CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
DEZEMBER 2017/JÄNNER 2018
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dann vor allem Frauen und
Kinder sowie alte Männer, die
den Truppen der Waffen-SS
letztendlich völlig ausgeliefert
waren. Richard versteckte sich
in der Nähe des Dorfes – in den
bewaldeten Bergen – und ahnte
bereits, welche Gräueltaten die
Deutschen vor hatten. „Man
trieb die Menschen unter ande-
rem in verschiedene Ställe, um
sie dann mit Handgranaten zu
bewerfen und mit Handfeuer-
waffen auf sie zu schießen. Die
furchtbaren Geräusche höre ich
noch heute. Ohne zu sehen, was
sie taten, wusste ich, was vor-
ging. Mir rannen die Tränen
nur so herunter. Mir taten
vor allem die kleinen Kinder so
wahnsinnig leid“, ist der
99-Jährige noch heute sehr be-
troffen. Er hatte selbst kleine
Kinder in der Heimat.
Angezündet
Eine Gruppe von Menschen
wurde wiederum im Wald, an-
dere auf dem Kirchplatz er-
schossen. Letztendlich fielen
den Truppen der Waffen-SS
einige hundert Menschen zum
Opfer. Die genaue Anzahl ist
bis heute unbekannt. „Die Lei-
chen wurden zu Haufen zu-
sammengeschoben, mit Benzin
übergossen und dann angezün-
det.“ Auch die Häuser der ein-
erte das Massaker“, so Richard,
der sich vorerst nicht mehr aus
seinem Versteck wagte. „Ich
war auf einen Baum geklettert,
auf dem ich gut Halt hatte und
auch schlafen konnte. Um wäh-
rend des Schlafes nicht hin-
unterzufallen, band ich mich
einfach mit einem Strick fest,
den ich Gott sei Dank bei mir
hatte“, erzählt er.
Leichengeruch
Den Leichengeruch, der sich
in alle Himmelsrichtungen aus-
breitete, war Richard eigentlich
schon von der Front her ge-
wohnt, „aber dennoch war er
beißender, grausamer, uner-
träglicher. Denn ich wusste ja,
es ist auch der Geruch der Kin-
der.“ Die Toten mussten auf-
grund der starken Geruchs-
entwicklung in den folgenden
Tagen bestattet werden.
Noch im selben Jahr unter-
suchte eine US-Kommission
das Massaker und entdeckte in
den zerstörten Häusern noch
immer verkohlte Reste von
Menschen. Richard hatte sich
nach zwei Tagen vom Baum
gewagt und flüchtete weiter
Richtung Heimat. „Ich spürte
mich selbst nicht mehr, ging
wie in Trance.“ Letztendlich
schaffte er es zu seiner Frau
und den Kindern. „Sie erkann-
zelnen Ortsteile standen bald in
Flammen. „Stundenlang dau-
ten mich vorerst kaum. Denn
ich war furchtbar dürr, ver-
dreckt, zerlumpt. Aber ich war
unsagbar glücklich, meine Kin-
der alle gesund vorzufinden,
natürlich auch meine Frau.“
Ungesühnt
Später erfuhr Richard, dass
Sant’ Anna teils wiederaufgebaut
wurde. Das Massaker wurde im
Kalten Krieg lange totgeschwie-
gen und von der Justiz in Italien
nicht verfolgt. Die Akten über das
Massaker lagerten bis 1994 in
einem versiegelten, mit der Tür
zu Wand gestellten Schrank im
Palazzo Cesi, dem Sitz der Mili-
tärstaatsanwaltschaft in Rom.
2004 wurden auf Basis dieser
Funde einige Beteiligte an dem
Massaker vor dem Militärgericht
von La Spezia (Italien) angeklagt.
Man verurteilte sie 2005 zu
lebenslanger Haft und Entschä-
digungszahlungen in der Höhe
von rund 100 Mio €. Deutschland
lieferte die Verurteilten aber nicht
aus. Es vollstreckte die Urteile
auch nicht selbst. Somit wurden
die Verurteilten weder bestraft
noch mussten sie ins Gefängnis.
Einige von ihnen verstarben mitt-
lerweile.
Martina Holzer
Häuser des Ortes Sant’Anna, in dem sich das Massaker im August 1944 abspielte und das Richard
L. von einem Baum aus miterleben musste.
Fotos: Hans Peter Schaefer
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