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OSTTIROLER

NUMMER 8/2016

2

HEIMATBLÄTTER

mit der Handelschaft der Defregger Wan-

derhändler ab ca. 1650 mit Wetzsteinen,

Lederwaren, Leinen und Schafwollsachen

und anderen bäuerlichen Gebrauchsartikeln

verbunden. Die darauffolgenden Kotzentra-

ger, die vorwiegend im Familienverband

hausierten und die vor allem in den deut-

schen Ländern, Holland, Frankreich und Ita-

lien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun-

derts mit großem Erfolg tätig waren.

Kotzen waren Decken und Teppiche, auch

Pferdedecken und Bettdecken in verschie-

denen Größen, Stärken, Farben und Quali-

täten im Rohmaterial von Kälber-, Rinder-,

Ziegen- und Bockhaaren und unveredelter

Schafwolle hergestellt. Erzeugt wurden

diese Kotzen im Pustertal, die Massenware-

Qualität in St. Sigmund, die bessere Ware in

Welsberg. Dafür gab es in diesen Orten eine

eigene Hausindustrie, da die Ware großteils

nur für die Defregger gefertigt wurde.

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Sie

bestellten in großen Mengen, wussten, was

gut verkäuflich ist, holten die Waren vor Ort

mit Kraxen und Wagen ab, bezahlten und

verkauften die Kotzen in kleinen familiären

Gruppen imWanderhandel in vorgenannten

Ländern in Europa. In St. Sigmund erinnert

19. und 20. Jahrhundert zu ebenfalls großen

Erfolgen. Sie entdeckten diese neuen Ge-

schäftszweige bei den Reisen nach Norden

und Süden Europas. Nach erfolgreichem

Verkauf ihrer Waren in den nordwestlichen

Ländern begannen sie auf der Rückreise die

zerlegbaren Schwarzwälder Kuckucksuhren

und auch Schweizer Taschenuhren einzu-

kaufen, um sie in den südlichen Märkten

und Städten wieder zusammenzubauen und

mit Gewinn zu verkaufen. Die bedeutenden

Uhrenhändler mit später eigenen Geschäften

waren nur St. Jakober Hausierer. Viele er-

lernten dann auch das Uhrmacherhandwerk,

um auch Reparaturen durchzuführen. Mit

der Zeit kam der Schmuckhandel dazu. Be-

kannte Firmen waren z. B. Thomas Leitner

(1833, St. Jakob - 1879, Innsbruck) mit Sohn

Thomas (1861-1942) und nochmals dessen

Sohn Thomas (1883-1945). Filialen existier-

ten in Salzburg, Linz, Brixen und Trient.

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Die Witwe, ohne Nachkommen, veräußerte

das Geschäft und trennte sich vom Besitz.

Der Firmenname Uhren-Juwelen Leitner be-

steht nach über 150 Jahren heute noch in der

Maria-Theresien-Straße in Innsbruck mit den

neuen Inhabern. Der Sohn Bernhard (1862,

Innsbruck - 1935, Innsbruck), Absolvent der

Uhrmacherschule Saint-Imier (Schweiz),

gründete 1884 ein eigenes Uhrengeschäft,

baute dann ein neues, modernes Haus in der

Maria-Theresien-Straße (Nr. 17-19) und

montierte an der Giebelfassade eine astro-

nomische Uhr, die heute noch das Stadtbild

prägt.

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In diesem Gebäude befand sich frü-

her das Triumph-Kino und das erste Auto-

maten-Restaurant der Landeshauptstadt.

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Auch dieses Uhrengeschäft wurde mangels

Nachfolger aufgegeben und das Haus von

den Erben in den letzten Jahrzehnten an

diverse neue Eigentümer weitergegeben:

Peter Ladstätter (geb. 1813) mit Mitteilha-

bern, Josef Erlsbacher (1823) mit Söhnen

Christian in Graz und Eduard, Uhrenfabri-

kant in La Chaux-de-Fonds in der

Schweiz

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, sein Cousin Mathias Erlsbacher

(geb. 1846) mit Söhnen in Trient und Inns-

bruck. Die Firma in Innsbruck gibt es heute

noch; wieder ist ein Mathias Erlsbacher der

Inhaber. Lorenz Unterkircher (geb. 1822)

mit Söhnen in Bozen, Christian Santner

(geb. 1827) mit Bruder Johann (geb. 1841)

und Josef (geb. 1849) in Trient, Bozen und

Meran; Virgil Gasser (geb. 1839) mit Söh-

nen in Bruneck, wobei das Geschäft heute

noch mit Nachkommen existiert.

Genau so machten es die nach Süden rei-

senden Händler; diese sahen am Heimweg

in Venetien die Strohhüte, begannen diese zu

kaufen und am weiteren Weg wieder zu ver-

kaufen. Da sich diese Geschäfte gut entwi-

ckelten, war der Grundstein für den Stroh-

huthandel gelegt. In der Folge kamen auch

Filzhüte sowie alle modischen Damen- und

Herrenhüte dazu, die dann in eigenen

Fabriken hergestellt wurden. Hier gab es

sehr viele Unternehmen von St. Jakober, vor

allem aber von St. Veiter Familien. Hier sind

nur die zwei größten und erfolgreichsten von

St. Veit zu nennen: Die Gründer Peter Lad-

stätter (geb. 1816 in Oberrauth), verheiratet

mit Anna Oberwalder, und gestorben 1885

in Domzˇale (heute Stadt in Slowenien)

sowie sein Nachbar Jakob Oberwalder (geb.

1829 in Bruggen), verehelicht mit Josefa

Feldner (geb. 1836), gestorben 1912 in

Inserat im Osttiroler Boten vom 21. Feber

1952.

Rep.: Meinrad Pizzinini

Oskar Ladstätter mit Frau Rosa Prast;

Aufnahme zur Zeit seines Kriegseinsatzes,

um 1940.

(Sammlung Viktor Ladstätter)

Fotograf unbekannt

Inserat im Osttiroler Boten vom 21. Sep-

tember 1950.

Rep.: Meinrad Pizzinini

Domzˇale. Sie errichteten die großen Stroh-

hutfabriken in Domzˇale mit diversen Nie-

derlassungen durch Söhne und Schwieger-

söhne in vielen Städten. Zu erwähnen ist

hier noch Chrisanth Oberwalder, geb. 1817

in Bruggen und verheiratet mit Marianne

Stemberger. Chrisanth war finanzieller Mit-

eigentümer der Firma von Johann und Alois

Kurzthaler in Domzˇale, die 1869 dort die

Fabrik Gebrüder Kurzthaler errichteten.

Damit hatte er das Recht, seine Söhne dort

zu beschäftigen: Josef (geb. 1849), Chry-

santh (geb. 1855), Thomas (geb. 1858),

Peter (geb. 1862) und Johann (geb. 1865);

alle kamen in St. Jakob-Außerhirbe zur

Welt. Thomas verunglückte im Jahr 1906

am Großglockner. Mit einem Legat wurde

nach seinem Tod der Bau der Oberwalder-

hütte finanziert.

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Josef heiratete 1881 eine

Großgrundbesitzerin in Oberdomzˇale, er-

baute und gründete 1882 gemeinsam mit

seinen Brüdern eine eigene Fabrik, die

Firma Brüder Oberwalder.

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Sein Urenkel

Josef vermietete die schon lange leerste-

henden Teile der alten Fabriksgebäude und

landwirtschaftlichen Baulichkeiten und war

einer der Initiatoren zur Verwirklichung

eines Hutmuseums in Domzˇale, das 2013 er-

öffnet wurde und jedermann zur Besichti-

gung zu empfehlen ist. Dazu ist auch ein

Buch erschienen, jedoch nur in Slowenisch,

aber mit vielen Abbildungen, vom Grund-

material Stroh bis zum fertigen Hut und mit

vielen Defregger Firmenbesitzern.

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Zwei

dem Autor bekannte Familien betrieben in

nicht geringem Umfang einen Fellhandel, so

der Familienverband Troger von St. Jakob

noch heute der Kotzensteig nach Terenten

an die Defregger.

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Auch in Nördlingen wurden Teppiche ge-

kauft. Einige dieser Handelscompanien han-

delten nach Polen und kamen bis St. Peters-

burg, wo die russische Zarin den Defreggern

ihre Ware pauschal abgenommen haben

soll.

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In Jihlava (Tschechien), früher Iglau

(Böhmen), gibt es Schriftstücke, die besa-

gen, dass ein Virgil Ladstätter 1819 Inhaber

einer Teppichfabrik mit 17 verwandten

Defregger Teilhabern war und dass ihm

1824 das dortige Bürgerrecht verliehen wor-

den ist.

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Man sieht, welche Bedeutung und

welches Ausmaß dieser Kotzen- und spätere

Teppichhandel hatte, der nur von Defreggern

betrieben wurde. Nach dem langsamen Ab-

klingen dieses Erwerbszweiges durch staat-

liche Handelserschwernisse und die auf-

kommende industrielle Fertigung kamen

dann in weiterer Folge die Uhren- und Hut-

händler in weiten Teilen der Monarchie im