HB_2022_11

NUMMER 11/2022 90. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ Zum Einstieg Das Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst (TAP) 1 wurde 2011 als grenzüberschreitende Institution und finanziert mittels eines EU-Interreg- Projekts Italien-Österreich gegründet. Es sammelt Fotos aus dem historischen Tirol, geographisch ident mit der heutigen Euro- paregion Tirol-Südtirol-Trentino, und hat zwei Standorte in Lienz bzw. Bruneck. Neben den mittlerweile rund 700.000 als Schenkungen, Leihgaben und Nutzungs- rechte übergebenen Bildern ist es von Anfang an ein Anliegen gewesen, die über- lassenen visuellen Kulturschätze auf der eigenen Website www.tiroler-photoarchiv.eu zu präsentieren sowie insbesondere in Aus- stellungen 2 , Büchern 3 und Aufsätzen. 4 Innerhalb des großen Gedenkens „100 Jahre Ausbruch Erster Weltkrieg“ 2014 5 zeigte das TAP eine große Ausstellung mit dem Titel „Grenzgang. Das Pustertal und der Krieg 1914 bis 1918“ – im freien Raum in den vier Gemeinden Sillian und Kartitsch in Osttirol/Österreich sowie Sexten und Bruneck in Südtirol/Italien. Schon damals wurden neue Fotografien 6 gezeigt, die nicht (!) die allgemeine mani- pulierende Sichtweise der habsburgischen Propagandamaschinerie präsentierten. Im Gegenteil: Sie geben einen gnadenlosen Einblick in den Dolomitenalltag im Ersten Weltkrieg oder den Rückzug von der Italienfront Anfang November 1918 – und sind weit mehr als nur Illustrationen. Sie stellen sehr wichtige und hochemotionale historische Quellen dar, die langanhaltende Bergkriegsmythen des Ersten Weltkriegs dekonstruieren sowie Ereignisse belegen, die in schriftlichen Dokumenten überhaupt nicht aufscheinen. Natürlich haben es diese privaten Bilder nie in offizielle Zei- tungen oder auf Bild-Postkarten geschafft. Der Erste Weltkrieg war der erste Krieg der Bilder, der Propagandabilder, und auch der erste Krieg, an den man sich haupt- sächlich durch Fotos erinnert. 7 An dieser Stelle ist zu verweisen auf die zentralen und kritischen Bildbände und Aufsätze von Anton Holzer 8 sowie Oswald Über- eggers Beiträge zur Konstruktion natio- nalkonservativer Erinnerungspolitik in den 1920er- und 1930er-Jahren. 9 Für die Ost- front hat vor allem Wolfram Dornik Pionierarbeit geleistet. 10 Hinsichtlich des Gesamtzusammen- hangs ist zu betonen: 11 Ein Kriegsfotograf wählt damals das Motiv aus, die richtige Zeit, den richtigen Ort, konstruiert, ja, ma- nipuliert zu einem gewissen Grad; er legt eine Beschreibung fest und übergibt das Bild an die offiziellen Stellen. Jedes Foto bietet immer einen bestimmten Einblick in die vergangene Realität, muss jedoch in eine breitere Perspektive von Fragen und Interpretationen gestellt werden. Parallel zu den Pressefotografen sowie den vom österreichischen Kriegspresse- quartier angestellten Fotografen ließ man ab circa 1916 Offiziere oder Berufssolda- ten als Fotografen tätig sein – eher mit kostengünstigen Zelluloid-Rollfilmkame- ras als mit teuren unhandlichen Glasnega- tivapparaten. Das Kriegspressequartier interessierte sich zunehmend für diese pri- vaten Bilder, da der Bedarf an visueller Dokumentation durch Armee- oder Pres- sefotografen nicht gedeckt werden konnte. Hobbyknipser wurden sogar mit Foto- material versorgt oder erhielten Preise und Auszeichnungen für ihre Bemühungen. Allerdings: Es gibt derzeit noch keine Be- lege für eine offizielle Verwendung einer der Fotografien von Wilhelm Dronowicz. Kurzbiographie Wilhelm Dronowicz und Geschichte der Sammlung Wilhelm Dronowicz wurde 1892 in Trient geboren, damals im südlichsten Teil Tirols in Österreich-Ungarn. Sein Vater Wil- helm Senior – geboren 1857 im habsburgi- schen Czernowitz/Bukowina (heute Czer- nowitz/Ukraine), besuchte die k.u.k. Mili- tärakademie in Wiener Neustadt und trat 1880 in die Österreichische Armee ein. Er war als Soldat in Trient stationiert und zog mit seiner Familie (Ehefrau Franziska, geb. 1856 in Iglau/Mähren, Tochter Luisa geb. 1889) 12 später nach Wien. So wuchs Sohn Wilhelm in der Hauptstadt der Donau- monarchie auf, wo sein Vater im Finanzre- ferat des Kriegsministeriums (seit 1907 Mi- litärrechnungsrat) Karriere machte. Wilhelm Junior studierte Ingenieurwesen in Wien und zog 1914 mit 22 Jahren in den Krieg. Nach dem Waffengang verließ Drono- wicz Junior die Armee als „Oberleutnant i. d. R.“; er war Assistent an der Techni- schen Hochschule Wien, später Lehrer an den Bundeslehranstalten in Mödling und Wiener Neustadt in Niederösterreich. 13 In den 1930er-Jahren lebte Dronowicz in Kla- genfurt/Kärnten und arbeitete als Lehrer am dortigen Bundesgymnasium. 14 Wilhelm Dronowicz starb 1966 in Lienz/Osttirol. 15 Ende 2012 wurde dem TAP von privater Seite eine große Kiste voller Lichtbilder, Karten und Unterlagen eines Fotografen Wilhelm Dronowicz übergeben, stam- Wilhelm Dronowicz (1892–1966), um 1915. (Fotograf: Unbekannt; Sammlung TAP) Martin Kofler Kriegsfronten im Lichtbild Wilhelm Dronowicz und seine Stereofotografien im Ersten Weltkrieg

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