Seite 40 - Gemeindezeitungen

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I
Österreich vor 70 Jahren
nur geringfügige Verletzungen
davon (Trommelfell geplatzt, Prel-
lungen, leichte Brandwunden).
Was weiter geschah: Der Attentäter war
vom Tod Hitlers überzeugt und wollte
die Umsturzpläne sofort in Gang setzen.
Doch während er sich noch auf dem
Rückflug befand, sickerte in Berlin be-
reits durch, dass der Führer lebte und
„pumperlg’sund“ sei. Damit änderte sich
die Lage schlagartig – einige Verschwörer
zögerten die Durchführung der ihnen
anvertrauten Aktionen hinaus und wi-
derriefen bereits erteilte Befehle (z. B.
Einnahme des Rundfunkgebäudes),
manche wechselten sogar blitzschnell die
Seite, um nicht in den Verdacht der Mit-
wisserschaft zu geraten. Gegen Abend
war der Putsch endgültig gescheitert.
Generaloberst Beck beging daraufhin
Selbstmord, Stauffenberg wurde festge-
nommen und zusammen mit drei wei-
teren Offizieren gleich in der Nacht zum
21. Juli erschossen.
Die Rache der herrschenden Clique sah
so aus: Den fünf Toten gönnte man
nicht einmal die Grabesruhe; auf Befehl
des SS-Führers und Innenministers
Heinrich Himmler wurden sie exhu-
miert, verbrannt und ihre Asche in die
Berliner Kläranlage (!) geschüttet. Ab
August folgten Schauprozesse vor dem
Volksgerichtshof, die mit mehr als 200 –
31. Juli:
Amerikanische Einheiten
durchbrachen die deutsche Front in der
Normandie und eroberten relativ rasch
große Teile Frankreichs.
25. August:
Befreiung von Paris. Der
deutsche Kommandant missachtete den
Befehl Hitlers, die Stadt zu zerstören
und ergab sich mit den ihm unter-
stehenden Besatzungssoldaten kampflos.
10. September:
Ein weiterer schwerer
Luftangriff auf Wien
11. September:
Amerikanische Truppen
erreichten nördlich von Trier die deut-
sche Grenze
15. September:
Einzug der Roten
Armee in Sofia
25. September:
Befehl Hitlers zur Ein-
berufung „aller wehrfähigen Männer
zwischen 16 und 60 Jahren“ – der Deut-
sche Volkssturm
6. Oktober:
Die Sowjets marschierten in
Ungarn ein
Ab Mitte Oktober:
Rückzug aller deut-
schen Verbände aus Griechenland, Alba-
nien und Mazedonien
14. Oktober:
Feldmarschall Erwin
Rommel, einst Lichtgestalt des Regimes,
starb nach der „erzwungen freiwilligen“
Einnahme von Zyankali. Er wurde ver-
dächtigt, Mitwisser des Attentats vom
20. Juli zu sein und vor die Alternative
gestellt: Selbstmord oder Anklage mit
sicherer Verurteilung und allen Konse-
quenzen für die Familie (Sippenhaf-
tung!). Offiziell hat man sein Ableben als
Autounfall dargestellt, damit einem
pompösen Staatsbegräbnis nichts im
Wege stand. Der „Wüstenfuchs“ und
Held vieler Schlachten war ja für die
Propaganda immer noch sehr wichtig –
er durfte nicht eines unwürdigen Todes
sterben! Hitler selbst heuchelte und be-
schönigte: „Sein Name ist im gegenwär-
tigen Schicksalskampf ... der Begriff für
hervorragende Tapferkeit und uner-
schrockenes Draufgängertum ...“.
21. Oktober:
Nach der Eroberung von
Aachen befanden sich nun alliierte Trup-
pen auf deutschem Boden, die am
23. November
bis zum Rhein vorstießen
16. Dezember:
Beginn der „Ardennen-
Offensive“. Nach anfänglichen deut-
schen Überraschungserfolgen kam sie
bald zum Stillstand und wurde im Jän-
ner 1945 von den Amerikanern zurück-
geschlagen.
Der durch die Explosion zertrümmerte Besprechungsraum; Hitler nannte es danach eine
„Vorsehung des Himmels“, dass er dieses Attentat relativ unbeschadet überlebte.
von vornherein feststehenden – Todes-
urteilen endeten.
Alle verurteilten „Umstürzler“ wurden je-
doch nicht, wie üblich, am Galgen oder
durch Erschießen hingerichtet, nein, sie
mussten nach demWillen der rachsüch-
tigen, verrohten und perversen obersten
Machthabern qualvoll sterben! Mit
Drahtseilen, deren Schlinge sich nur ganz
langsam zusammenzog, an Fleischerha-
ken aufgehängt, wurde ihr Todeskampf
vom Anfang bis zum Ende gefilmt, und
die Aufnahmen dann schnellstens ins
Führerhauptquartier geliefert!
Eine kleine Gruppe österreichischer
Offiziere wusste ebenfalls um die Ver-
schwörung und hatte sich bereit erklärt,
dabei mitzuwirken. Als die von Oberst-
leutnant Robert Bernardis, einem Öster-
reicher, unterzeichneten Befehle in Wien
eintrafen, konnten alle Führenden des
örtlichen NS-Regimes und leitende Ge-
stapo-Beamte widerstandslos festge-
nommen werden. Freilich nur für kurze
Zeit – nach der „Pleite“ in der Reichs-
hauptstadt war auch hier an weitere
Maßnahmen nicht mehr zu denken. Es
folgten Todesurteile für die „Rädelsfüh-
rer“, bzw. Haft im Konzentrationslager
für zwei „minder beteiligte“ Offiziere.
Nur Hauptmann Carl Szokoll, der die
Aktion in Wien leitete, blieb unent-
deckt; von ihm wird nächstes Jahr noch
die Rede sein.