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Nummer 2 — 62. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Marche aus anderer Zeit
und anderem Bildverständnis
Ein besonderes March führen die geteil-
ten Pachergüter
Nr. 8 und 9,
die am Fuß
des Berges, nahe am Seebachl liegen.
Der Ursprung ihres Marches könnte auf
die bildhafte Darstellung ihrer Lage
zurückgehen 11 oder auch eine schon sehr
früh vollzogene Teilung des Gutes anzei-
gen, da ein ent-zwei gebrochener Stab mit
den Zeichen – – oder als „zwei Teile“
oder „zweigeteilt“ aufgefaßt wurde
12
. Die
Verdoppelung dieses Zeichens = = stellte
dazu nicht eine Vergrößerung des Gutes,
sondern eine „Vierteilung“ dar.
Auch in diesem Fall führte der Stamm-
hof Nr. 8 das ältere und einfachere Zei-
chen, dagegen fügte der Hof Nr. 9 (der ab-
getrennte 1/4 Teil) dem Symbol des
Stammhofes lediglich einen Halbstrich
hinzu . Wenn auch bei anderen ähnli-
chen Marchen unseres Bezirkes die
Halbstriche in senkrechter Lage (anstatt
waagrecht) dargestellt sind, so hatte dies
darin seine Begründung, daß die Kerben
quer zur Holzfaserung besser sichtbar ge-
macht werden konnten.
Ungewöhnlich ist das March der
Güter
Nr. 11 und Nr. 44
: das Hüttin-
gergütl Nr. 11 – an Stelle des ehemaligen
Schmelzwerkes errichtet – könnte sein
March noch von dem zu Barren gegosse-
nen Erz hergeleitet haben: das Gütl Nr. 44
– es wurde in den Ängern, nahe an der
Wiere ganz neu aufgebaut – lag früher
ganz nahe am Hüttingergütl und dürfte
einst mit diesem in Zusammenhang ge-
standen sein. Das March dieser beiden Gü-
ter kann auch eine ganz andere Bedeutung
gehabt haben: nach ältestem Bildver-
ständnis wurde dieses Zeichen als „Um-
friedung“ aufgefaßt.
Das gleiche Symbol (von den unter-
schiedlichen „Beizeichen“ abgesehen)
führt ebenso der Wirt zu Leisach, namens
Gutternig. Dieser Name ist um 1380 als
„Godanik“ überliefert
13
und kommt vom
altslawischen Wort „kotar“ her, in der Be-
deutung „Einfriedung“, „Bezirk“
14
. So-
wohl der Schmelzofen, als auch die zu-
gehörigen Gebäude, könnten innerhalb ei-
ner solchen Einfriedung gelegen haben.
In beiden Fällen dürfte das March von
der Existenz des einstigen Schmelzwerkes
hergeleitet worden sein.
Auch das March des
Gutes Nr. 40,
Lu-
ner oder Klamperer, läßt sich noch aus ei-
ner alten Bildsprache erklären, die von ei-
nem geraden Strich (oder Pfahl) in der Be-
deutung einer Einheit oder eines
ungeteilten Größenmaßes ausging.
Ein am oberen oder am unteren Ende
gespaltener oder gegabelter Pfahl galt
dementsprechend als Zeichen der Zwei-
teilung dieses Einheitsmaßes. Man nannte
dieses Zeichen auch „Gabelkreuz“ .
Ähnlich versteht man das Wort „Weg-
gabelung“ als Teilung eines Weges und
Fortsetzung desselben in zwei verschiede-
ne Richtungen.
Auch der Audruck „zwiespältig“ ver-
mittelt noch diesen Sinn. Dieses March ist
hier teils in andere Richtung gedreht, teils
ist die Gabelung flächig ausgeüllt. Aus der
Besitzgeschichte des Hofes ist ersichtlich,
daß im Jahre 1385 ein Heinrich, der Obley
zu Tristach und Lantpot zu Lienz, von sei-
nem Besitz zwei größere Äcker und eine
Bergwiese der St. Laurenzikirche zu Tri-
stach übergab. Ob das March auf diese
Teilung des Lunergutes zurückgeht,
bleibt offen.
Die Marche des Kreithofes, Nr. 1 und
der Wutzgüter, Nr. 4 1/2 - 5, dürften noch
aus der Zeit stammen, als diese Güter tau-
ferisches Eigentum waren. Um 1216 über-
gab Euphemia von Villalta aus Friaul von
diesem tauferischen Witwengut „drei
mansen“ zu Tristach ihrem Schwiegersohn
Otto, dem Burggrafen zu Lienz.
Das Kreit, das etwa 50 mader Wiese
umfaßte, blieb mit den Wutzhöfen wirt-
schaftlich verbunden und diente ihnen als
Alpe.
15
Aus diesem Zusammenhang ist es er-
klärlich, daß sowohl das spätere Kreitgut,
als auch die teils zweigeteilten, teils drei-
geteilten Wutzgüter (der Besitzer des Un-
terwutzgutes kaufte das für einige Jahre
abgetrennte „Wutzer-Reiter-Gut“ wieder
zurück) das gleiche Hauptmarch verwen-
deten. Die Höfe unterschieden sich durch
entsprechende Anzahl von „Beizeichen“,
durch Drehung des Hauptzeichens und
letztlich durch Vereinfachung des Grund-
marsches
Zur Deutung dieses wutzischen Marches
gibt Karl Menninger
16
den Hinweis, daß
man (in ihm unerklärlicher Weise) noch
im 12. Jahrhundert für die Zahl 3 die
Form gebraucht habe. Er zeigt diese
Form für die Zahl 3 auf einer Einmaleins-
Tafel aus dem Jahre 1143. Für die Wutz-
güter – die „drei mansen“ vom Jahre 1216
– wäre diese Erklärung ihres Marches
durchaus denkbar. Auch hier wird die
Schrägstellung des Zeichens bzw. die Dre-
hung desselben um 45 und 225 Grad – ge-
gen die Richtung der Holzfaserung – der
besseren Lesbarkeit gedient haben. (Das
gleiche March führen z. T. auch die Güter
15, 32, 34, 41). Die wutzischen Hofmarche
haben mit den Siegelbildern der Edlen von
Taufers keine Ähnlichkeit. Die tauferi-
schen Siegel zeigen auf einem färbig ge-
bänderten Dreieckschild teils 8, teils 7,
teils 13 dunkle, unregelmäßige, auf die
Spitze gestellte Quadrate
17
, die vermutlich
die Zahl oder den Umfang ihrer Besitzun-
gen, beziehungsweise ihrer Machtbereiche
ausdrücken sollten.
Emma Totschnig
(3)
Die alten Holz- und Hausmarche
in Osttirol
Der Kreithof in der Gemeinde Tristach in einer Aufnahme vom 14. August 1905.
Unbekannter Fotograf (Archiv M. Pizzinini)