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Heimat
März 2014
Heimat
In der Serie „Heimat“ berichten wir über Zugezogene, die in Tristach Heimat gefunden haben.
Martina Senfter, geb. Hronecová
Meine Heimat, die Stadt Medzev
(ca. 4.000 Ew.), liegt 1.000 km von
Tristach entfernt im Südosten der Slo-
wakei, in der Region Kosice. Medzev
wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts
von deutschen Kolonisten, den Manta-
ken gegründet. Sie sprechen einen deut-
schen Dialekt - mantakisch. Auch heute
gibt es noch ungefähr 15 % Deutsche.
Die Umgebung der Stadt Medzev war in
meiner Kindheit ländlich, bäuerlich. Es
gab Kühe auf den Wiesen und Teiche
voller Fische. Die Landschaft prägend
waren auch die vielen Wassermühlen,
die fast 100 Hammerwerke antrieben.
Die Region war reich an Erzen. In un-
mittelbarer Nähe von Medzev liegen
weltberühmte Tropfsteinhöhlen, die
auch von touristischer Bedeutung sind.
Ich wurde am 15. Juli 1981 als ers-
te von zwei Töchtern des Josef und der
Maria Hronecovi geboren. Meine Mutter
hatte das Schusterhandwerk gelernt,
fand aber keine Arbeit in dieser Sparte.
Sie musste dann Schwerarbeit in einer
Fabrik verrichten, in der Gartenwerk-
zeuge hergestellt wurden. Mein Vater ist
Schlosser.
Meine Mutter ist katholisch, mein
Vater wollte als Kommunist von Religion
nichts wissen, vor allem deshalb, weil
er Angst hatte, als Christ die Arbeit zu
verlieren.
Prägende Erinnerungen an meine
Kindheit sind die Ausflüge in die nähe-
re Umgebung. Wir fuhren zu viert auf
dem Moped zum Beeren- und Pilzesam-
meln. In den Ferien waren wir leiden-
schaftliche Camper. Wir packten unser
Einmannzelt in den Wartburg und steu-
erten einen schönen Platz auf dem Land
an. Man konnte noch überall zelten.
Als Familienmensch liebte ich auch
die Besuche bei den Großeltern, den
Tanten und Cousinen. Den Großeltern
überbrachte man zu verschiedene An-
lässen die Glückwünsche immer in Ge-
dichtform vor. Die Eltern meiner Mutter
züchteten Kaninchen und verkauften
das Fleisch und die Felle.
Großen Eindruck machten auf mich
in den ersten Schuljahren die 1. Mai-
Feiern. Es gab große Paraden mit Musik.
Wir waren alle bei den Pionieren, eine
Art Kinderorganisation im Ostblock, ver-
gleichbarmit denPfadfindern imWesten.
Es war eine schöne Gemeinschaft mit
Sport und Spielen. Außerdem gab es am
1. Mai noch einen besonderen Brauch.
Grüne Zweige mit bunten Blättern im
Garten oder auf den Balkon bedeute-
ten: Hier in diesem Haus oder dieser
Wohnung sind Mädchen im heiratsfähi-
gen Alter. Mein Vater machte das nie.
Zu den Osterspezialitäten gehört in
der Slowakei unbedingt „Syrec“, ein Ge-
richt aus Milch und Eiern. Ich koche es
auch hier. Am Ostermontag gibt es ei-
nen speziellen Brauch: Die Männer und
die jungen Burschen ziehen sich schick
an und gehen von Haus zu Haus, um
Mädchen zu besuchen, die dann mit
Wasser bespritzt, manchmal sogar rich-
tig übergossen werden. Das sollte den
Begossenen die Reinheit, Gesundheit
und Lebensenergie erhalten. Die Män-
ner erhalten gefärbte Eier, Schnaps und
Essen.
Der Hl. Abend läuft auch nach ge-
wissen Regeln ab. Die Geschenke liegen
schon in der Früh unter dem Christ-
baum, dürfen aber erst am Abend ge-
öffnet werden. Zum Abendessen gibt es
Sauerkrautsuppe mit Pilzen und Würs-
tel und Karpfen mit Kartoffelsalat. Der
Karpfen schwamm bis zur Verwendung
in der Badewanne. Papa hatte ihn selbst
gefischt. Ich durfte ihn beim Fischen oft
begleiten.
Foto: Beigestellt
Martina (li.) mit Eltern und Schwester
Liebfrauenkirche in Medzev
Foto: Wikimedia Commons