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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 4 — 62. Jahrgang
Der rührige Altbauer Johann Kofler vul-
go Ochswieser hatte im Jahre 1925 auf sei-
nem Grund oberhalb des Hofes (Haus
Nummer 53) zwecks Wassersuche für den
Betrieb einer Turbine einen 30 Meter lan-
gen Stollen eingetrieben. In der Nacht
nach dem letzten Sprengschuß traten er-
hebliche Wassermengen aus, die jedoch
nach drei Tagen wieder versiegten.
Daraufhin wurde der Vortrieb eingestellt.
Nach Entfernen des Schuttes am Feldort
trat wieder Wasser aus. Nun wurde dort
ein kleiner Staudamm betoniert und eine
Rohrleitung zur Turbine gelegt. Wegen
Verrostung der Rohre und löcheriger Kor-
rosion der Turbinenschaufeln mußte der
Betrieb bald eingestellt werden. Auch
Kleidungsstücke wurden zerfressen. Das
Wasser war offensichtlich aggressiv.
Um das nach Tinte schmeckende Was-
ser wenigstens als Trink- und Brauchwas-
ser verwenden zu können, sandte Herr
Kofler 1928 eine Probe an die Allgemeine
Untersuchungsanstalt für Lebensmittel in
Innsbruck. Dort wurde ein mittelweiches
Wasser mit Eisen- und Mangangehalt,
reich an Sulfaten, aber ohne bedenkliche
Verunreinigungen festgestellt. Wegen
des Eisens und besonders wegen des Man-
gans wurde von der Verwendung des Was-
sers für Trinkzwecke abgeraten.
Am Boden des Gerinnes lagerte sich ein
rostbrauner Schlamm ab. Der damals in
Lienz tätige Dr. med. Ägid Ravelli dachte
an eine Verwendung der Quelle für
Heilzwecke und legte den Befund aus dem
Jahre 1928 dem Grazer Universitätspro-
fessor Dr. Heinrich di Gaspero vor. Dieser
bezeichnete die Quelle 1948 als echte
Heilquelle, die für Bäder, Packungen und
Duschen verwendet werden sollte.
Dr. Ravelli wandte sich schließlich noch
im Jahre 1949 wegen einer balneologi-
schen (bäderkundlichen) Beurteilung an
den Bäderspezialisten Universitätsprofes-
sor Dr. med. Ferdinand Scheminzky in
Innsbruck. Am 12. Juli 1951 kam es dann
zur Ortsbesichtigung, an der auch der Ver-
fasser teilnahm. Das Mundloch des Stol-
lens war verbrochen und dadurch um drei
Meter in das Innere verlagert. Der 0,80
Meter breite und 1,80 Meter hohe Stollen
führte ursprünglich, wie erwähnt, 30 Me-
ter in nordöstlicher Richtung bergein. Er
ist in grauen, an hellem Glimmer reichen
Phylloniten vorgetrieben, die zusammen
mit Quarziten, Graphitschiefer und den un-
terhalb des Hofes aufgeschlossenen grü-
nen Gesteinen der sogenannten Thurntaler
Quarzphyllitzone angehören. Die ent-
nommenen Gesteinsproben zeigten teils
auf den Schieferungsflächen, teils auf
Klüften braunen Eisenbelag. Der Eisenge-
halt des Gesteins und des Stollenwassers
ist auf das reichliche Vorkommen von
Schwefelkies (Pyrit) in diesem Gebiet
zurückzuführen. Rund einen Kilometer
nordwestlich lag am Ostufer des Villgra-
tenbaches der damals noch betriebene
Schwefelkiesbergbau Panzendorf. Außer
Schwefelkies wurden hier, zum Teil fein
verteilt, auch andere Kiese, beispielsweise
Arsenkies nachgewiesen. Der Arsen-Ge-
halt des Wassers und des abgeschiedenen
Schlammes rührt davon her.
Obwohl der Stollen durch Fels führt,
mußte er verzimmert werden. Das Holz
war 1951 schon sehr morsch. Die Überla-
gerung des Stollens ist gering. Sie beträgt
nur wenige Meter. Oberhalb befand sich
eine feuchte, zum Teil sumpfige Wiese.
Das Wasser trat im oberen Teil der Stol-
lenbrust aus. Von der Firste (Decke) kam
Tropfwasser hinzu, so daß die Gesamt-
menge beim Auslaufen in das Freie sechs
Liter in der Minute betragen haben dürfte.
Die Stollensohle war mit Schlamm aus
Eisenocker bedeckt. Aber auch die Firste
und die Ulme (Wände) waren reichlich mit
sinterartigem Eisenocker überzogen, der
allerlei Formen (Knöpfchen, Rillen, Vor-
hänge und Zapfen) bildete.
Die Temperatur des Wassers am Ur-
sprung betrug 8,4°C. Nach der in Inns-
bruck durch den Chemiker Ingenieur Er-
win Komma durchgeführten Analyse
handelt es sich um eine einfache kalte
Quelle, in der einschließlich des freien
Kohlendioxids nur 228 Milligramm im
Kilogramm an gelösten Stoffen enthalten
sind. Nur Magnesium, Kalzium, Hydro-
genkarbonat und Sulfat sind stärker ver-
treten. Das Eisen kommt nur mit sechs
Milligramm im Kilogramm vor, so daß
man nicht von einer Eisenquelle sprechen
kann. Der Mindestwert für eine solche liegt
nämlich bei zehn Milligramm. Die Radio-
aktivität des Wassers ist bedeutungslos.
Nach der chemischen Untersuchung
handelt es sich um eine kalte akratische
Magnesium-Kalzium-Hydrogenkarbonat-
Sulfat-Quelle, der auf Grund der heutigen
Erkenntnisse keine besonderen Heilwir-
kungen zugeschrieben werden können.
Die rotbraunen Ablagerungen aus Eisen-
ocker enthalten Beimengungen von Ge-
steinspartikelchen
(Quarzkörnchen,
Glimmerschüppchen), die teilweise
durch Eisenhäutchen zusammengehalten
werden. Vereinzelt sind auch Erzkörner zu
sehen. Weiters wurden stark vererzte Ei-
senbakterien festgestellt. Im Eisen-
schlamm wurde auch Arsen nachgewiesen
und zwar im naturfeuchten Zustand 140
Milligramm, im trockenen Zustand 1.330
Milligramm im Kilogramm. Obwohl Ei-
senocker-Schlamm anderswo als Badezu-
satz verwendet wird, kommt das hier nicht
in Betracht, weil der Vorrat und die dau-
ernde Neubildung zu gering sind, um eine
praktische Verwendung zu ermöglichen.
Georg Mutschlechner
Eine „Eisenquelle“ in Panzendorf
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer: Hofrat
Dir. Mag. Dr. Alois Kofler, A-9900 Lienz, Meraner-
straße 3. – Prof. Univ.-Doz. Dr. Georg Mutsch-
lechner, A-6020 Innsbruck, Innrain 30a.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“
sind einzusenden an die Redaktion des „Ost-
tiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini, A-6176
Völs, Albertistraße 2a.
Blick auf Schloß Heinfels, um 1900. Rechts hinter der Burg ist deutlich der Ochswieser-
hof mit Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu erkennen. Er liegt am Weg nach Tessenberg.
Johann Kofler (1896 bis 1968), Ochswie-
serbauer in Panzendorf, in einer Aufnah-
me von 1960.
(Archiv Alois Kofler)