Seite 1 - H_1996_04

Basic HTML-Version

Nummer 4/1996
64. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLATTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Erste Besiedlung
Aus Innichner Urkunden sind
wir ziemlich genau orientiert
über die erste Besiedlung im
hintersten Hochtal von Villgra-
ten. Um 1140 bekleidete Konrad
das Amt des Dekans von
Innichen. Ihm unterstanden da-
mals noch sechs Benediktiner
Mönche. Es war die Zeit des
Niedergangs des Benediktiner-
stiftes und Umwandlung in ein
Kollegiatstift, denn in einer Ur-
kunde vom Jahre 1144 wird be-
reits die Umwandlung als voll-
zogen berichtet.
Trotz dieser „Krise“ in der
Abtei war sich Dekan Konrad
immer noch der Sendung aus
der Stiftungsurkunde Herzog
Tassilos vom Jahre 769 bewußt,
in der es hieß, „das ungläubige
Volk der Slawen auf den Weg
der Wahrheit zu führen und als
Pflegestätte der Kultur, Bauern
aus dem bajowarischen Mutter-
land anzuwerben und durch sie
die unbewohnten Gebiete roden
und besiedeln zu lassen“.
Wenn damals auch das Klo-
ster nicht mehr die Kraft besaß,
dies im menschenleeren Vill-
gratental durchzuführen, so
wurde der Vogt des Klosters,
Graf Arnold von Morit-Grei-
fenstein, beauftragt, das Gebiet zwischen
Villgraten- und Winkeltalbach durch
Eigenleute des Vogtes (Leibeigene) zu
roden und zu besiedeln. Doch durfte der
Vogt die neue Siedlung nicht weiterver-
erben, sondern nach seinem Tod sollte die
Neusiedlung als Freistiftgüter samt Bauern
und Gerät an die Kirche des hl. Kandidus
(Innichen) zurückfallen (1164). Für das
Lehen mußte der Vogt jährlich 10 Yhren
Wein (etwa 700 Liter) dem Kloster zinsen.
Damals entstanden also die ersten Ur-
höfe in Innervillgraten. Die weitere Ur-
barmachung erfolgte dann durch das Stift
Innichen, durch den Bischof von Freising,
dem ja das Gebiet von Innichen gehörte,
und dann im 13. Jahrhundert durch die
Grafen von Görz. Damit standen die drei
wichtigsten Grundherrn fest, wie sie in der
Pustertaler Beschreibung vom Jahre 1545
aufscheinen: Stift Innichen, Stift Freising
bzw. der Bischof und die Grafen von Görz
bzw. ab 1500 die Herrschaft
Heinfels.
Alle Höfe waren Freistiftgü-
ter und die meisten davon
Schwaigen (nur Viehzucht und
Milchwirtschaft).
1
Kloster – Grundherrschaft
„Hier wird oft der Vorwurf
laut, eine kirchliche Institution
habe der Unfreiheit und der
Leibeigenschaft Vorschub ge-
leistet, indem sie sich nicht ge-
gen solche Systeme (Grund-
herrschaft, Freistiftrecht) zur
Wehr setzte.
Wie könnte sich aber ein ein-
zelnes Stift, das ebenfalls ein
Wirtschaftskörper war, aus ei-
nem solchen System herauslö-
sen? Begeht man hier nicht den
Fehler, Gegebenheiten unab-
hängig von ihrem historischen
Zusammenhang und einer be-
stehenden Ordnung zu beurtei-
len, um einer Einzelsituation
den Vorwurf der Unfreiheit ent-
gegenzuschleudern?
Ohne Grundherrschaft – heute
eine überhaupt nicht mehr denk-
bare Einrichtung – hätten damals
die Klöster außerhalb dieser
staatlichen und wirtschaftlichen
Einrichtung nicht bestehen und
überleben können.“
2
Urbare
Die ältesten Urbare des Stiftes Innichen,
vor allem das vom Jahre 1200, fielen
Bränden zum Opfer.
Das älteste erhaltene Stiftsurbar stammt
aus dem Jahre 1432 und ist mit roter Tinte
geschrieben und führt 25 Höfe in Inner-
villgraten an. In den Stiftsurbaren von In-
nichen werden natürlich nur Güter, bei de-
nen das Stift Grundherr war, angeführt.
In der Pustertaler Beschreibung vom
Erwin Kolbitsch
Die geteilten Urhöfe in Innervillgraten
im 17. Jahrhundert
Blick auf den Ortskern von Innervillgraten mit der Pfarrkirche
St. Martin.
Foto: Walter Mair, Lienz