Table of Contents Table of Contents
Previous Page  11 / 56 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 11 / 56 Next Page
Page Background

CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

DEZEMBER 2017/JÄNNER 2018

11

dann vor allem Frauen und

Kinder sowie alte Männer, die

den Truppen der Waffen-SS

letztendlich völlig ausgeliefert

waren. Richard versteckte sich

in der Nähe des Dorfes – in den

bewaldeten Bergen – und ahnte

bereits, welche Gräueltaten die

Deutschen vor hatten. „Man

trieb die Menschen unter ande-

rem in verschiedene Ställe, um

sie dann mit Handgranaten zu

bewerfen und mit Handfeuer-

waffen auf sie zu schießen. Die

furchtbaren Geräusche höre ich

noch heute. Ohne zu sehen, was

sie taten, wusste ich, was vor-

ging. Mir rannen die Tränen

nur so herunter. Mir taten

vor allem die kleinen Kinder so

wahnsinnig leid“, ist der

99-Jährige noch heute sehr be-

troffen. Er hatte selbst kleine

Kinder in der Heimat.

Angezündet

Eine Gruppe von Menschen

wurde wiederum im Wald, an-

dere auf dem Kirchplatz er-

schossen. Letztendlich fielen

den Truppen der Waffen-SS

einige hundert Menschen zum

Opfer. Die genaue Anzahl ist

bis heute unbekannt. „Die Lei-

chen wurden zu Haufen zu-

sammengeschoben, mit Benzin

übergossen und dann angezün-

det.“ Auch die Häuser der ein-

erte das Massaker“, so Richard,

der sich vorerst nicht mehr aus

seinem Versteck wagte. „Ich

war auf einen Baum geklettert,

auf dem ich gut Halt hatte und

auch schlafen konnte. Um wäh-

rend des Schlafes nicht hin-

unterzufallen, band ich mich

einfach mit einem Strick fest,

den ich Gott sei Dank bei mir

hatte“, erzählt er.

Leichengeruch

Den Leichengeruch, der sich

in alle Himmelsrichtungen aus-

breitete, war Richard eigentlich

schon von der Front her ge-

wohnt, „aber dennoch war er

beißender, grausamer, uner-

träglicher. Denn ich wusste ja,

es ist auch der Geruch der Kin-

der.“ Die Toten mussten auf-

grund der starken Geruchs-

entwicklung in den folgenden

Tagen bestattet werden.

Noch im selben Jahr unter-

suchte eine US-Kommission

das Massaker und entdeckte in

den zerstörten Häusern noch

immer verkohlte Reste von

Menschen. Richard hatte sich

nach zwei Tagen vom Baum

gewagt und flüchtete weiter

Richtung Heimat. „Ich spürte

mich selbst nicht mehr, ging

wie in Trance.“ Letztendlich

schaffte er es zu seiner Frau

und den Kindern. „Sie erkann-

zelnen Ortsteile standen bald in

Flammen. „Stundenlang dau-

ten mich vorerst kaum. Denn

ich war furchtbar dürr, ver-

dreckt, zerlumpt. Aber ich war

unsagbar glücklich, meine Kin-

der alle gesund vorzufinden,

natürlich auch meine Frau.“

Ungesühnt

Später erfuhr Richard, dass

Sant’ Anna teils wiederaufgebaut

wurde. Das Massaker wurde im

Kalten Krieg lange totgeschwie-

gen und von der Justiz in Italien

nicht verfolgt. Die Akten über das

Massaker lagerten bis 1994 in

einem versiegelten, mit der Tür

zu Wand gestellten Schrank im

Palazzo Cesi, dem Sitz der Mili-

tärstaatsanwaltschaft in Rom.

2004 wurden auf Basis dieser

Funde einige Beteiligte an dem

Massaker vor dem Militärgericht

von La Spezia (Italien) angeklagt.

Man verurteilte sie 2005 zu

lebenslanger Haft und Entschä-

digungszahlungen in der Höhe

von rund 100 Mio €. Deutschland

lieferte die Verurteilten aber nicht

aus. Es vollstreckte die Urteile

auch nicht selbst. Somit wurden

die Verurteilten weder bestraft

noch mussten sie ins Gefängnis.

Einige von ihnen verstarben mitt-

lerweile.

Martina Holzer

Häuser des Ortes Sant’Anna, in dem sich das Massaker im August 1944 abspielte und das Richard

L. von einem Baum aus miterleben musste.

Fotos: Hans Peter Schaefer

CHRISTBAUM

VERKAUF

Gärtnermeister für Garten-

und Landschaftsbau

9900 Lienz · Kärntner Straße 101

Tel. u. Fax +43 (0)4852 - 72333

Mobil +43 (0)664 -200 69 66

www.garten-tschapeller.at

Mo bis Fr 8.30 – 17 Uhr

Sa 8.30 – 17 Uhr

78280

TOP

Qualität

Mo - Sa: 8.30 - 17 Uhr

8. Dez.: 8.30 - 17 Uhr

Die Christbäume

sind angespitzt.

Gratis Lieferservice

im Raum Lienz.

bis heute nicht vergessen“