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LEBENSGESCHICHTE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

MAI/JUNI 2017

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gar einen Andreas-Hofer-Typ

vorgestellt. Tatsächlich stand

aber ein schlanker, nicht allzu

großer Priester mit Brille und

gepflegter Frisur vor ihnen. Am

meisten verblüffte sie aber sein

jugendliches Aussehen, das

sich Reimmichl bis über die

Lebensmitte bewahrte.“

Ab Oktober 1914 – inzwi-

schen war der Erste Weltkrieg

ausgebrochen – erschien der

Volksbote auf drängenden

Wunsch der Abonnenten als

Wochenblatt. „Es war eine be-

achtliche Leistung von Redak-

tion und Technik, sich in nur

wenigen Wochen auf den neuen

Erscheinungsrhythmus einzu-

stellen.“

Weitere Meisterleistung

Der Inhalt wurde auf Kriegs-

berichterstattung umgestellt –

ebenfalls eine Meisterleistung.

Keine Zeitung berichtete besser

und ausführlicher vom Kriegs-

geschehen und den einzelnen

Schauplätzen. Der Erste Welt-

krieg hatte Entwicklungen aus-

gelöst, die bis in die jüngste Ver-

gangenheit nachwirkten – nicht

umsonst gilt der Erste Weltkrieg

als die „Urkatastrophe des 20.

Jahrhunderts“. Die Not nach

dem Krieg war groß, die wirt-

schaftliche Lage hoffnungslos.

Hohe Inflation, Arbeitslosigkeit

und Hunger zermürbten die

Menschen. Reparationszahlun-

gen schränkten die Möglichkei-

ten des Staates ein und führten

zu Steuererhöhungen.

Vier Jahre Krieg führten zu

gesellschaftlichen Auflösungs-

erscheinungen und brachten

geistigen und sittlichen Verfall

mit sich. Hilfe tat dringend Not.

„Da bekam Reimmichl aus

Amerika eine größere Dollar-

spende, die ihm erlaubte, sie

großzügig zu verteilen. Ähnlich

war es übrigens auch nach dem

Zweiten Weltkrieg, als er hun-

derte Lebensmittelpakete aus

Amerika bekam, die er alle an

örtliche Hilfsorganisationen

weitergab.“ Für sich wollte

Reimmichl kein einziges Paket

behalten – nur mit List konnte

seine Wirtschafterin zwei oder

drei Pakete „ohne Wissen des

Herrn Kaplan“ der eigenen

mageren Küche zuführen.

mich ins frische Almheu und

brachte keinen halben Vaterunser

mehr zuwege, so rasch schlief ich

ein.

Als ich erwachte, schien die

Sonne hell zu den Klunsen (Spal-

ten) herein; es war sieben Uhr in

der Früh. Ich hatte elf Stunden

geschlafen, ohne ein einziges

Mal aufzuwachen, und fühlte

mich frisch und kräftig wie schon

lange nicht mehr. Nur die Beine

taten mir weh und zogen, als ob

sie in einem Schraubstock drin-

nen wären. Draußen war ein

sonnengoldener, glasklarer, him-

melblauer Tag, die Luft flaumen-

weich und morgenkühl. Im wei-

ten Kreise rundum strahlten die

silbernen Schneeberge, prangten

die sammetgrünen Kämme und

Kuppen, scharf und tief ging es

hinunter in die enge, dunkle Talk-

luft, und ich stand da heroben,

himmelhoch, auf freier, weiter

Alm. Grad aufjauchzen hätt ich

mögen – aber ich war ja krank.

Das könnten wir gleich erpro-

ben, ob ich krank oder gesund

wär, meinte der Senner Bartl:

Wenn ich das Wasser vom Ran-

tenbrünnl vertrag, fehlt mir

nichts, wenn ich’s aber nicht ver-

trag, bin ich ein kranker Mensch.

Das Brünnl war zwei Büchsen-

schuss außerhalb der Kaser

(Sennhütte), und ich ging sofort

hin, ließ mir ein Weinglas voll-

rinnen und trank. Brr, Himmel

Laudon! Das war kälter als Eis

und schneidig wie ein Messer, es

gribbelte mir bis in die Zehen

und Fingerspitzen hinaus. Doch

ließ ich mich von der eisigen

Schärfe nicht abhalten und trank

schnell vier Gläser hintereinan-

der. Vom Vertragen natürlich

keine Spur. Es hat mich förmlich

zerrissen. Mein Gott, hat mich

dieses Wasser ausgebürstet.

Schon wollte ich davon abstehen,

aber der Bartl ließ es nicht zu.

„Ihr seid ein junger Mensch“,

sagte er, „und hebt (verträgt) es

schon. Einen Alten tät’s aufräu-

men, aber einen Jungen kuriert

das Rantenbrünnl.“

Also blieb ich dabei und trank

jeden Vormittag fünf Gläser,

jeden Nachmittag sechs Gläser

von dem kalten Tropfen und war

den halben Tag – nun, ihr könnt

euch denken, wo. Nach zwei

Tagen hörte die schnelle Post auf,

dafür begannen jetzt die Nieren

mehr als auf Akkord zu arbeiten.

Und immerfort trank ich von dem

kalten Brünnl. Das kurierte mich

so von allen Krankheitskeimen

und verbockten Stoffen und

frischte mich so durch und durch

auf, dass mir vorkam, ich habe

gar nicht mehr meinen alten Kör-

per, sondern einen neuen, fri-

schen. Nebenher gesagt, rate ich

aber diese Kur nicht jedermann.

Es ist eine Rosskur und setzt

starke Organe voraus. Wer sol-

che nicht hat, lasse das Experi-

ment lieber bleiben.

Ich darf auch nicht vergessen

zu erzählen, dass ich schon am

zweiten Tag einen Riesenappetit,

ja einen förmlichen Wolfshunger

bekommen und mehr gegessen

hab als der Senn und der Hirt

mitsammen. Milchmus und Po-

lenta haben mir besser ge-

schmeckt als die feinsten Torten

drunten im Tal, und die Haber-

nocken (Hafer) waren köstlicher

als das duftigste Bratl und die

delikatesten Nürnberger Würstel.

Nach einer Woche verspeiste ich

schon eine Pfanne voll Schmalz-

nudeln, und zwar so feiste, dass

das Schmalz aus allen Poren he-

rausdrängte wie das Wasser aus

einem Schwamm.

In den paar Tagen war ich

ganz ein anderer Mensch gewor-

den. Bloß die Nervosität wollte

nicht ganz weichen. Immer noch

hatte ich das Zucken in den

Armen und das Pumpern in der

Herzkammer. So etwas kann

man nicht abstreifen wie einen

Handschuh, es braucht seine

Zeit.

Abends ging ich mit der Sonne,

das heißt spätestens um acht Uhr

ins Bett oder richtiger ins Heu,

und in der Früh war ich bereits

beim ersten Sonnenstrahl auf.

Den ganzen Tag war ich auf

den Beinen über alle Höhen und

Jöcher aus. Bei jedem frischen

Brünnl, wo ein Bergkress wuchs

– und der wächst nur an den käl-

testen Wassern –, kehrte ich zu,

trank ein oder zwei Glas „Alm-

spezial“ und aß eine Handvoll

Kress. Weil ich keine Bücher und

keine Gesellschaft hatte, fing ich

an, mich mit den Bergbrünnlein

und den Almblümchen zu unter-

halten. Und die hatten mir viel

Schönes und Interessantes zu er-

zählen …

Jetzt ist meine Geschichte fer-

tig. Muss nur noch erzählen, dass

meine Freunde, als ich nach

zwölf Tagen von der Alm hinun-

terkam, mich wie ein Wundertier

angestaunt haben. Sie sagten, ich

wär um zehn Jahre jünger ge-

worden und sehe so naturbraun

aus wie ein Gamsjäger. Als ich

wieder zu arbeiten angefangen

hab, ist es mir flott von der Hand

gegangen wie das Garn von der

Spulmaschine. Auch sind mir die

Gedanken nicht mehr ins Hirn

gefroren, sondern flink herausge-

sprudelt wie der Brunnen droben

unter dem Spitzhörndl.

Und ein Rezept gegen aller-

hand Gebresten hab ich von der

Alm heruntergebracht. Es ist kurz

und lautet: „Frei, froh, fromm.“

– Wenn ihr einmal recht zer-

schlagen am Geist und recht zer-

lattert am Körper seid und euch

die Nerven über das Dach stei-

gen, so wendet es an. Macht euch

für eine Zeit lang frei von dem

Schwall und Wust des Alltages,

geht hinaus in Gottes herrliche

Natur, am besten in die Berge.

Und denkt auch ein bisschen

mehr als sonst an Unsern Herrn.

Ihr werdet es erfahren, dass euch

diese Kur bald alle Grallen und

Grillen und Bazillen vertreibt.

Wenn ihr noch etwas extra tun

wollt, so macht es euch zur

Regel, jeden Tag mit den Hüh-

nern aufzustehen und mit ihnen

ins Bett zu gehen. Leider habe

ich dieses Letzte in meinem bis-

herigen Leben selber viel zu

wenig praktiziert, sonst wär ich

heute gesund wie ein Fisch im

Zirmsee und stark wie David und

tät mich getrauen, hundert Jahre

alt zu werden.

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Reimmichl in Bronze im Kreis der St. Veiter Jugend. Der Reim-

michl-Brunnen wurde 1996 im Dorfzentrum von St. Veit in Erin-

nerung an den großen Sohn errichtet.

Foto: G. Rosenkranz