Seite 3 - H_1997_10

Basic HTML-Version

Nummer 10 –– 65. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
am Titelblatt der ersten drei Ausgaben der
Zeitung, der für das zerrissene Tirol stand
und von den Briten sogleich verboten wur-
de.
18
Nach der Ablehnung der Rückkehr
Südtirols durch die Alliierten Anfang Mai
1946 verfolgte die österreichische Regie-
rung unter Außenminister Gruber als Teil-
versuch die Rückgabe des Südtiroler
Pustertales. Die politischen Vertreter
Osttirols forderten in einer Resolution vom
11. Mai die Bundesregierung auf, neben
ihren Bemühungen um Südtirol „auch auf
Osttirol nicht zu vergessen“. Diese Reso-
lution wurde aber erst Anfang Juni, rund
zehn Tage nach einer Südtirol-Großkund-
gebung in Lienz, veröffentlicht.
19
Die
„Pustertallösung“ mißfiel den Alliierten
ebenfalls, sodaß die Südtirol-Frage am
5. September im „Gruber – De Gasperi-
Abkommen“ „abgeklärt“ wurde.
Sodann gingen die Osttiroler Rückglie-
derungsbemühungen in eine dritte und
letzte Phase, die vor allem von starkem
britischen Widerstand bestimmt war, ehe
schließlich Ende September 1947 doch ein
Übereinkommen zustande kam. Zunächst
nahm das Bundeskanzleramt (BKA) im
Einvernehmen mit der Tiroler Landes-
hauptmannschaft Fühlung zu den Briten
auf,
20
die aber sehr ablehnend reagierten.
Der Leiter der politischen Abteilung des
britischen Elementes im Alliierten Rat, N.
J. A. Cheetham, teilte Baron Seiller vom
BKA Ende 1946 mit, daß der britische Ge-
sandte William B. Mack Außenminister
Gruber erklärt habe, daß gegen die Rück-
kehr Osttirols zu Tirol prinzipiell nichts
einzuwenden sei. Es bestünde aber aller-
dings ein Problem für die britischen Ver-
bindungsoffiziere, falls ihre höchste
österreichische Landesbehörde in Inns-
bruck und damit in der französischen
Zone liegen würde. Deshalb wäre es an-
genehmer, wenn die Rückgliederung
„vorläufig zurückgestellt“ („could be
delayed for the time being“) würde.
21
Da es mit dem Osttiroler Stimmrecht im
Kärntner Landtag nicht klappte, ergriff
Landeshauptmann Weißgatterer andere
Schritte. Nachdem sich die ÖVP-Bezirks-
leitung Lienz eingeschaltet hatte, wandte er
sich, nach einem nicht beantworteten
Schreiben von Mitte 1946 (!), Anfang 1947
erneut an den Kärntner Landeshauptmann
Piesch, um für das Stimmrecht wenigstens
bei Osttirol betreffenden Kärntner Finanz-
haushaltsangelegenheiten einzutreten. Zu-
gleich bat er Bundeskanzler Leopold Figl in
einem Schreiben, seinen Einfluß „in dieser
auf die Dauer unhaltbaren Situation“ gel-
tend zu machen. Die Gegenvorschläge des
Bundeskanzlers – ein Verfassungsgesetz,
das Osttirol vorübergehend Kärnten zuge-
teilt hätte oder ein beratender Status der
Osttiroler Abgeordneten – waren aber nicht
nach Weißgatterers Geschmack. Er setzte
nunmehr auf die Idee, Franz Kundratitz als
definitiven Verbindungsmann zu den briti-
schen Stellen einzusetzen und hatte auch
die Absicht, vom Staatsnotrecht Gebrauch
zu machen. Letzteres erregte wiederum das
große Mißfallen des BKA, doch der Kun-
dratitz-Vorschlag wurde aufgegriffen und
in einer neuerlichen Note an Cheetham im
April 1947 vorgebracht.
22
Einen Monat später erfolgte die nächste
britische Ablehnung mit der Begründung,
daß die frühere Entscheidung nicht aufge-
hoben werden könne, „daß nämlich auf die
Dauer der Besetzung die Rückgliederung
dieses Bezirkes undurchführbar“ („im-
practicable“) sei.
23
Trotzdem drängte
Außenminister Gruber, auf Ersuchen der
Osttiroler Landtagsabgeordneten Krane-
bitter, Annewanter und Lugger sowie der
Tiroler Landesbauernkammer, beim briti-
schen Gesandten Mack schon wieder am
10. Juni auf die Bereinigung der Ange-
legenheit.
24
Bezüglich Anweisungen von
Innsbruck nach Lienz hatte die Landes-
amtsdirektion in Innsbruck den Tiroler und
Kärntner Stellen am 5. Feber bereits mit-
geteilt, daß entsprechende Verfügungen
ohne Kopf und Unterschrift auszustellen
und an das Amt der Kärntner Landesre-
gierung zu übersenden seien. Dort würden
sie formell ausgefertigt und als Kärntner
Verfügung nach Osttirol abgehen.
25
II. Herbst 1947: Endlich
„heimgekehrt“
Der August 1947 sollte das Einlenken
der Briten bringen, die noch Mitte Juli ei-
ner Rückgliederung Osttirols nicht zuge-
stimmt hatten.
26
Zunächst traf Bundes-
kanzler Figl, der seine Familie vom Urlaub
in Matrei abholen wollte, Anfang August
in Osttirol ein. Vom neuen Nationalrats-
abgeordneten Franz Kranebitter wurde er
besonders auf die „Herzenssache“ der
Wiedervereinigung der beiden Landes-
teile angesprochen.
27
Vom 15. bis 18.
August hielten sich Weißgatterer und
Landwirtschaftsminister Josef Kraus im
Bezirk Lienz auf. Dabei sagte der Chef-
Offizier für Zivilangelegenheiten in Kla-
genfurt, Oberst Stimson, dem Tiroler Lan-
deshauptmann seine Hilfe bezüglich der
Rückkehr Osttirols zu.
28
Am 18.
August vereinbarten Vertreter der Tiroler
und Kärntner Landesregierungen in Kla-
genfurt, eine Übergangslösung für den Be-
zirk Lienz anzustreben, nach welcher der
verfassungsmäßige Zustand der Zu-
gehörigkeit Osttirols zu Tirol hergestellt
werden sollte. Beide Seiten beteuerten
außerdem den Wunsch nach Beibehaltung
der Besatzung.
29
Zehn Tage später war dieses Überein-
kommen aber bereits überholt. Am 28.
August 1947 teilte der britische Hoch-
kommissar James Steele seinem franzö-
sischen Kollegen Emilé Bethouart mit,
„jetzt“ in der Lage zu sein, der Rückkehr
Osttirols unter Tiroler Verwaltung bei
bleibenden Zonengrenzen zuzustimmen.
Doch etwa öffentliche Sicherheit und
Grenzsperrzone würden weiterhin von den
britischen Behörden sowie dem Kärntner
Feierliche
Verlesung
der Urkunde
durch Walter
Unterweger;
rechts im
Bild der Tiro-
ler Landes-
hauptmann
Dr. Ing. Alfons
Weißgatterer.
Foto:
Dina
Mariner,
Lienz
Blick auf die Urkunde, die von den Landeshauptleuten von Tirol und Kärnten unter-
zeichnet worden ist. Das Original der Urkunde ist – wie auch das Kärntner Exemplar
– zur Zeit verschollen.
Foto: Dina Mariner, Lienz