INTERVIEW
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MAI/JUNI 2016
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nächsten Tage kann Auer berich-
ten, dass die Witterung nahezu
schon frühlingsmäßig wirke und
dass die Kinder Huflattich und
Palmkätzchen in die Schule
brachten. (Hab‘ auch in meinem
Zimmer ein köstliches Sonnen-
bad genommen – bei offenen
Fenstern [Wenn das meine lie-
ben Bauern wüßten! Sie sind
nämlich furchtbar gegen das
Nackte!])‘“
Anton Auer begann sich aber
insbesondere für die Osttiroler
Volkskunst zu interessieren.
Pizzinini:
„Ja, er notiert volks-
kundlich interessante Bemer-
kungen über das Leben in einem
abgelegenen Dorf, über Brauch-
tum und übliche Verhaltenswei-
sen der Bevölkerung. Wie es
etwa nach dem sonntäglichen
Kirchenbesuch zugeht. Nachdem
die Frauen aus dem Gotteshaus
verschwunden sind, ‚brechen
die Männer fast gleichzeitig auf,
um mit großem Lärm und Ge-
polter die Wirtsstube zu füllen,
die dann auch bald voll ist, wie
eine Heringtonne.‘ Das Karten-
spiel geht los; meistens wird ge-
wattet. Dabei fließt genügend
Schnaps, und der Rauch von Zi-
garetten und Pfeifen verdunkelt
die Gaststube.“
Was verschaffte ihm Ab-
wechslung?
die sogenannte Fortbildungs-
schule mit 31. März schließt:
‚Gott sei tausend Dank!! – Es
war eine sehr unerquickliche Ar-
beit mit den fünf Schülern zu ar-
beiten – und der Erfolg ist gleich
null!! Ich glaube[,] Schüler-
schaft und Lehrer scheiden beide
gleich frohen Herzens. Ich ließ
die Schüler mit ihren meist ‚ge-
nügenden‘ Zeugnissen laufen.
Eigentlich hätten einige ‚unge-
nügend‘ ausfallen sollen. Aber
was hat das auch! Ich denke mir
oft, ist es für Kinder, wie sie hier
nun einmal gebaut sind, gerade
ken. Verarbeitung des Erlebten.
Verzweiflung. Resignation.‘“
Wie ging es weiter?
Pizzinini:
„Über den ständigen
Ortswechsel verärgert und des
kargen Lebens in den teils abge-
legenen Bauerndörfern müde,
entschloss er sich, die Lehrbefä-
higungsprüfungen für Haupt-
schulen abzulegen, was ihm
1936 in allen drei Fächern mit
Auszeichnung gelang. Auer war
durch Jahre im Bezirk Schwaz
tätig und kehrte erst nach Kriegs-
ende in seinen Geburtsort zurück,
war an der Hauptschule als Leh-
rer und später bis zu seiner Pen-
sionierung als Direktor tätig.“
Gänzlich unbekannt ist seine
großartige volkskundliche Leis-
tung, die er im Rahmen seiner
Hauptschulprüfung vollbracht
hat. Die ‚aufgetauchte‘ hand-
schriftliche Arbeit mit dem Titel
‚Osttiroler Volkskunst‘, mit zahl-
reichen Bildtafeln versehen, nie
vervielfältigt oder gedruckt, ist
über Umwege in meine Hände
gelangt. Mit dieser Arbeit hat
Anton Auer speziell dem östli-
chen Pustertal geradezu ein
Denkmal gesetzt.“
Pizzinini:
„Die Besuche in
Lienz, die freilich nur selten
möglich waren. Erst am 29.
März 1932 schreibt er wieder. Er
berichtet nun mit einem Gefühl
der Resignation von einem schu-
lischen Ereignis, dass nämlich
sehr wesentlich, ob sich die Erde
von Westen nach Osten dreht
oder umgekehrtSie müssen spä-
ter einmal den Pflug und die
Mistgabel zu führen verstehen,
das Saatgut mit geübter Hand
streuen können und dergleichen
solche kleine Handgriffe mehr.
Und da werden die ‚guten‘
Schüler gerade oft von den
‚dummen‘ geschlagen. Ja, man
lernt auch als Lehrer bescheiden
werden!‘“
Wie erging es ihm dann in
Penzendorf?
Pizzinini:
„Alles war nun
wieder neu, die Lehrerwohnung,
das Schulzimmer, die Ortsbevöl-
kerung, die Schulkinder. Nun
wäre er doch lieber im Dorf
Bannberg gewesen! Von einem
gewissen Herrn Schneider erfuhr
er ‚Neuigkeiten‘ und bekam
eine ‚höllische Wut u(nd) Haß,
Haß! Die Schweinereien d(es)
Herrn Pfarrers!’ Natürlich be-
suchte er Bannberg und erfährt
auch von der Wirtin Einiges. Es
sagt viel über Auers Gemütszu-
stand aus, wenn er am Samstag,
17. September, folgende Schlag-
worte einträgt: ‚... Fluchtgedan-
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Historiker Meinrad Pizzinini.
Foto: Roha
Blick auf das Ortszentrum von
Bannberg mit der Pfarrkirche
St. Martin; Bleistiftzeichnung,
von Anton Auer, 260 x 180 mm,
wohl 1933.