HB_2020_12

NUMMER 12/2020 88. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ Ihr Anteil am Grund- steueraufkommen, 500 von 5.000 „Steuerknech- ten“ für ganz Tirol, sei viel zu hoch und eine Zu- mutung, darin waren sich die Abgesandten der vier Stände aus den altgörzi- schen Gebieten – Adel, Prälaten, Gerichte und Stadt Lienz – einig. Sie vertraten die Interessen jener Adeligen und kirch- lichen Anstalten wie etwa der Stifte Sonnenburg und Innichen, aber auch un- zähliger Pfarren und Kir- chen, die in der früheren Vorderen Grafschaft Görz als Grund- und Zehnt- herrschaften Grundgülten bezogen, sowie die An- liegen jener Bauern und Lienzer Bürger, die dort landwirtschaftlich oder gewerblich genutzten Im- mobilienbesitz besaßen. Die Abgesandten verhan- delten mit landesfürstlichen Kommissären auf einem 1544 in Toblach einberufenen Landtag, dessen einziger Tagesordnungs- punkt die „Pustertaler“ Steuerfrage war. 1 Altgörzische und neutirolische Gebiete Die Grafschaft Görz war im April 1500 mit dem Tod des Grafen Leonhard von Görz, wodurch die Görzer Herrscherdynas- tie erlosch, als Erbe an König Maximilian I. gefallen. Diese Grafschaft Görz war ein problematisches territoriales Gebilde ge- wesen, zerfallend in einen alpinen und einen voralpinen Teil. Keine der zwei Teilgraf- schaften verfügte über ein rundum ge- schlossenes Territorium, und die beiden Herrschaftskomplexe, durch Hochgebirge getrennt, jeder einem anderen Sprach- und Kulturraum angehörend, hatten wenig für die Zeit um 1500 die Vordere Grafschaft Görz auf rund 20.000, die Hin- tere auf 15.000 Einwoh- ner. 2 Die Hintere Graf- schaft Görz ließ Maximi- lian vorsorglich, um be- fürchteten venezianischen Interventionen zuvorzu- kommen, militärisch be- setzen und absichern, sie behielt ihre Selbstständig- keit und existierte unter Habsburg mit dem Namen „Grafschaft Görz“ als eigenes Land weiter. Die in Vordergörz da und dort gehegte zarte Hoffnung, als eigenständige Herr- schaft weiter existieren zu dürfen, war wenig realis- tisch, gerade angesichts der politischen Spannun- gen mit Venedig und der exponierten Stellung des Pustertals als Grenz- region. Bereits die ersten Maßnahmen im Jahre 1500 – der Instanzenzug der Justiz wie auch die Finanzverwaltung wurden nach Inns- bruck ausgerichtet – ließen erkennen, dass Maximilian die vordergörzischen Gebiete der Grafschaft Tirol angeschlossen wissen wollte, eine Entscheidung, die unter geo- graphischen, wirtschaftlichen und militäri- schen Aspekten die einzig richtige war. Innerhalb weniger Jahre wurde aus dem Provisorium eine Dauerlösung, und in Folge wurden die vordergörzischen Gebiete und ihre Bewohner ohne größere Schwierigkei- ten in die Grafschaft Tirol integriert. Welche Gebiete kamen im Jahre 1500 als Görzer Erbe an Tirol? Da waren, um im Osten zu beginnen, die Herrschaft oder Anwaltschaft Lienz, die das Landgericht Lienz (in Klammer angegeben ist zwecks Größenvergleichs die ungefähre Einwoh- nerzahl um 1780: 7.000 Einwohner), die Gemeinsames. Die voralpine Hälfte, im 15. Jahrhundert als „Innere“ oder „Hintere Grafschaft Görz“ bezeichnet, lag in Friaul, und hier diente die namengebende Stadt Görz als Residenzort. Die „Vordere Graf- schaft Görz“ mit der Residenzstadt Lienz erstreckte sich über das Pustertal, die Isel- region und den Raum Lienz bis nach Ober- kärnten, wobei die Oberkärntner Gebiete 1460 an die Habsburger verloren gingen. Durch den Expansionsdrang der Habsbur- ger, die die vordergörzischen Nachbarländer Tirol und Kärnten beherrschten, wie auch der Republik Venedig, einer Seemacht, die sich bis zu den Alpen ein Hinterland schaf- fen wollte, gerieten im 15. Jahrhundert die görzischen Länder im Norden wie im Süden gehörig unter Druck. Hermann Wies- flecker, Biograph Kaiser Maximilians I. und Kenner der görzischen Geschichte, schätzt Allianzwappen Tirol – Görz, 1. Hälfte 16. Jahrhundert, Deckfarbenmalerei auf der Innenseite des Umschlagdeckels der Österreichischen Chronik von Jakob Unrest. (Orig. und Repr.: Wien Österreichische Nationalbibliothek) Wilfried Beimrohr Das görzische Pustertal und die tirolische Grundsteuer

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