Seite 2 - H_1996_09

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4. Forschungsziele
Alle Bestrebungen sind daraufhin ausge-
richtet, möglichst interdisziplinär vorzu-
gehen, d. h. im Streben nach einer „totalen
qualitativen und quantitativen“ Quellen-
erforschung. Dazu gehören bauhistorische
Untersuchungen
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genauso wie eine natur-
wissenschaftliche Erfassung zum Schlagda-
tum der verwendeten Holzbalken
11
. Auch
die Erfassung der vorhandenen Archiva-
lienbestände, die in Innsbruck und Lienz
lagern, ist bereits im Gange
12
.
Das Institut für Bauforschung der Uni-
versität Innsbruck führt im Rahmen eines
Praktikums die notwendigen Vermes-
sungsarbeiten für den Grundriß, die Fas-
saden, den Dachstuhl etc. durch. Die ge-
planten Maßnahmen beinhalten überdies
Fragestellungen zu Fenster- und Tür-
verschlüssen, Beheizung, biologischen
Wärmedämmstoffen etc.
Auch die im Eigenversuch erfahrenen
wohnpsychologischen
Komponenten
werden für die Dauer des Mietverhältnis-
ses penibel für eine spätere Auswertung
dokumentiert.
Erhellt werden sollen außerdem Zeichen
der Volksfrömmigkeit, wie kleine Holz-
kreuze an der Außenseite der Türe zur
Vorratskammer, Segenszeichen in Bal-
konbrüstungen, Weihungen in Kreide
nicht nur auf Türstürzen sondern auch auf
Stiegen, die wegen ihrer Steilheit eine be-
sondere Gefahrenquelle bildeten u.a.m.
5. Vorläufige Ergebnisse
Eine erste Begehung des Grundstückes
fand bereits im Jahre 1989 statt, die als
Lesefunde im westlichen Teil des Obst-
gartens hochmittelalterliche, offensichtlich
einheimische
lokalproduzierte
Ge-
brauchskeramik (A 1, 2) erbrachte. Das
Ausheben einer viereckigen Abfallgrube
1995 im nordwestlichen Teil des Gartens
ergab ebenso schwarze Irdenware des
Hochmittelalters (A 3, 4, 8). Vom selben
Fundort stammen Keramikfragmente (A 5,
6,) die nach dem bisherigen Kenntnisstand
der Spätantike bzw. dem Frühmittelalter
(4. bis 8. Jahrhundert n. Chr.)
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zugeordnet
werden können. Derselben Epoche gehört
auch ein beim Trockenlegen der westlichen
Wohnhauswand entdecktes Keramikfrag-
ment mit Kammstrich (A 7) an.
Bestimmte Formen der auf dem Grund-
stück geborgenen oxidierend gebrannten
glasierten Hafnerware könnten Produkte aus
der Hafnerei Zimmermann-Troger-Ganzer
in Lienz bei der Spitalsbrücke,
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sein.
Wir erhalten auf diese Weise Einblick in
das bäuerliche Verbrauchermilieu, wobei
eine Fülle von regionalgeschichtlich
wesentlichen Fragen noch einer Klärung
bedürfen. Interessant wäre u. a. die Er-
schließung einer Hausratsstatistik auf ei-
nem Bauernhof, der Anzahl und Typen
von keramischem und nichtkeramischem
Geschirr je Haushalt oder die Klärung der
Frage, wann die Ablösung keramischer
Kochgefäße durch solche aus Metall er-
folgt. In welchem Verhältnis stehen etwa
der Bezug von einheimischer traditioneller
Hafnerware zu Schwarzware aus Kärn-
ten
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, zu Bunzlauer Braungeschirr, das in
Osttirol vor allem zur Aufbewahrung von
Schmalz und Eiern
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bezeugt ist oder zum
Erwerb und Gebrauch von Steinzeug,
Fayence oder Porzellan.
An unterirdischen baulichen Strukturen
soll ein aus Steinplatten sorgfältig gemau-
erter östlich der Kramerischen Behausung
von Norden nach Süden führender,
eingedeckter Kanal (mittelalterlicher
Schmutzwasserlauf oder gar römische Ent-
wässerungstechnik?) angeführt werden,
der bei Grabungsarbeiten sowohl von
Herrn Johann Taxer, wie von seinem süd-
lich gelegenen Nachbarn Anton Girstmair
sen. beobachtet worden ist. Der sorgfältig
ausgeführte Bau hat eine lichte Weite von
ca. 50 x 40 cm und liegt ca. 80 cm unter
dem heutigen Niveau.
Im Jahre 1996 wurde in einer einwöchi-
gen Grabungskampagne
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der südlich des
Bauernhofes gelegene Kräutergarten ar-
chäologisch untersucht. Zwei Ziele stan-
den dabei im Vordergrund. Einerseits galt
es, ein Teilstück eines angestrebten Ge-
samtprofiles von der östlichen Grenze des
Grundstückes bis an sein westliches Ende
zu gewinnen, um ehemalige Gehhori-
zonte und Bebauungsebenen nachzuwei-
sen. Andererseits sind gerade in bäuer-
lichen Kräuter- und Gemüsegärten immer
wieder Abfälle mit datierenden Artefakten,
zumeist Keramik, entsorgt worden.
Die Grabungen ergaben im östlichen Drit-
tel des Suchschnittes einen nord-süd ver-
laufenden, trockengemauerten 30 cm breiten
Fundamentrest. Von diesem waren noch
zwei Lagen erhalten, die eine seichte Grube
nach Westen hin abgrenzten. In ihrem Inne-
ren befanden sich Keramikfragmente, die
nach dem bisherigen Forschungsstand dem
19. Jahrhundert zugewiesen werden können
und auch bisher in der Region unbekannte
Sonderformen wie tiefe Schüsseln mit ge-
modelten Grifflappen aufweisen.
Die Fülle der oben kurz skizzierten und für
die nächsten Jahre geplanten Arbeiten auf
dem Anwesen der Familie Taxer versprechen
nicht nur Verfeinerungen von Erkenntnissen
im Ablauf der Siedlungsgeschichte Patrias-
dorfs von der Spätantike bis in die Neuzeit,
sondern auch Antworten auf komplexe Fra-
gestellungen der regionalen volkskundlichen
Haus- und Realienforschung.
Katalog der Funde
A 1
RS eines Topfes.
Irdenware, red. gebr., gedreht.
DmR ca. 180, Erh. H 13.
Außen und innen hellgrauer, im Kern
schwarzer Scherben, grob gemagert, Kalk,
Quarz.
Fd.-Nr.: Pd 1 (Lesefunde im westlichen
Teil des Obstgartens 1989).
A 2
RS eines Topfes.
Irdenware, red. gebr. gedreht.
Erh. H 24.
Außen und innen grauer und im Kern
grauer Scherben, mittel gemagert, Mage-
rungsteile ausgebrochen, Glimmer.
Fd.-Nr.: Pd 1 (Lesefunde im westlichen
Teil des Obstgartens 1995).
A 3
RS eines Topfes.
Irdenware, red. gebr., gedreht.
DmR 185, Erh. H 19.
Außen grauer, innen und im Kern
schwarzer Scherben, grob gemagert,
Glimmer, Quarz.
Fd.-Nr.: Pd 2 (Lesefunde aus viereckiger
Grube in der Nordwestecke des Obstgartens
1995).
A 4
RS eines Topfes.
Irdenware, red. gebr., gedreht.
DmR 210, erh. H 27.
Außen und innen grauer, im Kern
schwarzer Scherben, grob gemagert, Spuren
ausgebrannter oder ausgefällter Mage-
rungsanteile.
Fd.-Nr.: Pd 2 (Lesefunde aus viereckiger
Grube in der Nordwestecke des Obstgartens
1995).
A 5
RS eines Topfes.
Irdenware, red. gebr., gedreht?
DmR 200, erh. H 19.
Außen und innen dunkel und hellgrau ge-
fleckter, im Kern schwarzer Scherben, mit-
tel gemagert, hoher Anteil an Glimmer.
Fd.-Nr.: Pd 2 (Lesefunde aus viereckiger
Grube in der Nordwestecke des Obstgartens
1995).
A 6
WS eines Topfes mit vor dem Brand an-
gebrachter, flächiger Kammstrichzier.
Irdenware, red. gebr., gedreht.
Erh. H 36.
Außen und innen grauer, im Kern
schwarzer Scherben, Spuren ausgebrannter
oder ausgefällter Magerungsanteile, Glim-
mer.
Fd.-Nr.: Pd 2 (Lesefunde aus viereckiger
Grube in der Nordwestecke des Obstgartens
1995).
A 7
WS eines Topfes mit vor dem Brand an-
gebrachter, flächiger Kammstrichzier.
Erh. H 23.
Außen und innen grauer, im Kern dun-
kelgrauer Scherben, mittel gemagert, Spu-
ren ausgebrannter oder ausgefällter Mage-
rungsanteile.
Fd.-Nr.: Pd 3 (Trockenlegungsgraben
Westwand alte Küche).
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
64. Jahrgang – Nummer 9
Das Taxer- und Krameranwesen (waagrecht
schraffiert) auf dem Kataster von 1859.