HB_2022_12

NUMMER 12/2022 90. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ In den 1960er-Jahren, vermutlich auch schon davor und darüber hin- aus, hatte es laut Lehrplan der hei- mischen Volksschulen in Osttirol genau vier Maler gegeben, die man, abgestuft nach ihrer Bedeu- tung, in der richtigen Reihenfolge spätestens in der vierten Klasse mit ein paar Merksätzen zu beschrei- ben in der Lage sein musste: Franz v. Defregger, Albin Egger-Lienz, Karl Hofmann und Hugo Engl. Darin wurde Egger-Lienz als „Schüler Defreggers“, Hugo Engl hingegen als Maler von Tier- und Jagdszenen charakterisiert. 1 Defregger war 1921 verstorben, das Leben der anderen drei endete fünf Jahre später. Kein Wunder also, dass die ungewöhnliche Dichte, in der die gesamte Kunst- geschichte Osttirols im ersten Jahr- hundertviertel zu kulminieren schien, auch zur Konstruktion von Verwandtschaften und Abhängig- keiten zwischen ihren Repräsen- tanten verleitete. Unter dem Titel „Heimatkunde“ erfolgte die Suche nach dem ge- meinsamen Nenner auf einem dop- pelten Boden: Der politische Be- zirk Lienz war 1919 definiert wor- den, und mithin wurde auch ein neuer Kulturraum errichtet, dessen Identität man nicht länger so ohne weiteres von einem ebenso bedeu- tenden, aber inzwischen zum „Ita- liener“ mutierten Simon von Tais- ten ableiten wollte. Zum anderen war der breite Kunstgeschmack auch nach der Mitte des Säkulums noch tief im 19. Jahr- hundert verwurzelt, weshalb man auch mit dem Spätwerk eines Egger-Lienz nicht allzu viel anfangen konnte. Hingegen wurde Defreggers Oeuvre hauptsächlich mit den gerade für das Selbstverständnis der Osttiroler nicht zu unterschätzenden Tiroler Freiheitskämpfen von 1809 asso- ziiert. Die anderen konnten unter solchen Voraussetzungen gegen ihn nur verlieren. Lehrer und Schüler Das Museum der Stadt Lienz hat es sich im abgelaufenen Jahr zur Aufgabe ge- macht, „zum 170. Geburtstag den ersten Lehrer des jungen Albin ins rechte Licht zu rücken“ . Damit war aber nicht Defregger, sondern Hugo Engl gemeint. Hier ist nicht der Ort, das Lehrer-Schüler-Verhältnis zu rekonstruieren, zumal es in erster Linie das zwar in einer Fülle höchst unterschied- licher Skizzen und Studien vorliegende, bisher jedoch kaum aufgearbeitete „vorkünstlerische“ Werk Eggers betrifft und mit dessen Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste in München als vorerst beendet erscheint. Stattdessen soll hier versucht werden, Hugo Engl imVerhältnis zu Franz v. Defregger zu charakterisieren und über diesen Umweg auch Eggers frühe Ver- ehrung für Defregger zu beleuch- ten, die im Laufe seiner künstleri- schen Entwicklung immer proble- matischer wurde und sogar in eine offen ausgesprochene Enttäu- schung mündete. „Bezüglich meiner Engl-Zeit, ungefähr 1879-1883“, schrieb Egger-Lienz 1923 an den Kunst- historiker Heinrich Hammer, der gerade dabei war, eine Mono- graphie über ihn zu verfassen, „habe ich auch noch einige Zeich- nungen beigelegt, welche die eine oder andere abgedruckt werden könnte?“ Über Art und Motiv die- ser Zeichnungen verrät er uns nichts, auch nicht über die Repro- duktion eines „Engl-Bildes“, die sein Vater, der Fotograf Georg Egger, der „ja immer alles auf- nahm, was Engl Neues schuf“, an- gefertigt hatte. Egger hätte das Bild gerne in dem Buch abgebildet ge- sehen, als ein Beispiel für „das eminent malerische Talent“ seines ehemaligen Mentors und die „Be- einflussung damals bei mir“. 2 Egger-Lienz, der in seinen autobiografi- schen Zeugnissen meistens sehr selbstbe- wusst auftrat, nicht selten ohne ein gutes Haar an jenen Zeitgenossen zu lassen, deren Einfluss geeignet war, Zweifel an der Eigenständigkeit und der Authentizität seines eigenen Schaffens zu nähren 3 , konnte Hugo Engl als Begleiter seiner zeichnerischen und wohl auch malerischen Gehversuche bedenkenlos würdigen. Zu weit und zu offensichtlich hatte sich sein Kunstwollen von dem des nur 16 Jahre Hugo Engl, Selbstporträt, Öl auf Leinwand, 1874. (Museum Schloss Bruck, Inv.-Nr. 2141) Foto: Helmut Niederwieser Rudolf Ingruber Hugo Engl (1852 – 1926) Einige Bemerkungen zu Albin Eggers erstem Lehrer

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