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den Gläubigen den Gebrauch eines geist-
lichen Gutes entzieht, das ist im konkreten
Fall die bestimmungsmäßige Verwendung
der Kriegergedächtniskapelle … Die in
Form einer päpstlichen Strafverfügung
verhängte konkrete Gottesdienstsperre
hatte den Zweck, die Entfernung des Bil-
des zu erzwingen und hat daher eine Art
kirchlichen Strafcharakter [Beugestrafe],
die gegen den Verantwortlichen gerichtet
wurde. Als solche stellte sich durch den
zit. Servitutsvertrag die Stadtgemeinde
Lienz heraus, deren Bevölkerung der be-
stimmungsmäßige Gebrauch der Krieger-
gedächtniskapelle – als ,geistliches Gut‘ –
entzogen wurde. … Einer Entscheidung
dieser Kongregation (für die Glaubens-
lehre) bedarf es, da die Loslösung von
Beugestrafen nicht in die Dispenskompe-
tenz der Diözesanbischöfe fällt.“
Noch im Egger-Gedenkjahr 1976 war in
der Lienzer Stadtrat-Sitzung vom 19. No-
vember einstimmig beschlossen worden,
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„auf Grund verschiedener Anregungen und
infolge der Auffassung, daß das immer
noch bestehende Interdikt nicht den tatsch-
lichen Gegebenheiten entspricht und daher
seine Aufhebung voll gerechtfertigt er-
scheint“,
an das Bischöfliche Ordinariat
bzw. den Römischen Gerichtshof Rota
Romana den Antrag um Aufhebung zu stel-
len. Das offizielle Ansuchen, unterzeichnet
von Bürgermeister Hubert Huber, wurde
mit 1. März 1977 an Diözesan-
bischof Dr. Paulus Rusch gerichtet. Dem
Rechtsgutachten Professor Dr. Leischings
entsprechend, wäre es Aufgabe des Bi-
schofs gewesen, bei der Kongregation für
die Glaubenslehre als Nachfolgeinstitution
des Sanctum Officium in Rom die Auf-
hebung des Interdiktes zu erwirken. – Hin-
gegen langte eine geradezu postwendende
Antwort des Bischofs ein, die schon aus
zeitlichen Gründen keine Recherchen zu-
gelassen hatte, datiert mit 4. März 1977.
Über die wissenschaftlichen Unterlagen
hinweggehend, wurde – wie schon 1949 –
die unrichtige Behauptung aufgestellt, daß
„keinerlei Mitteilung an den zuständigen
Ordinarius, das ist der Bischof von Inns-
bruck“ vorliege. „Gemäß den kirchlichen
Bestimmungen ist eine solche Verhängung
unter Umgehung des zuständigen Bischofs
nicht rechtswirksam.“
Das Ende des Interdiktes
Es ist eigentlich bedauerlich, daß sich die
Kirche nicht bereitgefunden hat, den Zu-
stand des Interdiktes offiziell aufzuheben.
Die Angelegenheit nahm 1983 automatisch
ein Ende: Aus dem in diesem Jahr neu ko-
difizierten Kirchenrecht wurde die Be-
stimmung des Lokalinterdiktes gestri-
chen. Damit wurden – dem Kirchenrecht
folgend – alle vormals verhängten Inter-
dikte automatisch aufgehoben, was mit In-
krafttreten des neuen Codex der Fall war.
Diözesanbischof Dr. Reinhold Stecher
meinte hiezu in einem Brief vom 9. Febru-
ar 1987 an Dekan Cons. Josef Huber in
Lienz:
„Der Weihe und gottesdienstlichen
Verwendung der Kapelle steht somit
nichts im Wege. Diese leider späte, aber
schon längst fällige Klarstellung ist auch
eine Rehabilitierung des großen Osttiroler
Künstlers Albin Egger-Lienz.“
Am 14. Juni 1987 hat der Lienzer De-
kan, Consiliarius Josef Huber, die Krieger-
gedächtniskapelle neu geweiht.
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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 10-11 –– 64. Jahrgang
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“
sind einzusenden an die Redaktion des „Ost-
tiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
Albertistraße 2a, A-6176 Völs.
Auszug aus dem „Verordnungsblatt für die Diözese Innsbruck“ vom 1. April 1987, in
dem das Erlöschen des über die Lienzer Kriegergedächtniskapelle im Jahr 1926 ver-
hängte Interdikts durch Bischof Dr. Reinhold Stecher verlautbart worden ist.
Anmerkungen:
1 Ich folge dabei – hin und wieder wörtlich – meiner um-
fangreichen Arbeit von 1976, die freilich auf den neu-
esten Stand gebracht und um die Ereignisse der letzten
20 Jahre ergänzt ist: Meinrad Pizzinini, Albin Egger
und das Lienzer Bezirks-Kriegerdenkmal. Nach 50 Jah-
ren: Hat sich der Skandal gelohnt? In: das Fenster.
Tiroler Kulturzeitschrift, Heft 19 (Winter 1976/77),
S. 1950-1969. – Die ganze Denkmalgeschichte ist auch
aufgerollt bei Wilfried Kirschl, Albin Egger-Lienz
1868-1926. Das Gesamtwerk, 1. Aufl., Wien 1977,
S. 453-476, 2. Aufl. in 2 Bänden, Wien-München 1996,
S. 453-477.
2 Zahlreiche Details und auch die genauen Quellen-
nachweise entnehme man Pizzinini a.a.O.
3 Josef Manfreda, Das Bezirks-Kriegerdenkmal in
Lienz, Lienz 1959.
4 Abgedruckt bei Pizzinini a.a.O., S. 1954.
5 Brief Dekan Stembergers an Hofrat von Esebeck in
Murau; 1926 Mai 16, Lienz (Konzept und Durchschrift
im Pfarrarchiv St. Andrä, Lienz).
6 Tiroler Anzeiger, 1925, Nr, 182 (12. August).
7 Tiroler Anzeiger, 1925, Nr. 183 (13. August).
8 Originale im Diözesanarchiv, Innsbruck.
9 1925 Dezember 22, Rom (Orig. im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
10 Schreiben nicht erhalten, geht aber hervor aus einem
Brief von Bischof Waitz an Dekan Stemberger: 1926
Jänner 19 (Orig. im Pfarrarchiv St. Andrä, Lienz)
11 1926 Jänner 19, Innsbruck (Orig. im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
12 1926 Jänner 24, Lienz (Konzept im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
13 1926 Jänner 7, Rom (Abschrift im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
14 1926 Jänner 30, Feldkirch (Orig. im Pfarrarchiv St.
Andrä, Lienz). – Die Abhandlung „Kirchliche Wei-
sungen für religiöse Bilder an heiligen Stätten“ wurde
im Brixner Diözesanblatt, 1925, Nr. 5 veröffentlicht.
15 1926 Februar 18, Feldkirch (Orig. im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
16 1926 Mai 6, Rom (Orig. im Diözesanarchiv, Inns-
bruck).
17 Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., 7. Bd.,
Freiburg i.Br. 1962, Spalte 312.
18 Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage, 5. Bd.,
Freiburg i.Br. 1960, Spalte 726 f.
19 1926 Juni 16, Innsbruck (Orig. im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
20 Franz Kollreider, Kunstmaler Karl Untergasser, in:
Tiroler Bauernkalender, 37. Jg. (1950), S. 158-160. –
Weiters u.a.: K. U. zum 75. Geburtstag, in: Tiroler An-
zeiger vom 11. Oktober 1930 – Selbstbiographie, ab-
gedruckt in: OHBl 1957/2.
21 1926 Oktober 29, Innsbruck (Orig. im Pfarrarchiv St.
Andrä, Lienz).
22 1926 November 27, Lienz (Abschrift im Pfarrarchiv St.
Andrä, Lienz).
23 Siehe Anm. 21.
24 Geht aus dem Brief Dekan Stembergers an Bischof
Waitz hervor; siehe Anm. 22.
25 1927 März 15, Lienz (Orig. im Diözesanarchiv, Inns-
bruck).
26 1927 März 20, Innsbruck (Orig. im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
27 Bericht des Dekans an den Bischof vom 1927 März 28,
Lienz (Abschrift im Pfarrarchiv) – Protokoll der Zu-
sammenkunft vom 24. März 1927 in Abschrift eben-
falls im Pfarrarchiv St. Andrä, Lienz.
28 Niederschrift der Aussagen von Laura Egger-Lienz vor
LHStv. Dr. Gruener, 1927 März 25, Innsbruck (Tiroler
Landesarchiv, Statthalterei, 1927, Abt. III, 649/1).
29 Protokoll vom 31. März 1927 (Tiroler Landesarchiv,
Statthalterei, 1927, Abt. III, 649/1).
30 Verlautbart durch die Bezirkshauptmannschaft Lienz,
1927 Mai 10, Lienz, gerichtet an die Stadtgemeinde
Lienz (Kopie im Pfarrarchiv St. Andrä, Lienz).
31 1927 Mai 19, Lienz (Orig. im Diözesanarchiv, Inns-
bruck).
32 1927 Juni 18, Innsbruck (Abschrift im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
33 1927 Juni 9, Lienz (Diözesanarchiv, Innsbruck).
34 Protokoll der Beisetzung in Abschrift im Egger-Lienz-
Archiv (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum).
35 Innsbrucker Nachrichten, 1927, Nr. 257 (9. November).
36 1931 März 16, Lienz (Konzept im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
37 Gesprächsweise Aussage von Frau Therese Wibmer-
Pedit, Lienz, die auch die zitierte Rezension aus einer
nicht bekannten Zeitung übersandt hat. Für beides sei
ihr sehr herzlich gedankt!
38 1934 Oktober 23, Lienz (Durchschrift im Pfarrarchiv
St. Andrä, Lienz).
39 1936 Oktober 1, Innsbruck (Durchschrift im Archiv des
Bundesdenkmalamtes, Innsbruck).
40 1949 Jänner 25, Innsbruck (Durchschrift im Diözesan-
archiv, Innsbruck).
41 Kopie im Besitz des Verfassers; an ihn gerichtetes Be-
gleitschreiben Professor Leischings von 1977 Februar
18, Innsbruck.
42 Für die Akteneinsicht sei Herrn Stadtamtsdirektor Dr.
Wolfgang Obernosterer herzlich gedankt.
43 Bericht im Osttiroler Bote 1987 Nr. 25 (25. Juni), S. 66.