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dehnen war, den Gemeindeleuten allen die-
se Freude bereiten. Auch die Kinder vergaß
man nicht, sondern bedachte sie im Schul-
hause mit Brot und Käse. Für Ohren-
schmaus sorgten Sänger und Musikanten,
die in und vor der Wirtsveranda wetteifernd
ihr bestes boten.
Die Glocken waren unter dem Komman-
do des Herrn Gaim hauptsächlich durch
Bemühung des Herrn Alois Mayr, Leisa-
cher Mar, in den Turm befördert worden.
Der Aufzug geschah vom Friedhofe aus,
wohin sie bei Mattl und Messner vorbeige-
zogen worden waren; da galten wirklich
Schillers Worte: Durch der Hände lange
Kette um die Wette fliegt der – Strick.
Um
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5 Uhr war die kleinste, die Verseh-
glocke im Turm. Als sich als letzte die Krie-
gerglocke vom Boden erhob, beseelte
Hochspannung die Hunderte von Helfern
und Gaffern. „Wo ist die Musik?“, hörte
man rufen. „Noch nicht, Ruhe!“ Das Kom-
mando kam von Meister Graßmayr. Ge-
spannte Stille kehrte ein. Erst als die Glocke
die Brüstung der Glockenstube erreicht hat-
te, löste sich der Bann, alles atmete auf.
„Jetzt spielts!“, rief Herr Graßmayr und
also geschah es mit größter Begeisterung.
Zum halbstündigen Probeläuten kam es erst
am Pfingstdienstag um 5 Uhr.
Niemand weiß, wie lange die Glocken im
Turme bleiben. Niemand weiß, auf welche
Weise sie wieder verschwinden. Werden sie
wie 1652 und 1809 Opfer von Feuersbrün-
sten oder wie 1917/18 Kriegsopfer?
Inzwischen wollen wir uns aber an ihrem
Singen und Klingen erbauen und ihre Leh-
ren und Mahnungen treu beherzigen.
Pfarrer Kugler konnte nicht ahnen, daß
seine Glocken schon 15 Jahre später einem
zweiten Weltkrieg geopfert werden sollten.
Zurück blieb wiederum nur das fast 300
Jahre alte Sterbeglöcklein, um den Leisa-
chern von Freud und Leid, vor allem vom
Leid das Krieges zu künden.
Literatur:
Kugler, Josef: Was wir von den Leisacher Glocken wissen
und nicht wissen, in: OHBl 1926 Nr. 7 bis 12.
anonym: Der Künster der Weihnacht. Meister Josef
Bachlechner zum Gedenken, in: OHBl 1951 Nr. 12
Die Aufnahmen stellten Altbürgermeister
Johann Oberwalder und Mag. Reinhold Haber-
nig zur Verfügung.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 7 — 64. Jahrgang
Der Verfasser, im Oberland noch vielen
bekannt, stellte den kleinen Beitrag zur Ver-
fügung, der auf Erinnerungen an seine
Jugendjahre in Maria Luggau beruht.
Wie war die Südtiroler Familie dorthin
gekommen? Nach vielen erlebten faschisti-
schen Schikanen hatte sie das geliebte
Vöran bei Meran am 1. Feber 1928 flucht-
artig verlassen. Maria Luggau hingegen be-
kam einen neuen Lehrer und zugleich einen
begabten Musiker.
Der Vater starb bereits im Mai 1935 im
46. Lebensjahr. Der Sohn Hermann be-
suchte die Lehrerbildungsanstalt in Inns-
bruck und mußte nach einem ersten „Geh-
versuch“ im Lehrberuf im Jahr 1939 für
fünfeinhalb Jahre Kriegsdienst leisten. Er
wirkte ab Oktober 1945 an der Volksschu-
le Kartitsch, ab Herbst 1963 an der Volks-
schule in Absam und ist seit 1981 als Lehrer
bzw. Schuldirektor im Ruhestand, arbeitet
aber seitdem in den Historischen Samm-
lungen des Tiroler Landesmuseums Ferdi-
nandeum (Zeughaus) mit.
M. P.
Die Bildunterschrift „Läuterbuben“ zu ei-
nem Foto erweckte in mir Erinnerungen. Ja,
das Läuten der Kirchenglocken gehörte für
Ministranten irgendwie zum Pflichtbe-
reich; freilich nur für den Alltagsbedarf, als
Hilfe bzw. Unterstützung des Mesners.
Doch die Grundbegriffe wurden eingeübt,
man konnte einigermaßen das regelmäßige
Ziehen und Einhalten der kleinen Glocken.
An Festtagen war dies Kleinvolk natürlich
nicht gefragt, da ertönte das Geläut nach
festgelegten Statuten. Der Turmmeister trat
in Erscheinung und die von ihm ausge-
wählten und ausgebildeten Helfer bzw.
Läuter. Geläutet wurde im Glockenhaus,
d. h., im Turm oben: Die beiden großen
Glocken mit gefangenem Klöppel in
Schwung gebracht, damit sie dann voll-
klingend erschallen konnten. Dieses Fangen
des Klöppels erforderte einige Geschick-
lichkeit, verlangte auch den nötigen Mut.
Notwendig war einmal ein eigenes Fang-
seil; das war ein enggeflochtener Leder-
strick, der, um den Unterteil des Klöppels
geschlungen, jeden Anschlag verhinderte.
Nun wurde in rhythmischen Zügen die
Glocke auf mindestens 10 (= Uhrzeiger!) in
Schwingung gebracht. Das Läuten vom
Turmhaus erfolgte grundsätzlich mit der
„Großen“ beginnend und zwar an hohen
Festtagen zuerst mit nur drei Anschlägen,
dann ein Böllerknall und erst nach weiteren
drei Klängen durfte die „Zweite“ einsetzen
und in gleicher Folge die übrigen. Das Fan-
gen war wirklich eine heikle Sache, es muß-
te im genau richtigen Moment der richtige
Griff getan sein. Fehlgriffe in dieser Hin-
sicht hatten zudem noch nachhaltige Folgen:
Die Zahl der Anschläge war durcheinander
gebracht, ein falscher Seilzug ließ den Klöp-
pel in die verkehrte Richtung schlagen, der
Klang war „faul“, heißt Schande, solches
Geschehen verlangte zudem Turmverweis.
Da wäre auch das Feierabendläuten vor
Festtagen um 12 oder 1 Uhr, je nach Grad
des Feiertages, zu erwähnen. Nach dem
12-Uhr-Läuten wurde „aufgeläutet“, d. h.,
beginnend mit der Kleinen aufwärts bis zur
Großen, die zuerst wiederum nur drei An-
schläge erklingen lassen durfte, folgend
Vollgeläute in der Reihe des Einsetzens von
groß und klein. Wer all diese Regeln oder
Statuten anordnete bzw. einführte, danach
fragte niemand, es war „immer“ so und so
sollte es bleiben. Dieses Bleiben hatte frei-
lich für so eingefleischte Glockennarren auf
einmal ein jähes Ende, als die Elektrizität
auch in die Kirchtürme einzuziehen begann.
So war bzw. ist es vorbei mit der Kunst des
Klöppelfangens, des „Hoch“-Läutens, den
Turmmeister gibt es nicht mehr; der Mesner
wird froh sein, nur mehr Knöpfe drücken zu
müssen oder auch das nicht mehr, wenn die
Elektronik diese Tätigkeit ausübt. Die ein-
stigen Statuten sind vergessen, nicht aber
die Freude am Turmläuten.
Hermann Lergetporer
Die Läuterbuben von Maria Luggau
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini. Für den
Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.
Anschriften der Autoren dieser Nummer: Anni Eich-
horner, A-9900 Leisach, Gries 18 – OSR VS-Direktor i. R.
Hermann Lergetporer, A-6067 Absam, Dörferstraße 56.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“ sind
einzusenden an die Redaktion des „Osttiroler Bote“ oder
an Dr. Meinrad Pizzinini, Albertistraße 2a, A-6176 Völs.
Blick auf den
mächtigen, in fünf Ge-
schoße unterteilten Turm
der Wallfahrtskirche
von Maria Luggau.
Das unterste Geschoß ist
mit „1520“ datiert,
während der
obere Abschluß in der
Barockzeit (1741)
seine heutige Form erhielt.
Der Turm bietet Platz
für ein eindrucksvolles
Geläute.
Aufnahme von 1970.
Foto: M. Pizzinini
Abnahme der Glocken 1941: Wieder
herrscht Trauer im Dorf.
Unbekannter Fotograf