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(Schlauchpilz) unbekannt. Warum reagiert
der Baum auf den Befall mit Pilzsporen
ausgerechnet in einer meist arttypischen
Deformation in bestimmten Organberei-
chen? Neben Hexenbesen bei Birken, ver-
ursachen Pilze dieser primitiven Gruppe
auch andere Mißbildungen: an Zwetsch-
kenbäumen die sogenannten
Narrenta-
schen
als stark deformierte Früchte, an den
Blättern des Pfirsichbaumes die
Kräusel-
krankheit
(Taphrina deformans). Eine be-
sonders schöne Bildung an den Frucht-
zapfen der Grauerle (Alnus incana) konn-
te ich vor Jahren am Schloßberg finden,
verursacht durch Taphrina amentorum
(Abb. 5). Die eigenartigen Auswüchse fal-
len auch im Gelände durch teilweise Rot-
färbung auf. Ähnliche Formen werden
auch für Schwarzpappel und Zitterpappel
angegeben. Man sollte doch genauer hin-
schauen!
Wirtschaftliche Bedeutung haben die
Hexenbesen nicht, sie sind zu selten, der
Baum ist kaum gestört, daher wachsen die
Besen mit den Bäumen auch jahrzehnte-
lang weiter. Nur an Zweigpartien kann ge-
legentlich die Wasserzuführung unterbro-
chen werden, dann sterben Einzelbereiche
ab, vielfach aber auch der Hexenbesen sel-
ber. Beim Kirschbaum kann die Blüten-
bildung und damit die Fruchtfolge ver-
hindert werden. Der Tannen-Hexenbesen
kann im späteren Stadium zu krebsartigen
Stammdeformationen führen. Sehr viel
häufiger zu beobachten sind solche
Stammwucherungen mit oft beachtlicher
Größe, deren Verursacher dann aber das
Bacterium tumaefaciens ist, (krebserzeu-
gendes Bakterium).
Die Ausführungen sollten einmal mehr
darauf hinweisen, daß der Gang durch die
Natur mit offenen Augen viele Auffällig-
keiten, Besonderheiten und eben auch
Raritäten ersichtlich machen kann. Wir
wissen zwar viel, aber noch lange nicht
alles, das ist gut. Weitere Mitteilungen zu
diesem Thema und anderen Themen sind
immer willkommen!
Literatur (Auswahl):
BUHR, H. (1964/1965): Bestimmungstabellen der Gal-
len (Zoo- und Phytocecidien) an Pflanzen Mittel-
und Nordeuropas. – Verl. G. Fischer, Jena: Bd. I.:
1 – 811, Bd. II.: 812 – 1479, 25 Taf.
BUTIN, H. (1983): Krankheiten der Wald- und Park-
bäume. – Verl. Thieme, Stuttgart, pp. 1 – 172, 100
Abb.
BUTIN, H. & H. ZYCHA (1973): Forstpathologie, für
Studium und Praxis. – Verl. Thieme, Stuttgart, pp.
1 – 177, 70 Abb., 13 Tab.
ESSER, K. (1976): Kryptogamen (Blaualgen, Algen,
Pilze, Flechten). – Verl. Springer, Ber-
lin/Heidelberg/New York. – pp. 1 – 572, 304 Abb.
HARTMANN, G., F. NIENHAUS, H. BUTIN (1988):
Farbatlas der Waldschäden, Diagnose von Wald-
schäden. – Verl. E. Ulmer, pp. 1 – 256, 418 Abb.
KOFLER, A. (1988): Naturkundliche Raritäten aus
Osttirol: „Zapfensucht“ an Fichte in Kartitsch. –
Ostt. Bote v. 18. Feber 1977, Nr. 7, p. 57, 3 Abb.
MIGULA, W. (1917): Die Brand- und Rostpilze. –
Handb. prakt. naturw. Arb. Bd. XIII.: 1 – 132, 8
Taf.
NAPP-ZINN, K. (1959): Mißbildungen im Pflanzen-
reich – Kosmos-Bibliothek Bd. 222. pp. 1 – 79, 35
Abb., Stuttgart.
POELT, J. (1985): Uredinales, -in: Catalogus Florae
Austriae III. Teil, Heft 1: 1 – 192.
WARTENBERG, A. (19/9): Systematik der niederen
Pflanzen (Bakterien, Algen, Pilze, Flechten). – 2.
Aufl., Verl. Thieme Stuttgart, pp. 1 – 404, 245
Abb.
Nummer 9/10 — 62. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Abb. 4: Föhren-Hexenbesen, Zeichnung in BUTIN u. ZYCHA 1973, Abb. 68, p. 164 und
BUTIN 1983 Abb. 97. p. 151.
Über Nestformen der staatenbildenden
Wespen (einschließlich der größten Art,
der Hornisse, Vespa crabro) wird öfters
geschrieben und viele Meldungen treffen
ein, wenn sich die Insekten im Woh-
nungsbereich einnisten. Vereinzelt werden
sie dann wirklich lästig und auch aggres-
siv.
Nach langjährigen Beobachtungen sind
sogenannte „Wespenjahre“ kaum nach-
weisbar, zumindest statistisch nie ausge-
zählt worden. Gedächtnisleistungen und
Erinnerungsvermögen reichen nicht aus,
um konkrete Beziehungen zwischen
Raum, Zeit, Klima etc. nachzuweisen.
Sicherlich ist falsch, daß die Wespenzahl
im Herbst auf einen bevorstehenden
strengen oder milden Winter Hinweise ge-
ben kann. Umgekehrt ist besser bekannt,
daß ein besonders trocken-warmer Früh-
ling die Entwicklung der nässeempfindli-
chen Maden in den Waben fördert und da-
her die Stückzahl der Tiere in den Einzel-
nestern hoch ansteigt, daher auch die
spätere Ausbildung der Geschlechtstiere
und der einzig überwinternden Weibchen.
Über besonders große Nester dieser Art
(bis 150 cm Länge und 40 cm Dicke) fin-
det man in der Literatur mehrfache Hin-
weise; häufig in Zusammenhang damit
werden auch Beobachtungen beigefügt,
daß im Inneren der Großnester einzelne
oder auch mehrere Filialnester auftreten
können. In unseren gemäßigten Klimaten
geht das Volk den Winter über komplett
zugrunde und wird auch im nächsten nicht
wieder bezogen: Die Weibchen beginnen
in angeborener Verhaltensweise wieder
mit dem Bau eines ganz neuen Nestes.
Der vorliegende Bericht bezieht sich auf
ein Doppelnest: es konnten dazu keinerlei
Vergleichsfälle in der Fachliteratur gefun-
den werden und auch der Systematiker
und Spezialist dieser Hautflüglergruppe
(HR. Dr. J. Gusenleitner, Linz) kennt kei-
nen solchen Fall von Nestbau.
Im Hochsommer 1992 erfolgte ein Anruf
des Hausmeisters Josef Klaunzer,
Mühlangergasse 7 in Lienz, daß im Dach-
boden ein großes Wespennest bestehe und
Alois Kofler – Naturkundliche Raritäten aus Osttirol:
Doppelnest der Deutschen Wespe
(Paravespula germanica)
Schema und Lagebeziehungen der beiden
Teilnester.
Zeichnung und Fotos: Alois Kofler