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Nummer 3 — 63. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Die Besitzerabfolge
des Wiesentheinerhauses im 17. Jhdt.
und im 18. Jhdt. und die Ausübung
bestimmter Handwerke
Dank einer genauen Aufzeichnung von
Josef Oberforcher kann die Besitzerabfol-
ge des Wiesentheinerhauses rekonstruiert
werden.
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Ausgang der Aufzeichnungen von Josef
Oberforcher ist der Stadtbrand im Jahre
1609, dem auch das Wiesentheinerhaus,
damals „Röschenhaus“ genannt, zum Op-
fer fiel.
Dieser Bericht ist neben den archäolo-
gischen Funden auch ein schriftliches
Zeugnis für die Ausübung bestimmter
Handwerke im besagten Haus.
Die Besitzerabfolge hat ihren Anfang im
Jahre 1610. Am 17. März dieses Jahres
wurde das Haus an einen gewissen Melchi-
or Leiß, Schlosser und Inwohner, verkauft.
Bis zum Jahre 1618 blieb das Wiesen-
theinerhaus im Besitz des Melchior Leiß.
In diesem Jahr wird das Haus dem Hans
Posslan, einem Messinghandelsverweser,
verkauft. Der Beruf ist insofern von Inter-
esse, weil der Standort der Behausung des
Verwesers etwas ungewöhnlich ist. An
und für sich waren in der Messinggasse ei-
gens Wohnungen für die Verwalter und
Handelsverweser errichtet worden. Des-
halb überrascht es, daß letzterer dieses
Haus am Hauptplatz kaufte. Der Grund
dafür könnte der Fronkasten am Haupt-
platz gewesen sein. Dieser diente der
Sammlung des Fronerzes, die von Kaiser
Maximilian befohlen worden war.
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Wahrscheinlich hatte der Messinghan-
delsverweser Posslan leitende Aufgaben
im Zusammenhang mit dem Fronerz zu er-
ledigen, sodaß ein Hauswechsel unum-
gänglich war.
Am 23. März des Jahres 1639 wechselte
das Wiesentheinerhaus erneut seinen Be-
sitzer. Der Schlosser Christof Heinricher
kaufte um 250 fl. – erstaunlich ist, daß der
Preis seit dem letzten Verkauf an den Han-
delsverweser um über 100 fl. gestiegen ist
– das Anwesen und zwei Gärten.
Aber schon wenige Jahre später, am 6.
Mai 1643, verkaufte er es wieder. Der
neue Bewohner war ein gewisser Peter
Wieser, von Beruf Feldwebel.
Das Datum der Übernahme des Hauses
durch den Kessler Lorenz Messner ist
nicht genau überliefert, doch muß es noch
vor 1664 gewesen sein. In diesem Jahr
wird Messner schon als Besitzer angeführt.
Lorenz Messner und seine Kinder blie-
ben für 20 Jahre im Besitz des Wiesen-
theinerhauses. Im Jahre 1684 wurde es
dann an den Schlosser und Inwohner
Jakob Idl, der dafür ein halbes Haus in der
Schweizergasse und 60 fl. gab, abgetreten.
Der Tod des Schlossers Idl dürfte im
Jahre 1686 seine Kinder gezwungen ha-
ben, den Besitz wieder zu verkaufen. Neu-
er Inhaber wurde der Bürger und Kessler
Wolfgang Unterweger.
Am 4. Februar 1700 verkaufte dieser das
Wiesentheinerhaus weiter an den Bürger
und Kürschner Bartlmä Grebitschitscher
und dessen Frau Johanna v. Graben.
Bis zum Jahre 1760 war die Familie
Grebitschitscher im Besitz des Anwesens
am Hauptplatz Nr. 4. Am 24. Jänner dieses
Jahres wurde das Haus dann an einen ge-
wissen Michael Wallner verkauft. Dieser
war von Beruf Ballenaufleger. Für ihn
dürfte die Lage des Hauses deshalb nicht
ungünstig gewesen sein, weil im Jahre
1768 ein neues Ball-Waaghaus am
Hauptplatz, dem Wiesentheinerhaus fast
gegen-über, errichtet wurde. Dieses Ball-
Waaghaus hatte den Zweck, die Transit-
güter von fremden Kaufleuten aufzuneh-
men, und war auf Grund des ständig wach-
senden Handels unerläßlich geworden.
Der letzte Besitzerwechsel im 18. Jahr-
hundert, der in dem vorliegenden Bericht
von Josef Oberforcher erfaßt ist, erfolgte
im Jahre 1786. Michael Wallner ver-
schrieb seinem Schwiegersohn Anton
Zeiner das Haus Nr. 4 am Hauptplatz.
Auch dieser war Inwohner der Stadt und
übte den Beruf des Ballenauflegers aus.
Dank dieser sehr genauen Aufzeichnun-
gen von Josef Oberforcher ist es möglich,
in begrenztem Maße auch eine Aussage
über die sozialen Verhältnisse der Haus-
bewohner zu treffen.
In begrenztem Maße deshalb, weil man
nicht immer von der Art des Berufes auf
die Stellung in der Gesellschaft schließen
kann. Im Falle des Wiesentheinerhauses
kann man jedoch mit Sicherheit behaup-
ten, daß die Inhaber nicht unbedingt zur
untersten Schicht des Bürgertums zu
zählen waren. Die Ausübung des Schlos-
ser- und des Kesslerhandwerkes weist auf
ein Leben in mittleren Verhältnissen hin.
Diese Bewohner dürften weder allzu reich
noch arm gewesen sein. Das Einkommen
dürfte für ein nicht gerade luxuriöses, aber
dennoch annehmbares Leben der Familie
gereicht haben.
Die letzte große Umbauphase
des Wiesentheinerhauses kurz
nach dem Jahre 1871
Von dieser Umbauphase kann man sich
auf Grund eines vorhandenen Bauaktes (s.
Abb. 5) eine ziemlich gute Vorstellung
machen, besonders vom Einbau einer
Schlosserwerkstätte im Kernbau des
Wiesentheinerhauses. Im Grundriß sind ei-
nige Werkzeuge und Hilfsmittel, wie ein
Blasebalg, eine Schmiede und eine Esse
erkennbar. Die Errichtung des Arbeitsrau-
mes war für den Schlosser Anton Idl
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nach dem Erwerb des Hauses zu eben die-
ser Zeit notwendig.
Ebenso wurde im Rahmen dieses Um-
baus auch der Abtritt verlegt. Dieser be-
fand sich von nun an der Nordwand des
Raumes 4. Statt des Futterhauses wurden
Zimmer errichtet und das zweite Oberge-
schoß mit dem unteren Teil durch einen
Stiegenaufgang verbunden.
Abgesehen von einer Neufassadierung
der Südwand war dies die letzte bauliche
Veränderung am Wiesentheinerhaus.
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Von den letzten Besitzern
des Wiesentheinerhauses bis zu
dessen Abbruch im November 1992
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist
die Besitzerabfolge des Wiesentheiner-
hauses durch den Auszug aus den Ober-
forcher Regesten wieder etwas genauer be-
kannt.
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Bis dahin ist nur einmal die Rede
von einem Weber Widmayr.
Im Jahre 1864 war dann ein gewisser
Johann Fischnaller, der den Beruf des
Abb. 6: Rückseite der nördlichen Häuserzeile des Lienzer Hauptplatzes. Der Turm des St.
Antonius-Kirchleins überragt ein wenig das alte sogenannte Görzer-Haus, heute Pernusch,
daneben ist die Rückseite des Wiesentheiner-Hauses (Hauptplatz Nr. 4) zu erkennen. Blei-
stiftzeichnung von Johann Hauer, 1879 (Privatbesitz).
Foto: Meinrad Pizzinini
Matthias Brugger
(2)
Die Entwicklung des Wiesentheiner-
Hauses am Lienzer Hauptplatz