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die fern der alltagspolitischen Wirrnisse zu
einer inneren verfestigten Bildsprache ge-
führt hatte. Vielleicht war es die Flucht
nach innen, die nun breites Fundament zu
einer neuen Figuration werden konnte.
Die Orientierung auf die französische
Plastik eines Maillol, die italienische Bild-
sprache eines Giacomo Manzù und Mari-
no Marini oder die englische Skulptur ei-
nes Henry Moore spürt man in der bildne-
rischen Sprache bei Hans Pontiller seit der
Mitte der fünfziger Jahre. Aufrecht,
schlanke, im Beckenbereich voluminöse
und untermauerte Frauenakte in freier und
kaum verhüllter Gelöstheit, in fast tän-
zelnder Rhythmik mit einer eleganten Ge-
stik der Arme. Man spürt den Wunsch
nach weicher plastischer Dehnung, spürt
den Hauch von Koketterie und Drolligkeit.
Die Befreiung von ekstatischen Zwängen
wird überall erlebbar.
Sakrale Plastik
In der religiösen Plastik vermochte Hans
Pontiller in all seinen Facetten eine Demut
an den Tag zu legen, die nur vereinzelt in
der Skulptur nach 1945 in Tirol wiederkehrt.
Man fühlt sich den inneren Empfindungen
nahe, fühlt sich vereinnahmt mit den geisti-
gen Vorstellungen, etwa der Leidensge-
schichte Christi, fühlt sich eingenommen
von den Stationen seines Kreuzweges, von
den asketischen Figuren, die keine Pathetik
predigen, sondern wie selbstverständlich in
sich gekehrt existent sind.
Hans Pontiller ist in seinem Metier der
Sakralplastik ein Mahner und Missionar –
es klingt wie ein Schlagwort – bei ihm aber
treffen diese Attribute in ihrer Ursprüng-
lichkeit der Bedeutung zu. Wie kaum ein
anderer Bildhauer verstand er es, innere
Spannung mit seinem Geist zu beflügeln.
Es ist aber auch das Aufflammen in der
religiösen Kunst der fünfziger und sechzi-
ger Jahre, in der die Kirchenarchitektur
den Künstlern eine neue Herausforderung
der bildnerischen Formulierung zukom-
men ließ. Erinnerungen an die expressive
Bildsprache der zwanziger Jahre kehrten
wieder ins Bewußtsein; gepaart mit der
neuen Dimension des kritisch religiösen
Empfindens wuchs eine Kunst, die – von
heute aus betrachtet – als elementare ex-
pressive Sprache gewertet werden kann
und sichtlich im Gegensatz zur nüchternen
Saalarchitektur der fünfziger Jahre steht.
Das Anwachsen eines spätexpressiven
Abstraktionismus in der Malerei fand in
der Bildhauerei eine gesteigerte, asketische
Figuration mit Tendenzen zur Abstraktion.
Hans Pontiller nimmt in der sakralen
Skulptur nach 1945 den Mittelpunkt in Ti-
rol ein. Er ist in diesem Werkbereich nicht
ein Gestalter der triumphierenden Kirche,
nicht ein Inszenator von Festen und litur-
gischen Feierlichkeiten, vielmehr äußert er
sich als Mahner und Rufer: als Mahner zu
einer bescheidenen pastoralen Kirche, als
Rufer einer Gemeinde, die den Alltag und
die Enttäuschungen des Lebens kennt, die
allen Wirrnissen und Zwängen ausgeliefert
erscheint.
Das Porträt
Die Klangfülle von Hans Pontillers Por-
trätbüsten reicht von der Sachlichkeit des
prallen Schädels von „Ernst Nepo“ bis zu
einer kritischen Analyse im Selbstbildnis
von 1966, von der naturalistisch anklin-
genden Terrakottabüste „Reut-Nikolussi“
von 1945 über die expressive Modellie-
rung im Bildnis „Othmar Suitner“ bis hin
zu dem einfühlsamen, den Charakter wie-
dergebenden Porträt „Aloys Oberham-
mer“. Man fühlt sich eingebunden von der
abstrahierenden Gestik der oft kubenhaf-
ten Komplexität der Köpfe, von der knap-
pen Formgebung mit den genau kalkulier-
ten Augen- und Mundzügen. Auch hier
vermittelt die unverbrämte Formengebung
das unmittelbare Erlebnis des Menschen.
Individualität und Menschenkenntnis arti-
kuliert er in diesen Bildwerken. Die sub-
tilen und einfühlsam geprägten Porträts
Hans Pontillers nehmen die repräsentati-
ven Büsten der Erzbischöfe und Kardinäle
im Wiener Stephansdom von dem Inns-
Nummer 11 –– 65. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Kauernde, 1956, Bronze, H 60 cm.
Europa auf dem Stier, 1956, Bronze, H 30 cm.
Professor Max Weiler, 1962, Gips für
Bronzebüste, lebensgroß.