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Nummer 1 — 62. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Dasselbe gilt vom Gut Nr. 43, „Flörge-
ner“, der Besitz wechselte von der
Familie Ortner zu Bundschuh, Wallen-
steiner, Defregger, nochmals Bund-
schuh, nun Egger-Holzer, ohne das
March zu ändern.
c) Für den bei Kleingütern häufigen Be-
sitzerwechsel boten auch die sogenann-
ten
„Beizeichen“
eine Möglichkeit der
Unterscheidung: man fügte dem alten
Hausmarch einen geraden oder schrä-
gen Strich hinzu oder ließ ein schon
vorhandenes Beizeichen weg. In den
uns vorliegenden Holzmarchlisten aus
der Zeit von 1829 bis 1982 ist dieser
Handhabung der „Beizeichen“ keine
Wertung auf Besitzminderung oder Be-
sitzvermehrung zuzumessen.
In gleicher Weise sind die mehrfachen
Drehungen
des alten Marches um 90
oder 180 Grad lediglich Möglichkeiten,
den Vorbesitzer des Hofes vom neuen
Käufer zu unterscheiden.
Auch die Zeichen
V und X
(sie gleichen
den römischen Zahlen 5 und 10, haben
hier jedoch keinen solchen Zählwert) wur-
den zum gleichen Zweck der Unterschei-
dung
in Dreiecke und sanduhrähnliche
Formen verändert:
c/1) zusätzliche Beizeichen sind bei den
Höfen 23, 25, und 29 zu sehen.
c/2) vereinfachte Marche sind bei den Hö-
fen 1, 4 – 5, 11, 12, 15, 30, 32 und 36
festzustellen.
c/3) Drehungen der Marche oder Verset-
zen der Beizeichen sind bei den Hö-
fen 4 1/2, 5, 6, 10, 11, 12, 16/17, 18,
19 1/2, 20, 26, 27, 29, 30, 32, 33, 37,
38, 40 und 41 erfolgt.
c/4) Veränderung des Zeichens V in ein
Dreieck und des Zeichens X in eine
sanduhrähnliche Form erfolgte bei
den Gütern 6, 6 1/2, 7, 12, 24, 27, 31,
40.
d) Interessant ist auch, daß die
Verdop-
pelung
des Hauptmarches eine
Teilung
des Gutes
anzeigte, wie z. B. bei den
Gütern 6 und 6 1/2 sowie 19 und 19 1/2.
In beiden Fällen berichtet Pfarrer Nie-
derkofler in seiner Chronik S 22 (zum
Frießlmair, Haus Nr. 6 und 6 1/2) sowie
S 28 (zum Ortner, Haus Nr. 19 und 19
1/2), daß die Besitzer dieser geteilten
Huben „unter einem Dach beisammen
wohnten“. Durch die Teilung sollte das
Hauptmarch – als Statussymbol –
nicht verloren gehen:
Das Frießlmairgütl war um 1746 geteilt
worden in den 1/3 Anteil Schmalzhofer-
Frießlmair und den 2/3 Anteil des Bartl
Ortner; im Jahre 1899 kaufte die Familie
Ortner den an Anton Inwinkl übergegan-
genen 1/3 Anteil wieder zurück, das bis-
herige, doppelte Marchsymbol wurde
jeoch beibehalten.
Das Ortnergut Nr. 19 und 19 1/2 um-
faßte den Halbanteil des von Peter Mos-
hamer im Jahre 1420 der St. Lorenzikirche
verkauften Gutes, das schon 1469 in
„Veidler“ und „Ortner“ geteilt wurde. (Das
„Veidler“-Gut führte ein eigenes, anderes
March, siehe Hof Nr. 18).
Das „Ortner“-Gut wurde im Jahre 1675
neuerlich in „Oberortner“ (Mitterhofer)
und „Unterortner“ (Ortner) geteilt. Mitter-
hofer kaufte 1856 den Anteil des „Unter-
ortner“ zurück; das Doppelzeichen (XX)
blieb am zusammengelegten Gut trotzdem
erhalten.
Ebenfalls auf eine Teilung ist das dop-
pelte Zeichen beim „Maurer“, Haus Nr. 27
zurückzuführen. Dieses Kleingut war ein
Erbteil aus dem Mayrgut (Thomas Mau-
rers Ehefrau war Christine Mayr), daher
führte es noch das „X“ des Stammhofes.
Diesem Zeichen wurde noch ein verklei-
nertes „V“ angefügt, nachdem zwischen
Hans Maurer und seinem Schwager
Schmalzhofer eine Güterteilung stattge-
funden hatte.
Versuch einer Deutung der Zeichen
„X“ und „V“
Die vielfachen Hofteilungen, Zusam-
menlegungen, Verkäufe und Zukäufe an
Grundstücken haben bewirkt, daß man
schon lange vor 1829 in diesen Zeichen
keine ursprüngliche Hofgröße mehr er-
kennen konnte, obwohl die Vermutung na-
heliegt, daß in den Zeichen X und V ur-
sprünglich eine solche Wertung lag.
Auch altes, herrschaftliches Eigentum
oder Besitz kirchlicher Einrichtungen, die
sich vielfach über Jahrhunderte unverän-
dert erhielten, verbindet kein einheitliches
March.
Lediglich die Güter „Wutz“ und
„Kreit“, die um 1216 Eigentum der Eu-
phemia von Villalta, Witwe des Hugo von
Taufers, waren, haben eine gemeinsame
Grundform (mit unterschiedlichen Beizei-
chen), doch läßt auch dieses March keinen
Rückschluß auf die ältesten, uns bekannten
Besitzer (Tauferer oder Villalta) zu.
Daraus darf man schließen, daß die Hof-
und Holzmarche weitaus älter sind und in
ihrer Art und Handhabung schon so fest
im Bauerntum verankert waren, daß Än-
derung der Eigentumsverhältnisse durch
Herrschaft, Kirche oder Adel sie nicht
mehr beeinflußt hatten. Wahrscheinlich
gehen diese Marche in jene Anfänge
zurück, als klimatische Verhältnisse und
dichtere Besiedlung unserer Heimat einen
intensiver werdenden Ackerbau ermög-
lichten.
Auf den ursprünglich gemeinsam
genützten Weidegründen dürfte jede Sippe
– nach ihrem Viehstand berechnet – genau
festgesetzte Weiderechte besessen haben.
Neu gewonnenes Ackerland, das solche
Rechte einschränkte, dürfte dementspre-
chend anteilmäßig jeder Sippe zugeteilt
worden sein.
Ein solcher Verteilerschlüssel konnte
dann in fast allen Bereichen von Rechten
und Pflichten der einzelnen Sippe, ge-
genüber der Gemeinschaft, Anwendung
finden.
Dazu eignete es sich wohl, die neuen
Ackerflächen in Quadrate zu gliedern, die
weiter in Halb- und Viertelteile aufgelöst
werden konnten, indem man sie (bildlich)
diagonal teilte und diese Halb- und Vier-
telteile durch Beizeichen voneinander un-
terschied.
Die Kerbzeichen von der Kelchalpe
bei Kitzbühel
Auf solch einfacher Grundlage könnten
auch jene Kerbzeichen beruhen, die Dr. R.
Pittioni auf der Kelchalpe bei Kitzbühel
fand
6
. Er schätzte das Alter dieses Fundes
auf ca. 3.000 Jahre. Pittioni führt einige
dieser urnenfelderzeitlichen Kerbzeichen an,
und schreibt dazu, „… daß diese Zeichen
aufgrund ihrer Form als die einfachsten
und damit wohl auch relativ sowie absolut
als die ältesten Marche angesprochen wer-
den dürfen …“
Pittioni sammelte im Gasteinertal 300
Hausmarken und stellte dabei verschiedene
Übereinstimmungen mit obigen urnenfel-
derzeitlichen Marken von der Kelch-
alpe fest und meint dazu: „… wenn es auch
richtig ist, daß diese mit Messer oder Beil
ins Holz geschnitzten Kerbformen nicht nur
bei uns, sondern weltweite Verbreitung be-
sitzen, so wird man einen Zusammenhang
dieser Zeichen, deren Vorkommen ca.
3.000 Jahre voneinander abliegen, nur
schwer in Abrede stellen können. Hingegen
müßte durch urkundliche Belege noch der
Nachweis versucht werden, wie weit diese
alten Formen (siehe oben) durch Kombi-
nationsergänzungen und Änderungen
auf besitzgeschichtliche Zusammenhänge
zurückgeführt werden dürfen…“.
Wohl auf diese Anregung Dr. Pittionis
sind in den Osttiroler Heimatblättern v. J.
1952 Nr. 11 und 12 und v. J. 1953 Nr. 1
bis 7 von Josef Kröll „Die Hausmarken
des Gerichtes Matrei aus dem Jahre 1804“
veröffentlicht worden. Es sind insgesamt
275 Marche aufgezeichnet. Auch aus an-
deren Gemeinden Nordtirols und aus
Nachbarländern sind Holzmarchver-
zeichnisse, teils noch viel älteren Datums,
bekannt
7
.
Emma Totschnig
(2)
Die alten Holz- und Hausmarche
in Osttirol