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Es sei vorweggenommen, daß Josef
Troyer ein bescheidenes Leben führte und
führt und wenig von sich reden macht. Er
war ein fleißig Schaffender und er blieb es
bis ins hohe Alter. Der Künstler, der am
24. Juli 1909 in der Fraktion Wallhorn der
Gemeinde Prägraten geboren wurde,
wuchs auf dem Nerggerhof auf und wurde
von der Welt der Dreitausender geprägt.
Nicht ohne Stolz, aber mit besonderer
Freude, erzählt Troyer, daß er den Groß-
venediger mehr als einhundert Mal bestie-
gen hat, den Großglockner mehr als fünf-
zig Mal und daß er auch das Matterhorn
bezwang.
Die Fundamente für Troyers Schaffen
liegen in dem im Elternhaus erfahrenen
christlichen Glauben und in der starken
Verbundenheit mit den Bergen seiner Hei-
mat. Schon in der Volksschule fiel Troyer
durch originelle Schnitzereien auf, für die
eine genaue Beobachtung von Mensch und
Tier Voraussetzungen war. Hernach be-
suchte er die Landesschnitzschule in St.
Jakob, die von Bruno Costa geleitet wurde,
und es kommt ihm heute noch selbstver-
ständlich vor, dazu acht Stunden über die
südliche Bergkette des Iseltales ins
Defereggen gegangen zu sein. Er zeichne-
te nach der Natur und erfaßte in Bleifstift-
und Federskizzen die damals sehr be-
scheidenen Lebensbedingungen der Ostti-
roler. Seine betont handwerkliche Kunst
nahm in dieser ersten Lehrzeit den Aus-
gang vom Schnitzen.
Bereits mit 18 Jahren erhielt Troyer sei-
nen ersten Auftrag: Dr. Friedrich Funder
aus Wien ließ ihn ein Kruzifix für das
Herold-Verlagshaus schnitzen. Erst im ver-
gangenen Herbst konnte sich der Künstler
in Wien bei der Eröffnung des Neubaues
dieses Hauses von einem würdigen Platz
für das überlebensgroße Kreuz, in dessen
Korpus noch eine übersteigerte Anatomie
auffällt, überzeugen. Mit diesem Werk be-
gann der künstlerische Weg des ambitio-
nierten Osttirolers in Wien, der dazu mein-
te: „Es war eine einschneidende Verände-
rung in meinem Leben, von dem stillen
Nummer 7/1994
62. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLATTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Elfriede Bernhauer
Professor Josef Troyer
Dem großen Tiroler Künstler zum 85. Geburtstag
Abb. 1: Bergsommer in Prägraten. Im Vordergrund Disteln, die der Künstler als
charakteristische Motive in mehrere seiner Werke einsetzte und auch in Stein arbeite-
te. Gezeigt ist bäuerliche Arbeit vor dem Hintergrund der Osttiroler Bergwelt.
(Alle Aufnahmen stammen aus dem Archiv des Künstlers.)