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Fragt man einen Osttiroler,

woher er stammt, wird er wohl

selten Tirol angeben, sondern

vielmehr Osttirol. „Ich komme

mir komisch vor, wenn ich

mich nicht als Osttirolerin,

sondern als Tirolerin bezeich-

nen würde. Nur mit der Be-

zeichnung Osttirol kann ich

mich wirklich identifizieren“,

erklärt Irene Unterassinger aus

Lienz. So fühlten auch die Ein-

heimischen vor dem Zweiten

Weltkrieg. Umso schlimmer

war es dann, als im Jahr 1938

der Kreis Lienz dem Gau Kärn-

ten zugeteilt wurde und die Be-

zeichnung Osttirol verschwand.

„Das war wie ein Stich mitten

ins Herz“, erklärt Sepp Holzer,

der damals ein junger Bursche

war. Die Bevölkerung reagierte

auf die Verwaltungsänderung

mit heftigem Widerstand, der

allerdings nicht viel brachte.

gene Angliederung Osttirols an

Kärnten war eine Gewalttat

Hitlers. Deshalb und auch aus

weit zurückreichenden histori-

schen Gründen besteht das in-

nigste Verlangen nach baldiger

Rückkehr zu Tirol.“ Auch zeigte

etwa das Titelblatt der ersten

drei Ausgaben des „Osttiroler

Bote“ (gegründet Anfang 1946)

einen halben Tiroler Adler, der

das zerrissene Land symbolisie-

ren sollte, der aber von den Bri-

ten sofort verboten wurde. Das

große und sehr beherzte Bemü-

hen war somit vorerst nur von

mäßigem Erfolg gekrönt. „Ob-

wohl das Land privat sogar an

Hibler schrieb, dass die Rück-

gliederung des Bezirkes Lienz

‚einheitlich‘ mit der erhofften

Rückkehr Südtirols durchge-

führt werden könnte“, so Kofler.

Stimmen zählten für Tirol

Was man bislang erreicht

hatte: Einerseits wurden die

Stimmen der Osttiroler von den

November-Wahlen dem Tiroler

Landtag zugeteilt. Aufgrund der

bestehenden Kriegsgefangen-

Wunschtraum

Eine Rückgliederung an Tirol

war vorerst ein Wunschtraum.

Die kirchliche Organisation des

Gebietes blieb hingegen als

„Apostolische Administratur

Innsbruck-Feldkirch“ bei der Di-

özese Brixen. Nach Ende des

Zweiten Weltkrieges 1945 setz-

ten die Osttiroler Politiker jedoch

alle Hebel in Bewegung, um den

ungeliebten und „von oben“

durchgesetzten „Anschluss“ an

Kärnten rückgängig zu machen –

neben der Nahrungsmittelsiche-

rung und der Behebung der

Bombenschäden. So sandte Be-

zirkshauptmann Theodor Hibler

bereits Mitte Juli 1945 einen di-

cken Sammelakt mit Briefen der

Bürgermeister und von Privat-

personen an den „lieben Landes-

vater“, den provisorischen Lan-

deshauptmann der ÖVP, Karl

Gruber. „Nur wenige Tage nach

Ende der Kampfhandlungen

hatte man dafür per Motorrad die

Gemeinden aufgesucht“, infor-

miert Dr. Martin Kofler, Histori-

ker und Leiter des Tiroler Ar-

chivs für Photographie (TAP).

Verbotener halber Adler

Und man flehte geradezu um

die Rückkehr. So hieß es unter

anderem in dem Schreiben:

„Die 1938 zwangsweise vollzo-

Wieder-

vereini-

gungs-

feier

im

Oktober

1947

auf dem

Alten

Sport-

platz in

Lienz.

Foto-

graf:

Andrä

Lotters-

berger;

Samm-

lung

Janita

Möst –

TAP

Noch auf dem alten Briefpapier

des „Gaues Kärnten“ wandte

sich der Lienzer Bürgermeister

Johann Ignaz Oberhueber mit

allen Gemeinderäten, dem

Dekan und Laura Egger-Lienz

am 10. Juli 1945 an die

Landesregierung in Innsbruck.

Der große Wunsch: bald wie-

der zur „alten Heimat“ Tirol

zurückkehren zu können.

Foto: Tiroler Landesarchiv

Die Bezeichnung „Osttirol“ wurde kurz vor Beginn des Zweiten

Weltkrieges einfach gestrichen, der Kreis Lienz kurzerhand dem Gau

Kärnten zugeteilt. Die Bevölkerung rebellierte vergebens.

Erst als die Briten ihr „Okay“ gaben, durfte man wieder zurück nach Tirol.

Die Wiedervereinigung jährt sich nun zum 70. Mal.

Osttirol als „Spielball“ de

GESCHICHTE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

OKTOBER/NOVEMBER 2017

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