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CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

OKTOBER/NOVEMBER 2016

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Junge Menschen aus

Bruneck und Umge-

bung arbeiteten auf

Feldern in der Provinz

Reggio Calabria, die

v o n v e r h a f t e t e n

‘Ndrangheta-Bossen

einst beschlagnahmt

worden waren. Dabei

erfuhren sie einiges

über den Süden, der

sich – entgegen vieler

Meinungen – nicht

ohnmächtig und pas-

siv der Übermacht der

organisierten Kriminali-

tät beugt, sondern – im

Gegenteil – auflehnt.

Schön, aber schwierig ist das Leben auf Kalabrien.

Foto: © José Luiz Bernardes Ribeiro

Auf den Feldern der Antima

Es war ein besonders Erleb-

nis für die 18- bis 26-Jährigen

in der südlichsten Gemeinde

Italiens. Eine Woche lang ar-

beiteten die zwölf Pustertaler in

der kleinen Ortschaft Pentidat-

tilo in der Provinz Reggio

Calabria auf den Feldern. Das

Arbeitsprojekt ist eine Initiative

des Jugenddienstes Bruneck,

des Vereins „Arci-Diverkstatt“

und Arci aus Reggio Calabria.

Ziel ist es, ein anderes Bild des

italienischen Südens zu zeigen,

ein Bild, das im Widerspruch

steht zum Stereotyp vom ver-

lassenen und stehengebliebenen

Süden, der sich ohnmächtig

und passiv der Übermacht

der organisierten Kriminalität

beugt.

Das Gegenteil ist der Fall:

Was die Jugendlichen sahen,

war ein äußerst aktives Netz

an Initiativen – eindrucks-

voll, angesichts der geringen

Mittel und Unterstützung von

Institutionen.

Schwieriger Kampf

„Frauen und Männer, junge

und ältere Menschen, Polizei-

kräfte, Zeugen und Familienan-

gehörige der Mafia-Opfer: Alle

kämpfen sie einen schwierigen

Kampf gegen ein System, das

allzu oft unterschätzt oder von

den politisch Verantwortlichen

bewusst ignoriert wird. Denn

das Problem beschränkt sich

nicht einzig auf den naturge-

mäß kleinen Kreis von Perso-

nen, die der Mafia angehören,

sondern erstreckt sich auf jenen

‚grauen Bereich‘, auf jene

Mehrheit der Zivilgesellschaft,

die aus Angst oder aus einer tief

verwurzelten Schweigepflicht

heraus nicht offen gegen die

Ungerechtigkeit und Gewalt

eintritt“, erzähle Fabian Fistil,

einer der Projektteilnehmer.

Ein Ausspruch Martin Luther

Kings trifft dabei den Nagel auf

den Kopf: „Nicht die Worte der

Gewalttätigen jagen Angst

ein, sondern das Schweigen

der Gerechten.“

Ermordet wegen Motoröl

In diesem Kontext ist auch

der Fall von Signora Giorgino

zu sehen, die 20 Jahre lang

schwieg, bevor sie die Ge-

schichte ihres Mannes, eines

Mechanikers, preisgab. Er war

mit drei Schüssen in den Rük-

ken getötet worden, weil er sich

geweigert hatte, einer bekann-

ten Persönlichkeit des Ortes

kostenlos Motoröl zu geben.

Oder die Geschichte des Tibe-

rio Bentivoglio, Händler aus

Reggio, der im Jahre 1992 als

erster den Mut hatte, sich