Seite 5 - H_1997_01

Basic HTML-Version

Direktor K. Raneburger, zugleich Leiter
der Erwachsenenbildung konnte Herrn
Komm.-Rat Hermann Obwexer für zwei
„Nostalgieabende“ im Kessler Stadel ge-
winnen, und so erzählte H. Obwexer stun-
denlang über die Geschichte der Ver-
kehrserschließung ins hintere Iseltal.
Als noch die Stellwagen ins Iseltal fuhren
Heute braust man in zwanzig Minuten
auf dem breiten Asphaltband nach Lienz.
Einst war es ganz anders:
Schon der Ausbau de Karrenweges zu
einer einspurigen Fahrstraße für Pferde-
wagenverkehr sowie deren Erhaltung und
Betreuung sei kein geringes Unternehmen
gewesen. Man bezeichnete diesen Fahr-
weg allgemein als „Iseltaler Konkurrenz-
straße“. Unter dem unglücklich gewählten
Namen verstand man eine Gemein-
schaftsleistung aller Gemeinden des Isel-
tals. Es gab keinerlei staatliche Mittel bzw.
Förderungen für den Bau und die Erhal-
tung, und dies alles lastete auf den finanz-
schwachen Gemeinden jener Zeit. So war
damals schon die heute wieder umstritte-
nen Straßenmaut die einzige Möglichkeit,
die „Konkurrenzstraße“ zu erhalten. Sol-
che Mauthäuser standen an der Schloß-
brücke, beim Brühl, im Waldhof
(Dölach) und in Haslach (Kals) und jeder,
der diese Mautstellen passierte, ob zu Fuß
oder per Pferdewagen, hatte einen kleinen
Obulus zu entrichten, der in Summe doch
einen nennenswerten Betrag für Erhaltung
und Ausbau erbrachte. Das mag auch nicht
immer funktioniert haben, denn sonst hät-
te das Mautweiblein im Waldhof nicht ge-
schimpft: „Wos heint für lötze Tedlinge ei-
hagent, dazohlnt nit amol die Maut!?“
Für die Mehrkosten der Straßenpflege
und fallweisen Verbesserung hatten die
Gemeinden aufzukommen. Diese Iseltaler
Konkurrenzstraße bestand als Gesell-
schaft bis 1938 und KR Hermann Obwe-
xer war ihr letzter Obmann.
In die Seitentäler bestanden bis lange
nach dem Ersten Weltkrieg nur unge-
schotterte und oft über Stock und Stein
führende Karrenwege. Für die Erhaltung
für den Abschnitt Matrei – Lienz waren
fünf Wegarbeiter mit jeweils einer festge-
legten Strecke angestellt.
Schneeräumung war in der Zeit des
Pferdeschlittenverkehrs nicht so proble-
matisch wie später, als die Straße auch mit
Autos befahren wurde. Einmal sei eine 20
bis 30 cm dicke Schneeunterlage auf der
Straße geblieben und diese habe nur
schmal geräumt werden müssen. Trotzdem
muß es ein interessantes Gefährt gewesen
sein. Voraus zwei Hengste mit Reitern als
Spurmacher, dahinter in der Regel vier
Doppelgespanne mit den zwei besten Pfer-
den an der Deichsel des hölzernen und
nach Tiefgang und Breite verstellbaren
Schneepflugs. Dieser lange Zug war nach
Neuschnee bis Lienz unterwegs.
Eine der Ursachen und Triebfedern für
die Verkehrserschließung war der schon
vor der Wende zum 20. Jahrhundert ein-
setzende Alpintourismus. Die Touristen der
damaligen Zeit – meist relativ vermögende
Leute – hatten durchwegs das Vorrecht,
mit dem „Landauer“ (gefederte Nobelkut-
sche) ein- oder zweispännig von und zur
Bahn nach Lienz gebracht zu werden. Die
Fahrt dauerte dann nur ca. 2 Stunden.
Der „Stellwagen“ – überdachte Doppel-
spännerkutsche mit ca. 9 Sitzplätzen plus
„Deliquentenhochsitz“ – war hingegen ein
sehr langsames Gefährt. Talauswärts war
schon nach wenigen Kilometern im Gast-
hof „Brühl“ die erste Einkehr. In Huben
blieb die Kutsche gleich zweimal stehen
und zwar beim Gasthof Post und beim
Tafernerwirt.
Nächster Aufenthalt und Umsteigstelle
war St. Johann i. W. (Von dort bis Lienz
war in der Regel der Vergeinerwirt vlg.
„Tschitscher“ für die Beförderung der
Fahrgäste zuständig.) Nächster Aufenthalt
war Bad Weiherburg und schließlich die
letzte Rast beim Sattlerwirt in Ainet.
Jede Rast verkürzte man sich mit einem
Glas Wein und bis alle wieder in der Kut-
sche saßen, dauerte es seine Zeit. Bis man
schließlich zum Bahnhof kam, verging ein
halber Tag.
Auf dem Rückweg hatte der Kutscher
auch die genaue Zeit (Bahnzeit) mitzu-
nehmen. Er richtete seine „Omega“ nach
der Bahnhofuhr, dann wurde im Gasthof
Rauter die Stubenuhr gleichgestellt und
hierher kam schließlich der Mesner, um
die Zeit für die Kirchenuhr abzulesen, die
nun so annähernd die MEZeit anzeigte.
Gegenüber dem „Richten“ nach dem Son-
Nummer 1 –– 65. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Siegmund Kurzthaler
Zur Verkehrsgeschichte des Iseltales
Der Verkehrsknotenpunkt Huben mit dem Gathaus Taferner; Postkarte im Verlag Johann
F. Amonn, Bozen, um 1905.
(Fotoarchiv M. Pizzinini)
Mautstelle beim Gasthaus Brühl. Der gerade offene Schlagbaum ist deutlich zu erken-
nen. Aufnahme um 1880.
Foto: Johann Unterrainer (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)