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Nummer 9/1996
64. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLATTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
1. Topographie
Die heutige Hofstatt mit Nebengebäu-
den erstreckt sich im südwestlichen Vier-
tel der ursprünglichen Rotte Patriasdorf,
die zum Landgericht Lienz gehörte
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und
bis zum Jahre 1938 eine eigene Gemeinde
gebildet hat. Infolge stetiger Bebauung
zweier Parzellen wuchsen im Laufe der
Jahrhunderte zwei Wohnbauten zusam-
men. Man differenzierte immer zwischen
Taxer und Kramergut. Der heutige Besit-
zer Johann Taxer
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erwarb 1966 den an sein
Elternhaus östlich anschließenden Bau.
Dieser grenzte unmittelbar an das
„Bachl“, Seitenarm des Zauchenbaches.
Das „Bachl“ wurde bis zur Installierung
einer regulären Leitung zur Trink- und
Nutzwasserversorgung
herangezogen,
und es verursachte oft genug auch Über-
schwemmungen.
2. Forschungsstand und siedlungs-
geschichtliche Bedeutung
Schon 1952 hat Wiesflecker aufgrund
intensiven Archivalienstudiums
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auf die
Möglichkeit eines frühchristlichen Vor-
gängerbaues (5. Jahrhundert n. Chr.) unter
der Kirche von St. Andreas hingewiesen.
Dieser durch Kombination erschlossene
Ansatz sollte durch die Ausgrabungen von
Zemmer-Plank und Walde 1968
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glän-
zende Bestätigung erfahren. Dieser Sied-
lungskern um die Kirche muß in engem
Zusammenhang mit dem Hinterland ge-
standen haben, wobei für diese frühe Zeit
die ökonomische Basis eher von der Land-
wirtschaft als vom Handel getragen wor-
den sein dürfte.
Während den schriftlichen Quellen über
Patriasdorf allenthalben gebührend Auf-
merksamkeit geschenkt worden ist
5,
machen sich fehlende archäologische und
bauhistorische Untersuchungen außerhalb
des Kirchenareales schmerzlich bemerkbar.
Für die Ausgrabungen von Johann Hofer
am Beginn unseres Jahrhunderts in den
Feldern westlich des sogenannten „Brun-
ner Stöckels“ existiert bis auf wenige Zei-
tungsberichte keine Dokumentation und
auch die gefundenen Artefakte sind ver-
schollen. Neben römischen Gräbern
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, die
er beim Pflanzen von Obstbäumen auf sei-
nem Grundstück in Patriasdorf 60 entdeckt
hatte, kamen nordöstlich der Tamerburg
weitere Mauerreste und Kleinfunde
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zum
Vorschein. Von letzterer Stelle stammt
auch eine (römische?) Marmorspolie, die
heute oberhalb der Haustür des Oberbrun-
ner Hauses (heute Hausnummer 13, Besit-
zer: Karl Fuetsch jun.) vermauert ist. Die
schriftlich erhaltene Beschreibung der
Klein- und Baubefunde von diesem Be-
reich macht eine mittelalterliche Datierung
wahrscheinlich. Verbirgt sich etwa in die-
sem untertägigen Ruinenfeld die seit 1197
nachweisbare Burg des Patriarchen von
Aquileia
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oder handelt es sich um die
Reste eines im späten 13./14. Jahrhunderts
n. Chr. in den Quellen genannten Sitzes
von Friedrich von Patriasdorf? Dieser wird
gemeinhin mit dem Turm von Patriasdorf
in Verbindung gebracht, der seit 1314 als
gräflich görzisches Lehen mehrmals ge-
nannt wird
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.
3. Anlaß des Forschungsprojektes
Es bedeutete einen besonderen Glücks-
fall, daß der Verfasser im Mai 1995 die
Möglichkeit erhielt, den westlichen Teil
des Taxeranwesens, das in seiner Substanz
am ursprünglichsten erhalten ist, zu mie-
ten. Damit ergab sich die phantastische
Gelegenheit, Wohnen mit Forschen zu
verbinden. Weil das Objekt zudem von der
Vergeltungsaktion nach der Niederlage der
Franzosen 1809 bei der Lienzer Klause
verschont blieb und nicht den Flammen
zum Opfer fiel, ist auch die Hoffnung ei-
ner dendrochronologischen Verwertbarkeit
der erhaltenen Bauhölzer groß.
Harald Stadler
Wohnen und Forschen
Ein Vorbericht zu archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen auf dem Anwesen Taxer in Patriasdorf
Das Taxeranwesen (links) mit angebautem Kramer-Haus in Patriasdorf; Aufnahme von
Südosten.