HB_2021_06

Teppichweber ist ein alter Beruf. In vielen Gemeinden Tirols gab es Weber, die den Fa- milienbedarf und den der Bekannten deck- ten. Auch heute gibt es in St. Jakob i. D. noch den Hausnamen „beim Weber“, der auf diese Tätigkeit hinweist. Wie kam es aber zu den weitum bekannten Defregger Kotzen und Teppichen, die in der regionalen Geschichte und Literatur immer wieder lobend erwähnt werden, aber – entge- gen dem Namen – nicht im Defreggen 1 hergestellt wurden, sondern von den De- freggern im Hausier- handel vertrieben wur- den? Begonnen hat der Hausierhandel der De- fregger Bauern ver- mutlich zu Beginn des 16. Jahrhundert mit bäuerlichen Gebrauchsgegenständen, wie Wetzsteinen und Sicheln aus Welsch-Tirol, Schüsseln aus Zirbenholz aus dem Tal und anderem, leicht an den Mann zu bringen- den Gerät. Diese Gegenstände wurden von jedem einzelnen Händler mit einer Buckelkraxe von Ort zu Ort getragen und verkauft. Gelegentlich, wenn das Geschäft gut lief und man von zu Hause weiter weg war, wurde ein Knecht angestellt, meistens ein jugendlicher Verwandter, der für den Nachschub zu sorgen hatte. Die Defregger Bauern waren damals schon sehr aufgeschlossen, mobil und auf- geklärt, sonst hätten sie die Heimat nicht verlassen. Man brauchte Ausweise, Hau- sierpässe, Wanderbücher, musste sich bei den Behörden anmelden; es war nicht so einfach, dass alles seine Richtigkeit hatte. Auch als Viehhändler waren die Defreg- ger im Lienzer Talboden gut bekannt, der Handelsgeist dieser männlichen Bewohner hatte schon damals alle erdenklichen Mög- lichkeiten ergriffen, um Geschäfte zu ma- chen. Im Jahr 1742 beklagt sich die Stadt Lienz, dass ihr in geschäftlicher Hinsicht durch die Defregger mehrere Schäden zu- gefügt würden, indem diese alles fort- kaufen und teuer wiederum weggeben. 2 Im Jahr 1762 beklagte sich das Landge- richt Lienz wieder über die Defregger, dass sie Vieh im In- und Ausland aufkaufen und dadurch dessen Preise drücken. Das meiste Vieh wurde über den Matreier Tauern in den Pinzgau getrieben und dort sowie in verschiedenen Salzburger Orten teurer weiterverkauft. 3 Auch die Vorfahren des bekannten Malers Franz von De- fregger wanderten vom Defreggen in den Lien- zer Talboden, erwarben oder pachteten ein klei- nes Bauerngut und be- kamen den Namen von der Gegend, von der sie zugewandert waren; nun wurden sie die „Defregger“ genannt. 4 Aber auch die Enne- berger wissen zu er- zählen, dass die Tore- ches („Toreca“ lautet Defreggen auf Ladi- nisch) einstens große Viehhändler waren und fein gemachte Stroh- hüte verkauften. Was den Viehhandel be- trifft, versuchten an- scheinend die St. Kas- sianer im oberen Ga- dertal es den Defreg- gern gleichzutun. 5 Bemerkenswert da- bei ist, dass in den Nachbarregionen Vir- gen, Kals, Villgraten, Gsies, Antholz und Rain, welche ja ähnliche Strukturen und Lebensverhältnisse hatten, dieser Drang zur Wandertätigkeit nicht vorhanden war. So suchten junge Burschen und Männer ihr Hausierglück in den Nachbartälern und in den angrenzenden Bezirken in Salzburg, Kärnten, der Steiermark sowie im Puster- tal, wo sie auch die Kotzen kennen lernten. Dieser Artikel hat ihnen gefallen, und sie begannen mit den Kotzen und Teppichen zu hausieren. Das war nicht mehr ein reiner bäuerlicher Artikel, sondern fand mehr in den Städten und Märkten kauflustige Leute. Immer mehr von diesen Kleinbau- ern sahen darin eine gute Möglichkeit, Geld zu verdienen, denn dieser Handel war eine Winterarbeit, wo es zuhause wenig Beschäftigung gab und man abkömmlich war. Nach der Verkaufssaison kehrten sie NUMMER 6/2021 89. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ Viktor Ladstätter – Defreggen Defregger Kotzen- und Teppichhändler Beginn, Ausweitung und Ende dieser Erwerbstätigkeit und deren Vertrieb Ein Defregger Wanderhändler bietet eine bunte Decke in einemWirtshaus in Bay- ern zum Verkauf an; Gemälde von Christian Johann Perlberg (1806-1884), Öl auf Leinwand, 60,3 x 73,6 cm, 1837. (Original und Repr.: München, Stadtmuseum)

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