, 10.9.1937; Osttiroler
Bote, 5.5.1977
Zur Orgelgeschichte von Grafendorf
1976: Josef Duregger bei der Arbeit an der elektronischen Or-
gel. Ca. 12.000 Kontakte mussten sorgfältig gelötet werden.
Foto: DI Gottfried Wieser
MANUAL C - f
3
/66 Töne
PEDAL C - d
1
Prinzipal
8'
Subbass
16'
Gedeckt
8'
Zartbass* 8'
Salizional
8'
Oktav
4'
Pedalkoppel
Blockflöte
4'
Hochoktavkoppel im Manual
Mixtur 3-4fach
2'
* = Transmission aus Gedeckt 8'
Druckknöpfe: Mezzoforte, Forte, Tutti, Auslöser.
Pneumatische Taschenladen, Prospektpfeifen auf Kegellade.
Elektrischer Ventilator.