Seite 28 - Gemeindezeitungen

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Virgen
Aktiv
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I
Hauptschule Virgen
1943
Gegen Ende November 1942 wurde die
6. deutsche Armee von zahlenmäßig
weit überlegenen russischen Truppen
(ca. eine Million Mann!) bei Stalingrad
eingekesselt. Damit nahm nicht nur ein
Drama von unvorstellbarem Ausmaß
seinen Lauf, sondern es begann auch die
Wende im gesamten Kriegsgeschehen –
die sieggewohnten deutschen Verbände
mussten an fast allen Fronten den Rück-
zug antreten und konnten nur noch ver-
einzelt Schlachten für sich entscheiden.
Hitler wollte diesen Umschwung nicht
wahrhaben, gab Befehle zum Durchhal-
ten aus, verbot die Zurücknahme jeder
Kampflinie, sprach dauernd von neuen
Wunderwaffen und jonglierte mit Batail-
lonen, die nur noch Kompaniestärke
hatten. Leider wagte keiner der Offiziere
des engeren Führungsstabes einen
Widerspruch bzw. die Offenlegung der
tatsächlichen Verhältnisse, obwohl jeder
von ihnen bis ins Detail gehende Infor-
mationen darüber hatte. Zu diesem
Zeitpunkt wären wahrscheinlich faire
Friedensverhandlungen noch möglich
gewesen, doch nicht mit diesem „Füh-
rer“! Der hat ja sinngemäß mehr als ein-
mal betont: „Wenn die ,deutsche Rasse‘
den Krieg verliert, hat sie keine Exis-
tenzberechtigung, gehört sie ausradiert,
soll auch das Land untergehen!“
1. Jänner:
Ernst Kaltenbrunner, geboren in Ried im
Innkreis, seit vielen Jahren hochrangiger
SS-Funktionär, wurde zum Chef aller
Polizeistellen ernannt (RSHA = Reichs-
sicherheitshauptamt, SD = Sicherheits-
dienst, Gestapo = Geheime Staatspolizei)
und damit Nachfolger von Reinhard
Heydrich, der im Juni des Vorjahres
einem Attentat erlegen war. Seinen
neuen Machtbereich ausnutzend, machte
er sich unzähliger Verbrechen schuldig.
„Kaltenbrunner selbst befahl die Hin-
richtung von Gefangenen ... Am Ende
des Krieges war er ... an der Vernichtung
einer großen Anzahl von ihnen beteiligt
... Das RSHA spielte eine führende Rolle
bei der ,Endlösung‘ ... durch Ausrottung
der Juden ...“ – so lauteten im Nürn-
berger Prozess die wichtigsten Anklage-
punkte gegen Kaltenbrunner. Trotz stän-
digen Leugnens einer persönlichen
Schuld („... ich habe nur meine Pflicht
getan ...“) wurde er zum Tod verurteilt
und im Oktober 1946 hingerichtet.
31. Jänner bis 2. Februar:
Ende des Kampfes um Stalingrad, bei
dem in fünf Monaten ca. 700.000 Men-
schen ihr Leben verloren. Zur 6. deut-
schen Armee gehörten – mit Truppen-
teilen aus Italien und Rumänien – etwa
250.000 Soldaten; fast die Hälfte davon
fiel (verhungerte, erfror), 25.000 wurden
mit schweren Verwundungen ausgeflo-
gen, die restlichen 90.000 bis 100.000
ergaben sich und gingen in Gefangen-
schaft. Unter ihnen hielt der Tod aller-
dings auch reichliche Ernte: Hass und
Rache des Bewachungspersonals, un-
menschliche Arbeitsbedingungen, die
extreme, sprichwörtliche „sibirische
Kälte“, Auszehrung und Krankheiten (in
erster Linie Fleckfieber) bewirkten, dass
nur ungefähr 6.000 nach zehn Jahren
Inhaftierung die Heimat wiedersahen
(1955/56).
Da von den Russen, Zivilbevölkerung
wie Militär, ein noch viel höherer Blut-
zoll gefordert wurde, ergibt sich die an-
fangs genannte Zahl: 700.000.
11. Februar:
Auf der Suche nach mehr „Menschen-
material“ wurden die Burschen des Ge-
burtsjahres 1926 vorerst als Luftwaffen-
helfer verpflichtet, hatten aber kurz
darauf Kampfeinsätze an der Front zu
bestehen.
13., 21. März:
Es gab auch (wenige) Offiziere, die nach
dem Debakel von Stalingrad
„...Deutsch-
land und die Welt von dem größten Ver-
brecher der Geschichte...“
befreien wollten
– wie immer man zum Recht auf Tyran-
nenmord stehen mag.
Oberst Tresckow war einer von ihnen: Er
füllte zwei Kognakflaschen mit Spreng-
stoff, verpackte sie hübsch und bat am
13. März einen nichts ahnenden Beglei-
ter Hitlers, den „Kognak“ im Flugzeug
des Führers mitzunehmen. Lauf des
Schicksals – das Paket wurde nicht in der
Kabine, sondern im Frachtraum trans-
portiert. Dort vereiste es so stark, dass
der Zündmechanismus versagte und die
Maschine unbehelligt landen konnte.
ÖSTERREICH VOR 70 JAHREN
Eine im Kessel von Stalingrad abgestürzte deutsche Maschine. Hermann Göring, Oberbe-
fehlshaber der Luftwaffe, verkündete großmäulig, die Versorgung der eingeschlossenen
6. Armee durch „seine“ Flieger wäre sichergestellt. Dazu hätten Tag für Tag 300 Flugzeuge
landen und 550 Tonnen Material liefern müssen (Munition, Treibstoff, Ersatzteile, Lebens-
mittel etc.). Tatsächlich wurden in den zwei Monaten der Belagerung insgesamt nur 6.600
Tonnen eingeflogen, und das zu einem hohen Preis: Deutschland verlor dabei 500 (!)
Flugzeuge – Motorschäden, Fehler der oftmals bloß in einem „Schnellsiederkurs“ ausge-
bildeten Piloten, extreme Wetterverhältnisse und natürlich der intensive Beschuss durch
russische Kanonen forderten diesen ungeheuren Tribut.