Seite 11 - Gemeindezeitungen

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unter den vielen jungen Familien, jeder
kümmerte sich um jeden, und wenn etwas Un-
planmäßiges passierte oder man sonst Hilfe
brauchte, konnte man sich getrost auf die Nach-
barschaft verlassen. Den Kindern bescherte die-
ser Umstand ein zwangloses Aufwachsen unter
ihresgleichen, wobei die Bewohnerinnen und
Bewohner des Blocks fast so etwas wie eine
Großfamilie darstellten.
Nach der ersten Geburt pausierte Mathilde und
widmete sich in den folgenden zehn Jahren
ganz der Erziehung ihrer Töchter Maria,
Magdalena und Christine. Sie genoss diese
Phase und betrachtete die Möglichkeit, sich eine
begrenzte Zeit lang gegen den Beruf und für
das Daheimbleiben bei den Kindern entscheiden
zu dürfen, als Privileg ihres Frau-Seins.
Heute sind sie und Reinhold stolze Großeltern
von drei Enkelkindern zwischen dreieinhalb Jah-
ren und dreizehn Monaten. Die erweiterte Fami-
lie ist es auch, die nun zu einem gewissen Teil
das Leben des Paares bestimmt. Wenn Not am
Mann ist, hält Mathilde und Reinhold nichts
mehr in Leisach und sie fahren nach Nordtirol,
um ihre Töchter zu unterstützen und zwischen-
zeitlich die Obhut über Marias Söhne Lorenz
und Florian oder Christines Tochter Miriam zu
übernehmen. Maria (34) hat Geografie studiert
und als Bildungsreferentin im Caritas Welthaus
in Innsbruck gearbeitet und Christine (30), die
die Fachhochschule für soziale Berufe in Inns-
bruck absolvierte und anschließend in der
Jugendwohlfahrt Innsbruck Land und später in
Imst tätig war, befindet sich gerade in Ausbil-
dung zur systemischen Therapeutin. Beide sind
zurzeit karenziert. Nach ihrem Studium der
Meteorologie als einzige der Töchter wieder
nach Osttirol zurückgekehrt ist die Bergführerin
Magdalena (32), Mitarbeiterin der Verbund-
Klimaschule des Nationalparks Hohe Tauern.
Die Enkelkinder betrachtet Mathilde als wunder-
volle Bereicherung in ihrem Leben, doch sie be-
schränkt sich nicht nur auf ihre Aufgaben und
Freuden als Oma, sondern genießt auch die
Freiheiten seit ihrer Pensionierung. Dazu zählt in
erster Linie der Sport in der Natur, wie Rodeln,
Schifahren, Touren-Gehen, Wandern und Rad-
fahren. Und bei Letzterem darf es auch ruhig
einmal etwas anstrengender sein, zum Beispiel
stehen für die nahe Zukunft eine Radtour von
Lienz nach Innsbruck und ein Radurlaub im süd-
lichen Apulien in Italien am Plan. Und weil wir
gerade bei den Zielen sind: Neben einigen
Reisen hat sich Mathilde für die nächsten Jahre
die Besteigung eines 4000ers in der Schweiz,
gemeinsam mit ihrer Tochter Magdalena, vorge-
nommen, und wer sie kennt, weiß, dass ihr der
Wind in dieser Höhe bestimmt bald um die
Ohren pfeifen wird. Kraft tanken für ihre an-
spruchsvollen Vorhaben darf Mathilde in ihrem
Schrebergarten an der Drau, wo sie in Ruhe
lesen und sich einer etwas gemütlicheren
Variante eines Naturerlebnisses erfreuen kann.
Am Dorfgeschehen hat Mathilde immer schon
regen Anteil genommen. Wäre da nicht eine
gewisse Nordtiroler Färbung in ihrer Ausspra-
che, gäbe es keinen Zweifel daran, dass sie
eine waschechte Leisacherin ist. Neben ihren
Aktivitäten im Familienverband, als ehemalige
Gemeinderätin und zurzeit als Agenda-Mit-
arbeiterin, als die sie sich um interessante und
einfühlsame Porträts der Dorfbewohnerinnen
und -bewohner bemüht, ist Mathilde schon viele
Jahre dem Kirchenchor und späteren Leisacher
Singkreis verbunden. Zusätzlich als Schriftführe-
rin im Vorstand tätig, bereichert sie mit ihrer
Altstimme die musikalischen Darbietungen des
Vereins, kein Wunder, denn das Singen gehörte
für sie schon von klein auf zum Alltag. Das
Engagement im Dorf teilt sie mit ihrem Mann
Reinhold, der sich um die schriftlichen Belange
der Leisacher Feuerwehr kümmerte und sich nun
im Reservestand befindet. Außerdem gehörte er
ein paar Jahre dem Pfarrgemeinderat an und
sorgte als Chronist jahrelang dafür, dass die
dörflichen Veranstaltungen festgehalten und
archiviert wurden. Auch heute noch ist sein Ein-
satz als Fotograf, meist bei kirchlichen Feiern,
oft gefragt. Schließlich ist Reinhold Technik- und
Computerfreak und von Neuerungen stets
begeistert.
„Ich bin dankbar und sehe in jedem Tag ein Ge-
schenk“, versichert Mathilde, die als Achtzehn-
jährige die Krebserkrankung ihrer 47-jährigen
Mutter miterleben musste. Nach deren Tod über-
nahm sie zusammen mit ihrer ältesten Schwester
die Verantwortung für die jüngeren Geschwister
und stand ihrem Vater zur Seite. Gesund sein,
in Friedenszeiten leben und wissen, dass die
Kinder ihren Platz im Leben haben, das macht
Mathilde Habernig zufrieden und dankbar. Und
wenn ihr noch der ein oder andere sportliche
Höhenflug das sprichwörtliche Sahnehäubchen
im Alltagskaffee beschert, steht einem glück-
vollen Älterwerden nichts im Weg.
cz