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1. Dachbodennest der Deutschen
Wespe (Paravespula germanica):
In Sillian-Aue Nr. 172 (J. Gasteiger)
wurde 1996 den ganzen Sommer hindurch
reger Wespenflug mit Nestbau beobachtet.
Auf Ersuchen wurden durch A. Hohenegg,
Lienz, am 27. September drei Exemplare
(Arbeiter) gebracht, die unschwer als
„Deutsche Wespe“ erkannt wurden. Das
zugehörige Nest wurde am 18. Jänner
1997 gebracht. Auf Anraten wurde mit der
Abnahme gewartet, um sicher zu gehen,
daß alle Tiere das Nest verlassen hatten.
Eine Wiederverwendung im Folgejahr ist
nie zu erwarten.
Die gemessenen Maximalwerte waren:
49 cm max. Durchmesser, 43 cm min. und
29 bis 30 cm Höhe. Damit ist die Nest-
größe schon sehr beachtlich und über-
durchschnittlich, vor allem im Vergleich
zu den viel häufigeren Bodennestern. An
einer Seite war das Nest am angrenzenden
Dachbalken angebaut und hat dort eine tie-
fe Einbuchtung wie sie bei begrenztem
Nest-Raum öfters vorkommen. Im Inneren
konnten nach sorgfältiger Öffnung sechs
recht große Waben und am unteren Ende
die jüngste, sehr kleine gezählt werden.
Einzelne Reste von ausgewachsenen Tie-
ren waren zu erwarten gewesen, auffallend
war die große Zahl an vertrockneten Ma-
den (Larven), ein Hinweis auf die recht
plötzliche Auflassung des Nestes, fast
fluchtartig. Diese wäre zu erklären durch
einen plötzlichen Kälteeinbruch etwa
Ende Oktober, denn am 31. Oktober 1996
wurde in Tristach (private Wetterwarte J.
Themeßl) ein Wert von -2,8 °C gemessen.
Die Zahl aller im Baujahr entwickelten
Wespen könnte man unschwer durch Aus-
zählen aller Zellen ermitteln, das wäre mit
einer möglichen Zerstörung einzelner
Abschnitte verbunden, wurde daher unter-
lassen. Nach Literaturwerten hat eine
Wabe mit 25 cm Durchmesser etwa 2.300
Zellen (allerdings bei Erdnestern). Die
Außenschicht unseres Nestes ist mit 5 cm
auffallend hoch (wohl wegen der nötigen
Isolierung durch Überhitzung bei erhöhten
Temperaturen unter dem darüberliegenden
Blechdach). Die Schätzung und Analogie-
rechnung bei unserem Nest ergibt etwa
24.000 bis 25.000 Wespen, die sich im
Laufe des ganzen Jahres entwickelt haben.
Im Herbst bleiben nur die Weibchen zum
Überwintern übrig, alle Männchen und Ar-
beiter gehen zugrunde.
Im Laufe der letzten Jahre sollen die
Stückzahlen in den Einzelnestern anstei-
gen, vielleicht wegen der erhöhten
Temperatur-Mittelwerte. Zählungen und
Messungen in Sizilien, Budapest, Süd-
frankreich zeigen vielfach deutlich höhere
Werte (z. B. etwa 60.000 Nestexemplare
in Budapest). Die genauen Auszählungen
erfolgen scheinbar selten. Ein Nest mit
knapp 70 cm Durchmesser (Art nicht ge-
nannt!) aus einer Garage in Kirchbichl
wird in der Tiroler Tageszeitung vom
13./14. Feber 1988, S. 4 abgebildet. Es soll
aber im Verlaufe der letzten zwei Jahre
entstanden sein. Das ist nur so möglich,
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
65. Jahrgang –– Nummer 4
Wabenansicht von schräg unten.
Außenstruktur der muschelförmigen Zu-
wachsstreifen.
Waben von der Seite, mit Verstrebungen.
Fotos: Alois Kofler
Dachbodennest der „Deutschen Wespe“ in Sillian, Gesamtansicht.
Alois Kofler – Naturkundliche Raritäten aus Osttirol
Drei bemerkenswerte Wespennester
(Paravespula germanica, Vespa crabro, Polistes bischoffi)