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• Dezember 2013
Portrait
Bäcker werden gerne als „Helden der Nacht und Retter
des Morgens“ bezeichnet. Während wir in unseren Betten
träumen, werden in den Backstuben unzählige Semmeln,
verschiedenste Brotsorten und allerhand feines Gebäck
produziert. Für viele von uns ist das morgendliche
Motorengeräusch des heimischen Bäckerlieferwagens
wohl der angenehmste aller Weckrufe. Frisches,
knuspriges und duftendes Frühstücksgebäck vor der Haus
– oder Wohnungstür; ein Service unserer Bäckerbetriebe,
das wir gerne genießen und zu schätzen wissen.
Peter Rainer ist einer dieser Helden. Er ist Bäcker
aus Leidenschaft und kann sich keinen schöneren
Beruf vorstellen. Mit 87 Jahren darf er heute auf eine
erfolgreiche und bewegte Berufslaufbahn zurückblicken.
Mit 14 Jahren, am 1. August 1940, kam Peter aus seinem
Südtiroler Heimatort Klausen nach Sillian, um beim
„Außerbäck“ die Bäckerlehre anzutreten. Das Datum
weiß er noch auf den Tag genau, weil er sich so sehr
darauf gefreut hat. Immer schon, bereits als kleiner Bub,
wollte Peter Bäcker werden und versuchte ständig, einen
Blick in eine Backstube zu erhaschen. Dabei hatte sein
Vater zuerst andere Pläne mit ihm. Er sollte Tischler
werden, wie er und in seine Fußstapfen treten. Doch
das Bretterschneiden und die Holzbearbeitung waren
nicht Peters Sache. Sehr bald sah das auch sein Vater ein
und so durfte der Junge zu seiner Tante Josefine, die in
Sillian mit dem Bäckermeister Sebastian Außerhofer,
dem „Außerbäck“, verheiratet war. Drei harte Lehrjahre
begannen. In der Schlafkammer, die er mit den drei
anderen Gesellen teilte, war es in den Wintermonaten so
kalt, dass auf dem Thermometer in der Schlafkammer
die Quecksilbersäule nie zu sehen war, da die Skala erst
bei – 5° Celsius begann. Das Aufstehen um Mitternacht
machte ihm schon damals nichts aus, erzählt Peter Rainer,
und die Arbeit bereitete ihm Freude, auch wenn es noch
keine Maschinen gab und jeder Teig von Hand geknetet
und gefertigt werden musste. Die Rezepte wurden nur
mündlich weitergegeben. Die einzelnen Backschritte
waren aufwendig. Ganze sechsArbeitsschritte brauchte es
zur Fertigstellung einer Semmel. Alle fünf Sinne wurden
gebraucht und Kreativität war gefragt – nicht nur beim
„Erfinden“ neuer Backwaren sondern auch dann, wenn
es in den Kriegsjahren darum ging, Mehl und anderen
Backzutaten zu beschaffen. Peter war sehr geschickt
und wurde schnell die rechte Hand und unabkömmlich
für den „Außerbäck“, der schon dem Ruhestand
entgegen ging. Auch sonst war Peter Rainer, der sich
in Sillian sehr wohl fühlte, als fleißig und hilfsbereit
bekannt, engagierte sich bei vielen Vereinen und bei
der katholischen Jugendbewegung - immer unterwegs,
immer beimArbeiten und überall dort zu finden, wo man
ihn brauchte.
Beinahe hätte er übersehen, dass es im Leben auch noch
etwas anderes als die Arbeit gibt. Zum Glück kam Erna
Ebner aus Obertilliach als Gesellin zum „Außerbäck“.
Jedenfalls muss es zwischen den beiden ordentlich
geknistert und gefunkt haben. Geheiratet wurde allerdings
erst neun Jahre später. Ihre drei Kinder Christine, Peter
und Birgit wurden geboren.
Noch heute spürt man den starken Zusammenhalt
der beiden. Zusammen haben sie auch ihren Betrieb
aufgebaut. 1967, nach dem Tod des „Außerbäck“ hat
Peter Rainer die Bäckerei von Josefine Außerhofer und
ihrem Mann Dr. Pfandlbauer gepachtet und 1975 konnte
Peter den Betrieb kaufen, schrittweise ausbauen und
modernisieren.
Bei allem Augenmerk auf Tradition und Qualität
wurde die Umsetzung neuer, kreativer Backideen nie
vernachlässigt. Legendär sind, neben vielen anderen
Produkten, das Volkzeinerbreatl oder das Zigeunerbreatl,
das bis nach Berlin geliefert wird.
Legendär waren auch die Frühschoppen in Rainers Garten
hinter der Bäckerei und „Erna´s Kuchl“ als beliebter
Treffpunkt.
„Ich wollte immer, dass meine Kunden zufrieden sind
und es ihnen gut geht“ und als Beispiel dafür erzählt
Peter Rainer von so mancher Hausfrau, für die er einen
schwarzen Wecken, der mit spezieller Mehlbestaubung
besonders knusprig aussieht, auf die Seite legte, weil
er wusste, dass deren Familien dies besonders gerne
mochten und sich darauf freuten.
Peter Rainer - keiner bäckt feiner
1962 Erna und Peter, schüchtern und verliebt, mit einem
neuen, modernen Backofen.
Um 1950 gehörte auch eine Landwirtschaft zur
Bäckerei. Bäckermeister Sebastian Außerhofer (links
im Bild) mit dem jungen Peter Rainer, der keine Arbeit
scheute.