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FODN - 53/01/2013
21
GESCHICHTE
Arbeits- und Kriegsdienst der
Frauen im Dritten Reich
Mädchen und Frauen von Nicht-Land-
wirtschaftsangehörigen wurden im Ver-
lauf des Zweiten Weltkrieges zum Ar-
beitsdienst und später zum Kriegsdienst
einberufen. Aus Kals können erwähnt
werden: Anna Bacher, Anna Gliber/
später verheiratete Anna Grißmann/
Schmied, Anna Groder/Tochter des Fer-
dinand Groder, später verheiratete Turri
(verunglückt).
Anna Mussack (verh. Anna Bacher),
die Tochter des Lehrers Mussack, absol-
vierte 1942 ein »Pflichtjahr« beim Nigg-
lerbauer in Glor. Ebenso war Anna Gro-
der zum Arbeitsdienst beim Jörgner in
Glor verpflichtet. Es waren in Haus und
Hof sämtliche Arbeiten zu verrichten,
da ja kaum Männer auf dem Hof waren:
Arbeit auf den Bergwiesen, Mist aufla-
den und ausbringen, die Stallarbeit ua.
Im Jahr 1943 wurde Anna (Bacher)
zum Arbeitsdienst in Kärnten, nahe
Ferlach einberufen. Wiederum waren
die Mädchen und Frauen zu Arbeiten
in der Landwirtschaft eingeteilt, da ja
kaum noch männliche Arbeitskräfte auf
den Bauernhöfen waren. 20 Pfennig ist
der Reinverdienst, jeder muss zum Ar-
beitsdienst, war die Parole. Dieser Ar-
beitsdienst dauerte ca. sechs Monate.
Auf diesen Arbeitsdienst folgte im
Herbst 1943 unmittelbar die Einberu-
fung zum Kriegsdienst nach Stade, in
der Nähe von Hamburg. Die Mädchen/
Frauen erhielten Uniformen, und einge-
teilt wurden sie für Telefondienste und
militärische Auswertungen. Damals
wurde das Deutsche Reich schon von
den Alliierten heftig bombardiert, und
das »weibliche Militär« musste stets auf
dem Posten sein, um die Frühwarnun-
gen entgegenzunehmen, diese auszu-
werten und weiterzugeben. Natürlich
wurden viele Stunden in den Luft-
schutzkellern verbracht, dazu mussten
stets sämtliche persönliche Papiere und
Ausweise mitgenommen werden.
Anna erzählte auch, dass man sich
an diese bedrohliche Situation derart
gewöhnt hatte, dass man den Befehlen
zum Aufsuchen der Luftschutzkeller
manchmal nicht sofort nachkam. Un-
tergebracht war das »weibliche Militär«
in Baracken. Positives am Arbeits- und
Kriegsdienst konnte Anna auch berich-
ten: Kameradschaft, Disziplin, Lernen
von Kochen uam. Es gab auch Heimur-
laub. Von einem erzählte Anna, dass sie
und Anna Gliber/Schmied nachts zu Fuß
von Lienz nach Kals gingen. Sämtliche
Häuser waren zu dieser Zeit zum Schutz
vor Bombenangriffen verdunkelt, und
die beiden gingen in großer Angst nach
Kals. Beim Greil in Oberpeischlach an-
gekommen, sah sie der Greilbauer und
lud die zwei Mädchen zu einem Essen
in das Haus. Einen »Schmarren« gab es
zur Stärkung.
1945 kam Anna zum „Kriegsdienst“
nach Zwenkau bei Leipzig. Wiederum
Telefondienst, militärische Auswertun-
gen ua. Jetzt war das »weibliche Mili-
tär« schon mit Gasmasken und Stahl-
helmen ausgerüstet. Beim Exerzieren
waren sie vom »Robben« befreit. Das
Kriegsende nahte und Gutgesinnte im
Militär rieten: „Mädl´s schaut´s, dass ihr
Zivilkleidung kriegt´s, wenn euch die
Russen in der Uniform erwischen, er-
schießen sie euch!“
Der Heimweg war voll von Gefahren
durch Bombardierungen und das Nä-
herrücken der Russen aber auch von den
eigenen Truppen als Deserteur erkannt
zu werden. Der Weg führte von Leipzig
über Dresden, Prag in die Gegend von
Passau. Dort war der Heimweg vorläu-
fig zu Ende, man musste Schutz vor den
Tieffliegern suchen. Nach einer Woche
ging es zum Teil in Geleit von Soldaten
weiter bis Hallein, teils mit der Bahn,
teils zu Fuß. Auch der Heimweg von
Hallein nach Lienz wurde zum Teil zu
Fuß zurückgelegt, da viele Bahnstre-
cken zerstört waren. Insgesamt nahm
die gefahrvolle Heimreise von Leipzig
bis Kals etwa drei Wochen in Anspruch.
Auch den Umsturz 1938 hat Anna Ba-
cher noch gut in Erinnerung. Sie ging
damals noch zur Schule, und als be-
kannt wurde, dass Hitler in Österreich
einmarschiert war, ging Herr Pfarrer
Alois Kleinlercher mit den Schülern in
die Kirche um zu beten. Insgesamt, so
meinte Anna, seien doch viele in der
Bevölkerung erleichtert gewesen, weil
Bauern zum Teil sehr verschuldet waren
und von Hitler Unterstützung erwartet
wurde, wie das von Deutschland be-
kannt war.
Auch Anna Tinkl vom Joch weiß zu
berichten: Wir sind mit dem „Bürger-
meister“ Rupert Gorgasser (er war »Bei-
geordneter«, etwa gleichzusetzen mit
Stellvertreter des Bürgermeisters) nach
Huben gefahren, wurden dort „gemus-
tert“ und fuhren anschließend wieder
nach Hause.
Sepp Haidenberger hat in jahrelanger
Arbeit die Kalser Chronik überarbeitet und
mit dem Jahr 2012 abgeschlossen.
Das Gesamtwerk umfasst ca. 1800 Seiten
(3 Bände zu je 600 Seiten).
Die Chronik wird am 10. Mai 2013 der
Kalser Bevölkerung vorgestellt.
Die Wirtsleute und Bedienstete vom Oberwirt (ca. 1950).