HB_2022_06_07

NUMMER 6-7/2022 90. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ 24. Feber 2022: Endlich, die ersten Felsenschwalben ziehen wieder ihre Kreise um den Kirchturm in Matrei. Die Ankunft der Felsenschwalben im Brutgebiet ist nicht nur ein deutlicher Hinweis auf den nahenden Frühlings- beginn. Es ist zugleich der Beweis eines alljährlich mehrfach stattfindenden Naturschauspiels, welches die Men- schen schon seit jeher fasziniert: Der Vogelzug. Auf dem Weg in Richtung ihrer Brutgebiete queren alljährlich zigtausende Vögel Osttirol. Viele unserer heimischen Brutvogelarten verlassen im Herbst ihr Brutgebiet und machen sich auf den Weg in den Süden. Sie nehmen die Gefahren der weiten Reise auf sich, um den unwirtlichen Witterungs- bedingungen und dem kargen Nahrungs- angebot im Winter auszuweichen. Bei geschlossener Schneedecke und tiefen Temperaturen wären vor allem die Insek- tenfresser unter den Vogelarten dem sicheren Tod geweiht. Während die sogenannten „Kurzstre- ckenzieher“, wie etwa die Felsenschwalbe oder die Mönchsgrasmücke, den Winter im nahen Mittelmeerraum oder in West- europa verbringen, gelangen die „Lang- streckenzieher“ bis ins südliche Afrika. Weißstorch, Mauersegler, Rauchschwalbe oder Neuntöter zählen zu dieser Gruppe. In Summe machen sich über zwei Milliar- den Zugvögel jedes Jahr von Europa auf den Weg nach Afrika. „Standvögel“ hin- gegen sind das ganze Jahr über bei uns zu beobachten. Buchfink, Erlenzeisig oder Kohlmeise zählen beispielsweise zu dieser Gruppe. Der Großteil des Vogelzugs – insbeson- dere des Kleinvogelzugs – findet nachts statt und ist daher für uns Menschen nicht sichtbar. Tagsüber tauchen die Vögel je- doch oft für nur wenige Stunden oder Tage an ungewöhnlichen Orten oder in großen Mengen auf – ein deutlicher Hinweis auf den alljährlich stattfindenden Vogelzug (L ACHMANN 2013). Auf ihremWeg in den Süden orientieren sich die Vögel an der Sonne und am Ster- nenhimmel. Zudem ermöglicht der einge- baute Magnetkompass die Orientierung am Magnetfeld der Erde (B ERGMANN 1987). Häufig erfolgt die Orientierung auch optisch an geographischen Leitlinien wie z. B. großen Flüssen. Für die VogelkundlerInnen und interes- sierten NaturbeobachterInnen zählt die Zeit des Vogelzugs im Frühjahr und Herbst zu der spannendsten Zeit im Jahr. Nach einem langen Winter hat der Frühjahrszug dabei seinen besonderen Reiz, kündigt er doch den Beginn der angenehmen Jahreszeiten an. Die Ankunft und die Durchreise der Vogelarten folgen einem klaren Zeitplan. Vogelarten, die im nahen Mittelmeerraum überwintern, treffen ab ca. Mitte Feber als erste bei uns ein. Für die einzelnen Vogel- arten kann die Ankunftszeit auf wenige Tage genau vorausgesagt werden Wie die Beobachtungen zeigen, kom- men jedoch manche Arten heute früher bei uns an als noch vor 20 oder 30 Jahren. Der Grund hierfür dürfte in der Erwärmung des Erdklimas liegen. Während im Frühjahr der Vogelzug aus meist adulten Vogelindividuen besteht, sind im Herbst hingegen auch viele Jung- vögel dabei. Wer Vogelmassen sehen will, wird daher im Herbst auf seine Kosten kommen. Vogelzug ist jedoch nicht nur auf den Frühling und Herbst beschränkt, son- dern findet praktisch ganzjährig statt. Der Einfachheit halber beschränkt sich der vor- liegende Artikel jedoch auf die spannenden Aspekte des Frühjahrs- und Herbstzuges. Stillgewässer mit Schilfflächen und Ufergehölzen werden von den durchziehenden Vögeln gerne als Rastplatz angenommen. Foto: Christian Ragger Christian Ragger und Matthias Gattermayr Von schrägen Vögeln und heimlichen Gästen: Vogelzug in Osttirol

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