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Mit mehr als 60 Büchern, 200

Kurzgeschichten und seinem

„Reimmichlkalender“ erreichte

er hunderttausende begeisterte

Leser. Jener römisch-katholi-

sche Priester, der 1867 in St.

Veit in Defereggen als Sieben-

monatskind zur Welt kam (man

fürchtete damals sehr um sein

Leben) und 1953 in Hall in Tirol

starb – als 86-Jähriger.

Autor Paul Muigg, der vor ei-

nigen Wochen überraschend

ebenfalls verstarb, verfasste als

sein letztes Werk ein Reim-

michl-Lesebuch. „Im ersten

Buchteil, der bis 1919 reicht,

begegnen wir Reimmichl als er-

folgreichen Zeitungsmacher, im

zweiten Abschnitt wird er zum

nicht weniger bedeutenden Ka-

lendermacher, und als solcher

ist er bis heute noch vielen in

naus in die Fremde, um mit De-

cken, Teppichen und Hüten zu

hausieren. Jeweils im Frühjahr

und im Herbst schulterte er die

Kraxe, um als Wanderhändler in

der Fremde sein Glück zu ver-

suchen. Damit trat er in die

Fußstapfen vieler seiner Vorfah-

Erinnerung“, schrieb Muigg in

seinem Vorwort.

Schreiberei als Teil der

Seelsorge

Reimmichl hatte einst das

Gymnasium in Brixen besucht,

später das Priesterseminar. Somit

war er in erster Linie Priester

und Seelsorger – unter anderem

in Sexten, Sand in Taufers

oder Dölsach. Seine Arbeit

als Zeitungs- und Geschichten-

schreiber betrachtete er als Teil

der Seelsorge. „Es gelang ihm

mit seinen Themen und seinem

Stil direkt zu den Herzen der

Leser vorzudringen. Die legen-

däre Leserblattbindung beim

,Tiroler Volksboten‘ war ein

Beweis dafür“, betonte Muigg.

Riegers literarische Werke

haben sowohl Unterhaltungs-

als auch sittlich-religiösen Bil-

dungswert und fördern die Iden-

tifikation mit einem fundierten

Tiroler Heimatbewusstsein. In

ungekünstelter Sprache ver-

mochte er tiefen Einblick in das

menschliche Seelenleben und in

die Dynamik des zwischen-

des Original, den Michl, einen

Schuster, der sich als Geschich-

tenerzähler hervortat.

Seine Ursprünge

Sein Vater Johann Rieger war

Nebenerwerbsbauer. Denn be-

reits in jungen Jahren zog er hi-

ren, denn die Not zwang zahl-

reiche Deferegger bereits im 17.

Jahrhundert zu einem Nebener-

werb. Dafür bot sich das Hau-

sieren mit Waren aller Art an,

zuerst in der näheren Umgebung

und später, mit mehr Erfahrung,

der Vater den Großteil des Jahres

auswärts verbrachte, musste

seine Frau Maria während seiner

Abwesenheit die Rolle des Fa-

milienoberhauptes übernehmen.

Analphabetin bis

zum Alter von 30

Sie bewirtschaftete den Hof

gemeinsam mit Stöffl, einem

Bruder ihres Mannes, führte

den Haushalt und zog die Kin-

der groß. Sie war klug, ge-

schickt und führte ein strenges

Regiment, lernte aber erst mit

30 Jahren Lesen und Schreiben.

Ihr Einfluss auf die Entwick-

lung der fünf Kinder und der

fünf Waisenkinder, die sie groß-

zog, war größer als jener des

Vaters, der später ein beträcht-

liches Vermögen hinterließ, von

dem auch Reimmichl seinen

Anteil bekam. Nun offenbarte

sich erstmals die selbstlose

Großzügigkeit Reimmichls, die

sein Leben auszeichnen sollte.

Den Großteil des Erbes ver-

wendete er zum Ankauf einer

Volksbibliothek, die er der Ge-

meinde Dölsach, wo er gerade

Heuer kann man symbo-

lisch auf den 150. Ge-

burtstag von Sebastian

Rieger, besser bekannt

als Reimmichl, anstoßen.

Der einstige Zeitungs-

schreiber und Heimat-

schriftsteller im Priester-

rock begeistert bis heute

mit seinen schreiberi-

schen Fähigkeiten.

LEBENSGESCHICHTE

4

PUSTERTALER VOLLTREFFER

MAI/JUNI 2017

Einem „Karter“ in geselliger Runde war Reimmichl nie abgeneigt (v. l.): Alois Aßmayr (1906-1980),

Pfarrer in Biberwier; DDr. Hans Brugger (1912-1989), Reimmichls Neffe, Priester, wirkte in der

Heimat, in Rom und in Uganda/Afrika; Kalendermann ab 1954; begraben im Priestergrab seiner

Heimat St. Veit; und Reimmichl.

Foto: Reimmichlmuseum, Hall

Dieses Reimmichl-Porträt ver-

öffentlichten Freunde im „Tiro-

ler Volksboten“ gegen den Wil-

len des Abgebildeten. Foto:

Reimmichlmuseum, Hall

Sebastian Rieger im Alter von

etwa 25 Jahren, als er in die

Seelsorge eintrat.

Foto: Reimmichlmuseum, Hall

Ein ungewöhnlicher Zeitun

menschlichen Beziehungsge-

flechtes zu geben. Er verfasste

auch den Text zum bekannten

Tirolerlied „Tirol isch lei oans“.

Aus seiner Redakteurszeit beim

Volksboten stammt sein Pseudo-

nym Reimmichl – in Anlehnung

an ein damals in Sexten leben-

auch auf weiten Reisen durch

Europa. „Über das Tal würde

vielleicht niemand etwas wissen,

wenn es nicht schon früh durch

die Teppichhändler in der halben

Welt bekannt geworden wäre“,

erklärte der Heimatforscher

Ludwig von Hörmann 1877. Da