CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
OKTOBER/NOVEMBER 2016
38
Junge Menschen aus
Bruneck und Umge-
bung arbeiteten auf
Feldern in der Provinz
Reggio Calabria, die
v o n v e r h a f t e t e n
‘Ndrangheta-Bossen
einst beschlagnahmt
worden waren. Dabei
erfuhren sie einiges
über den Süden, der
sich – entgegen vieler
Meinungen – nicht
ohnmächtig und pas-
siv der Übermacht der
organisierten Kriminali-
tät beugt, sondern – im
Gegenteil – auflehnt.
Schön, aber schwierig ist das Leben auf Kalabrien.
Foto: © José Luiz Bernardes Ribeiro
Auf den Feldern der Antima
Es war ein besonders Erleb-
nis für die 18- bis 26-Jährigen
in der südlichsten Gemeinde
Italiens. Eine Woche lang ar-
beiteten die zwölf Pustertaler in
der kleinen Ortschaft Pentidat-
tilo in der Provinz Reggio
Calabria auf den Feldern. Das
Arbeitsprojekt ist eine Initiative
des Jugenddienstes Bruneck,
des Vereins „Arci-Diverkstatt“
und Arci aus Reggio Calabria.
Ziel ist es, ein anderes Bild des
italienischen Südens zu zeigen,
ein Bild, das im Widerspruch
steht zum Stereotyp vom ver-
lassenen und stehengebliebenen
Süden, der sich ohnmächtig
und passiv der Übermacht
der organisierten Kriminalität
beugt.
Das Gegenteil ist der Fall:
Was die Jugendlichen sahen,
war ein äußerst aktives Netz
an Initiativen – eindrucks-
voll, angesichts der geringen
Mittel und Unterstützung von
Institutionen.
Schwieriger Kampf
„Frauen und Männer, junge
und ältere Menschen, Polizei-
kräfte, Zeugen und Familienan-
gehörige der Mafia-Opfer: Alle
kämpfen sie einen schwierigen
Kampf gegen ein System, das
allzu oft unterschätzt oder von
den politisch Verantwortlichen
bewusst ignoriert wird. Denn
das Problem beschränkt sich
nicht einzig auf den naturge-
mäß kleinen Kreis von Perso-
nen, die der Mafia angehören,
sondern erstreckt sich auf jenen
‚grauen Bereich‘, auf jene
Mehrheit der Zivilgesellschaft,
die aus Angst oder aus einer tief
verwurzelten Schweigepflicht
heraus nicht offen gegen die
Ungerechtigkeit und Gewalt
eintritt“, erzähle Fabian Fistil,
einer der Projektteilnehmer.
Ein Ausspruch Martin Luther
Kings trifft dabei den Nagel auf
den Kopf: „Nicht die Worte der
Gewalttätigen jagen Angst
ein, sondern das Schweigen
der Gerechten.“
Ermordet wegen Motoröl
In diesem Kontext ist auch
der Fall von Signora Giorgino
zu sehen, die 20 Jahre lang
schwieg, bevor sie die Ge-
schichte ihres Mannes, eines
Mechanikers, preisgab. Er war
mit drei Schüssen in den Rük-
ken getötet worden, weil er sich
geweigert hatte, einer bekann-
ten Persönlichkeit des Ortes
kostenlos Motoröl zu geben.
Oder die Geschichte des Tibe-
rio Bentivoglio, Händler aus
Reggio, der im Jahre 1992 als
erster den Mut hatte, sich