Der kleine Ort Castagneto
Carducci (Provinz Livorno) hat
ca. 9.000 Einwohner und liegt
imWeinbaugebiet des Bolgheri
Sassicaia. Der dort kultivierte
Rotwein revolutionierte in den
1980er-Jahren Italiens Wein-
bau. In einer kleinen toskani-
schen Villa mit schönem Aus-
blick auf die hügelige Gegend
lebt die mittlerweile 100-jäh-
rige temperamentvolle Fritzi
und fühlt sich pudelwohl. „In
der Pension zogen mein Mann
Antonio und ich von Rom hier-
her und bauten uns dieses
Haus mit Turmzimmer“, erzählt
die kleine, zarte Frau. Antonio
starb bereits vor über 30 Jahren.
Damals ging sie mit ihrer
Nachbarin ins Dorf und holte
persönlich den Sarg für den
Mann ab. „Seit seinem Tod lebe
ich alleine und gehe weiterhin
jeden Tag ins Dorfzentrum.“ Bis
heute sehr flotten Schrittes einen
Kilometer hin und retour. Dort
macht sie ihre Besorgungen,
kauft die Tageszeitung, trifft
viele Castagnettaner zum alltäg-
lichen Tratsch. Sie ist weitaus
die Älteste im Dorf. Man plau-
dert gerne mit ihr, denn ihr
Humor ist bekannt. „Bei
Schlechtwetter, besonders bei
Sturm, bringt mir Gian-Paolo die
Zeitung ins Haus. Denn bei
Sturm muss ich mich dann
immer am Lichtmasten anhalten,
sonst weht es mich davon“,
scherzt sie. Gian-Paolo und ein
weiterer Mann im Dorf sind
gleichzeitig Freund und Helfer
für alle Notwendigkeiten. Bis
vor 15 Jahren fuhr sie noch mit
ihrem Moped ins Dorf. Dafür er-
hielt sie den liebevoll gemeinten
Spitznamen „Speedy Gonzales“.
Geheimnis der Agilität
Auf die Frage, warum sie
immer noch so fit ist, gibt es
folgendes Rezept von ihr: „Viel
arbeiten, viel lesen, wenig
schlafen und wenig essen.“ So
bereitet sie ihre Marmeladen
aus den eigenen Marillen und
Orangen noch bis heute selbst
zu. Generell kocht sie ausge-
zeichnet, aber ihre Rezepte ver-
rät sie nie. Auch ist sie eine
tüchtige Gärtnerin. „Obwohl
mir einmal ein gelernter Gärt-
Kilogramm“, nimmt die humor-
volle Dame ihr Leichtgewicht
gelassen. Freilich war sie früher
schwerer – als sie etwa noch in
Lienz lebte. „Ja, das ist schon so
lange her“, schwelgt sie in Erin-
nerungen.
Als Kind nach Lienz
Die Familie Tschernig war
von Kärnten in die Dolomiten-
stadt gezogen als Fritzi gerade
einmal ein paar Jahre alt war.
Sie wuchs dort mit ihren Ge-
schwistern Hertha und Franz
auf. In Lienz betrieb die Fami-
lie eine große Wagnerei und
Tischlerei. Auch stellte man
Skier, die sogenannten „Tscher-
nig astlos“, her. Fritzi absol-
vierte eine Schneiderlehre in
der Schneiderei Flatscher in der
Dolomitenstraße.
Danach
wollte sie hinaus in die Welt.
Der Vater erlaubte ihr einen
dreimonatigen Aufenthalt in
Rom bei den „Deutschen
Schwestern“, auch um Italie-
nisch zu lernen.
Ihre damals noch unzurei-
chenden Italienischkenntnisse
wurden gleich „ausgenutzt“. Ein
„Witzbold“ erzählte ihr, dass
Tischdecke „merda“ (Scheiße)
heiße. „Bei einer Einladung
wollte ich ein Kompliment ma-
chen und sagte zur Tischdecke
der Hausfrau: ,Che bella
merda‘.“ Doch wer Fritzi kennt,
weiß genau, dass sie gerne auch
„zurückgibt“. So bat sie den
„Witzbold“ für sie in die Apo-
theke zu gehen und ihr doch eine
Flasche „Ibindumm“ zu besor-
ner gesagt hat, dass ich im Ge-
müsegarten mehr Schaden an-
richte als die Hennen“, nimmt
sie seine Aussage sehr gelassen
und trinkt täglich gerne auch
ein Gläschen Wein.
Ein wenig Sicherheit mag sie
auch. Deshalb hat sie zu ihrem
Nachbar auch eine Notglocke
beim Bett. Auch bellt ein Hund
ganz fürchterlich, wenn man sich
ihrem Haus nähert. „Mittlerweile
‚funktioniert’ er aber nicht mehr
gut. Der Hund ist eigentlich nur
ein Bewegungsmelder, der lang-
sam den Geist aufgibt.“ Und sie
hat einen klaren Auftrag an ihre
Nachbarin: „Sollte bis 9 Uhr
morgens bei mir nicht die Jalou-
sie des Küchenfensters offen
sein, dann ist die Bestattung zu
rufen. Ich habe ja schon alle For-
malitäten organisiert. Aber ich
will lediglich die Hälfte zahlen,
weil ich wiege ja nur mehr 38
Friederike Tschernig-
Righetti ist immer noch
ein wahres Energiebün-
del. In ihrem heutigen
Wohnort Castagneto
Carducci in der Tos-
kana lebt sie alleine in
ihrem Haus und gilt in
der Region als liebens-
wertes Unikum.
Fritzi in jungen Jahren mit ihrem Mann und den Kindern.
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Auch mit 100 Jahren ein
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JULI/AUGUST 2017
Friederike Righetti-Tschernig, gebürtige Osttirolerin, lebt schon
lange in der Toskana.