HB_2020_04

„Ein ganz eigen- thümlicher Aber- glaube ist über die Turteltaube verbrei- tet. Das Volk glaubt nämlich, dass die Turteltaube die Ei- genschaft habe, die Schmerzen kranker Personen auf sich ziehen zu können. Die Leute behaup- ten, dass die Taube mit leide, der Kranke daher in jenem Masse Er- leichterung fühle, in welchem die Taube den Schmerz mit- empfinde. Aus die- sem Grunde wird die Turteltaube gern in Käfigen gehalten und bei Erkran- kungsfällen von Haus zu Haus getra- gen, wobei die arme Taube allerdings oft arg leidet, weniger jedoch unter dem Drucke der mitgetheilten Schmerzen, als unter der unsinnigen Be- handlung, welche sie von den Leuten zu er- dulden hat.“ (K eller 1890) Wie hier für Kärnten mitgeteilt, war da- mals auch in Osttirol die Turteltaube ein bekannter Vogel. So erwähnen sie K eil (1859), nach dem die Keilspitze benannt wurde, und M Ayr (1869). Und offenbar trat sie nicht häufig auf, im Frühling und im September als Strichvogel (D AllA T Orre 1890). Als Brutvogel und Som- mervogel wird sie erstmals von K üHTrei - Ber (1952) benannt, und zwar für die Tal- auen auf der Sonnseite unterhalb von lienz sowie für Tristach und Amlach. Und er schwärmt von diesen Beobachtungen : „Wiedehopf und Turteltaube sind nicht wie in Nordtirol Ausnahmeerscheinungen. Sie gehören zum Wesen der Landschaft.“ Ab jetzt gilt die Turteltaube als Brutvogel, ob- heben dann den Kopf, damit die Flüssigkeit in den Hals laufen kann. Taubenvögel aber trinken saugend. Der Schnabel wird bis zu seiner Basis in das Wasser getaucht und die Flüssigkeit nur aufgesogen. Auch Pirole, Flughühner und Kolibris zeigen dieses Verhalten (B ezzel et al. 1990). Die Seehöhe be- grenzt das Vorkom- men sowohl als Brut- als auch für rastvögel (siehe Ta- belle). Beobachtun- gen in Osttirol lie- gen zwischen 640 und 720 m Seehöhe. in Österreich liegen Brutnachweise zu gut 90 % unter 500 m, und in Südtirol kommen Bruten nur im Talbereich von 220 bis 350 m Seehöhe vor (D VOrAK et al. 1993, n ieDerFriniger et al. 1996). Frühere Feststellungen ergänzen diese Angaben: 27.04. bis zum 22.06.1980 noch Fest- stellungen am Tassenbacher Speicher, Seehöhe 1.070 m (g Oller 1981). 07.06.1980 ein individuum beim Ma- treier Tauernhaus; Seehöhe 1.540 m (H einricHer et al. 1980). 08.06.1980 eine Turteltaube am Ober- lienzer Schwemmkegel; Seehöhe 700 bis 1.000 m; Beob: Bodenstein (H einri - cHer et al. 1980). Das sind späte und sehr hoch gelegene Frühjahrsdaten, die bei der Turteltaube oft auftreten. Sie sind aber kein Brutnachweis (g lUTz VOn B lOTzHeiM 1980). Am Ober- lienzer Schwemmkegel wurde die Art im NUMMER 3-4/2020 88. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ wohl danach kein weiterer Brutnachweis mehr gelang, denn derjenige in Mört- schach / Winklern (H einricHer 1973) be- zieht sich leider auf Kärnten. Auch in sei- nen Ornithologischen notizen der Jahre 1952 bis 1970 wird keine Beobachtung ge- nannt (H einricHer 1969a, b). nach dem Ornithologischen Tagebuch (B AcHler / M OriTz ) liegen von 1996 bis 2020 zur Auswertung nur 13 Feststellun- gen vor, davon 12 im Frühjahr (siehe Ta- belle). Der langstreckenzieher Turteltaube überwintert im Savannengürtel von West- afrika bis Äthiopien. Frühestens in der zweiten Hälfte April, meist aber im Mai, kehrt er nach Osttirol zurück. Und er bleibt bis ende September. Das entspricht be- kannten Angaben (B Airlein et al. 2014; F elDner et al. 2006). Die meisten Vogelarten trinken durch eintauchen des Schnabels in das Wasser, Die schlanke Turteltaube ist unsere kleinste Taubenart mit gestuftem dunklem Schwanz. Altvögel haben immer die schwarz-weißen Flecken an der Halsseite, den Jungvögeln fehlen sie. Foto: Hans Martin Berg Annemarie Bachler Die Turteltaube ( Streptopelia turtur) Der Vogel des Jahres 2020 in Osttirol

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