HB_2020_01

Einleitung Innervillgraten ist ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf in Osttirol, das sich in- mitten der Deferegger Alpen im Villgraten- tal befindet. Vor 110 Jahren sorgte dort ein Vorfall für Aufsehen: Eine junge Frau aus dem Dorf verschwand spurlos. Erst nach über einer Woche konnte sie am Gru- mauerberg, der nörd- lich des Dorfes auf- ragt, gefunden wer- den und zwar vor einer Höhle. Über den Fall berichteten da- mals mehrere Zeitun- gen. Heute ist die Er- innerung daran selbst in Innervillgraten ver- loren gegangen. Über Höhlen in der Gegend von Innervillgraten ist bislang wenig bekannt. Zwar ist vor kurzem ein Bericht über zwei Halbhöhlen erschienen, diese befinden sich aber nicht am Gru- mauerberg, sondern imArntal, dem hinte- ren Teil des Villgratentales. 1 Dieser Beitrag begibt sich auf die Suche nach Höhlen am Grumauerberg und zeichnet die Ge- schichte über das Verschwinden und Auf- finden der Frau aus Innervillgraten nach. Was geschah in Innervillgraten? Wie in der Einleitung erwähnt, berichte- ten über die Vorkommnisse in Innervill- graten seinerzeit mehrere Zeitungen. 2 Diese Berichte sind in ihrer Länge und in ihrem Informationsgehalt aber äußerst graten in den Wald, um von dort die Kühe nach Hause zu trei- ben. Die Kühe er- schienen nachher am Hof, jedoch ohne Maria. Noch am sel- ben Abend suchten die Angehörigen die junge Frau, konnten sie aber nicht finden. In den folgenden Tagen suchten dann ständig Leute nach Maria. Zuerst betei- ligten sich die Nach- barn an der Suche, dann die Feuerwehr und schließlich die Männer der ganzen Gemeinde. „In langen Kolonnen“ 4 durch- streiften sie die Wäl- der und Berge der Gegend, durchforsch- ten alle Schluchten und Schlupfwinkel. Sogar auf „telegraphischemWege“ 5 suchte man in den Nachbargemeinden nach Hin- weisen auf die Frau, alles jedoch verge- bens; Maria Steidl blieb verschwunden. Erst am 9. Oktober, also acht Tage nach demVerschwinden, konnte sie durch Josef Senfter um 12 Uhr mittags gefunden wer- den. Der „Allgemeine Tiroler Anzeiger“ und die „Innsbrucker Nachrichten“ be- richten, dass sie durch zwei Männer, Josef Senfter vom Hof Haider und Josef Senfter vom Hof Berglet, gefunden wurde. 6 Sie lag vor einer Höhle oberhalb der Waldgrenze am Grumauerberg und gab anfangs kein Lebenszeichen mehr von sich. Da zuvor kaltes Wetter eingetreten war und es ge- schneit hatte, lag Schnee auf der jungen NUMMER 1/2020 88. JAHRGANG OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “ unterschiedlich. So gibt z. B. das „Tiroler Volksblatt“ das Geschehene nur mit knap- pen Worten und wenigen Details wieder, wogegen der Artikel in der „Brixener Chronik“ recht umfangreiche Informatio- nen bereithält. Auch sind einige Berichte widersprüchlich oder geben nachweislich falsche Angaben (z. B. über das Alter der Frau), weshalb hier nur in Einzelfällen auf diese Quellen verwiesen wird. Als beste Quelle stellte sich der Artikel in der „Bri- xener Chronik“ heraus; 3 die folgenden Ausführungen beruhen hauptsächlich auf diesem Artikel. Folgendes war vorgefallen: Am 1. Ok- tober 1910 ging die 23-jährige Maria Steidl vom Hof Großbachlet in Innervill- Blick aus nördlicher Richtung zum Grumauerberg, 2.670 m, mit dem Großen Remas- see in Vordergrund. Foto: Walter Mair Andreas Treyer Eine verschwundene Frau aus Innervillgraten und die Höhlen am Grumauerberg

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