HB_2022_08_09

NUMMER 8-9/2022 90. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ Wilfried Beim- rohr gab in den Osttiroler Heimat- blättern Nr. 3-4/ 2021 und Nr. 5/ 2021 einen leben- digen Einblick in die „erchrockli- chen und äusserist verderblichen Prunsten“, welche die Bewohner der Stadt im 16. und 17. Jahrhundert bedrohten. Die Zeit bis zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehr im Jahr 1868 ist Thema des aktuellen Beitrags. Die Brände zu Be- ginn des 17. Jahr- hunderts gestalteten Lienz völlig neu, auch abseits von Bau- und Brand- schutzordnungen. Durch die enorme finanzielle Belastung des Wiederaufbaus geschwächt, ordnete Hans Graf Wolkenstein-Rodenegg 1638 die Verwaltung neu und schuf das Amt des Bürgermeisters. In diesem waren unter an- derem Aufgaben des Stadtkämmerer- und des alten Stadtrichteramtes vereint 2 , das heißt, der Bürgermeister hatte sich etwa um „gerechte Wag, Gewicht, Elln und Maß“ 3 oder um „das übermäßige Trinken, Voll- saufen und Spielen“ 4 zu kümmern. In sei- nen Bereich fielen aber auch alle Angele- genheiten der Brandbekämpfung und -ver- hinderung. Neben der Überwachung von „Wasser- und Werchgebäu, Brunnen und Ritschen“, welche im Notfall das notwen- dige Löschwasser bereitstellten, sowie der Eintreibung der Brandsteuer, war dies vor allem die Einhaltung der Feuerordnung: „Weil auch bei jetzig gefährlichen Lau- fen die höchste Notdurft je länger je mehr erfordern will, daß man des Feuers halber wachtbar und sorgfältig sei, als soll ein Burgermeister in allen dem was zu Ver- huetung dergleichen Gefahr im Stadtge- richt vonneten, sein möglichsten Fleiß au- kehrn und auf der ihme zuegestellten und unter Ihrer Durchlaucht Secret gefertigten Feuerordnung mit allem Ernst halten; auch da hierinn etwas mangelte dasselbe uneingestellter in wirkliche Vollziehung bringen, fürnemblich aber dahin sehen, daß die Feurstätt allenthalben wohlver- wahrt, dieselben zum öftern visitiert, alle darbei verspührende Gefahr versichert, sowohl auch die neugemachte Wasserkübl, Fueßeisen, Bottichen und Feurhäggen, sambt den Leitern an sichere Ort gelegt und solchergestalt erhalten, auch die Pech- pfannen von denjenigen so die an ihren Häusern haben, mit Pech jederzeit fürge- sehen werden, daß man solche zum Notfall (den Gott gnädig verhieten wölle) alsbalden haben und gebrau- chen künde.“ 5 Und tatsächlich sind in Lienz für eine längere Zeit keine großen Brände ver- zeichnet, ob nun aus göttlichem Schutz, der durch alljährliche Prozessionen zu St. Florian verstärkt er- beten wurde, oder durch verbesserten Brandschutz und Brandverhütungs- moral der Einwoh- ner, lässt sich schwer sagen. Wie wichtig jedoch Zweiteres war, zeigt etwa ein Bericht der „Kemich- beschauer“ aus dem Pustertal, welche mit Sorge bemängeln, dass viele Häuser keinen Kamin hätten und der Rauch frei aus dem Dachboden ent- weiche, welcher an einigen Orten gleich- zeitig als Stadl zur Aufnahme von Heu und Stroh diene. Sei ein Kamin vorhanden, so wäre er zumeist hölzern und ungekehrt. 6 Fehlende Schutzvorkehrungen waren aber auch damals nicht der einzige Grund für Brände, Naturgewalten und mutwillige Brandstiftung trugen das Ihre dazu bei. Im März 1695 brannte etwa die obere Zim- merhütte unter dem Schloss Bruck, und mit ihr wurde der gesamte dort gelagerte Bauholzvorrat ein Raub der Flammen. In den Aufzeichnungen des Haller Damen- stiftes als Inhaber der Herrschaft Lienz wurde dazu die Vermutung geäußert, das Feuer könnte mit Absicht gelegt worden sein. 7 Im August 1715 führte ein „großes Dunderwetter“ zu einem Brand am Lien- zer Rindermarkt. Unweit der St. Micha- Die älteste erhaltene Lienzer Spritze, die so genannte Wolkensteiner Spritze, wurde im Jahr 2017 restauriert und ist heute das Herzstück der historischen Sammlung im Museum der Freiwilligen Feuerwehr Lienz. Foto: Stefan Weis Stefan Weis „In Lienz sah es erbärmlich aus…“ 1 Die Brandgeschichte der Stadt Lienz vom 17. bis zum 19. Jahrhundert

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