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Os t t i r o l e r He i m a t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 12
ihre unleugbaren Qualitäten hervorhebt,
wenn er z. B. in einem Brief an Albert Jä-
ger schreibt:
„Ich mag zwar keine Jesuiten
schmeck en; aber ich bin es der Wahrheit
schuldig, sie sind bescheidene, gelehrte,
thätige Leute.“
Von der Weite seines Geistes spricht
auch sein Verhältnis zur anderen Konfes-
sion, durch die er – wie schon erwähnt –
nicht wenig zu leiden hatte. Er fordert wah-
re Treue zur eigenen Glaubensüberzeugung,
in der zugleich die Achtung vor der anderen
Konfession begründet ist. Und diese
volle Achtung schenkte er den überzeug-
ten, glaubenstreuen Protestanten,
„die
zwar nicht mit uns in allen Dingen übe-
reins denken und fühlen, aberwahr und red-
lich den Heiland der Welt als Gottesmen-
schen achten. Sie bilden ein Stück ‘prak -
tisches Evangelium’, das zwar nicht ganz
das unsere ist, aber auf übernatürlichem
Boden wurzelt und unsere Achtung ehrlich
v erdient.“
(Cartons
S. 29) Man bedenke: solche Worte vor
150 Jahren, als man noch nicht von einer
ökumenischen Bewegung sprach! Und so
überrascht sein ökumenischer Sinn in ei-
ner Zeit, in der die getrennten Kirchen
vielfach sich gegenseitig bekämpften
und anklagten. Beda Weber hat die Dinge
richtig gesehen: Nicht durch Verwischen
der Unter-schiede werden die konfessio-
nellen Schwierigkeiten beigelegt, sondern
durch gewissenhafte Treue zur eigenen
Glaubensüberzeugung und durch Achtung
und Ehrfurcht vor der anderen Konfession.
Das sind einige Hinweise auf den „Seel-
sorger“ Beda Weber. Was mich an dieser
Persönlichkeit am meisten fasziniert, ist
einmal seine Sprachgewalt (s. einige
Kostproben), dann sein auffallender
Weitblick als Seelsorger, finden wir doch
bei ihm damals im 19. Jahrhundert schon
als namenloses Sehnen vor, was in unserer
Zeit, etwa auf dem Gebiete der liturgischen
Erneuerung, verwirklicht worden ist.
Sicher wäre Beda Weber nicht in diesem
Maße zum prophetisch-wegweisenden
Seelsorger geworden, hätte er in der engen
Heimat – und er fühlte sich in Meran
tatsächlich etwas eingeengt – sein Leben
beschlossen. In der Großstadtpfarre in
Frankfurt wurde das Licht auf den Leuchter
gestellt und konnte entsprechend wirken
und sich entfalten.
Er ist dort aber seiner Heimat immer ver-
bunden geblieben, ja hat sogar unter
Heimweh gelitten, wie folgende Worte aus
seinem Munde, mit denen ich nun ab-
schließe, beweisen:
„Es übte von jeher je-
ne Landschaft einen unnennbaren Reiz auf
mich aus – und wenn ich oft Abends ein-
sam auf meinem Zimmer sitze, und die kur-
ze freie Frist zum Studium benützen will,
draußen röthet sich der Himmel, da
scheint die Etsch mich grüßen zu wollen,
die Wälder bei Hocheppan rauschen – das
Thal mit seinen Burgen und Bergen liegt
vor mir! – Freund da ist’s um mich ge-
schehen. Ich kann nicht mehr arbeiten,
mit v erschränk ten Armen sitze ich beim
Tische – undmein Geist ergeht sich an all
Beda Weber war vom Leben an sich fas-
ziniert und hat es mit einer rastlosen,
schöpferischen Tätigkeit ausgefüllt. Beda
Webers bezeichnender Wahlspruch lautet:
„Rastlose Tätigk eit allein ist Leben und
begründet Leben.“
Stellen wir nun sein
wissenschaftliches und literarisches
Werk in den Vordergrund.
Es mag Beda Weber in die Wiege gelegt
worden sein, wenn er sich mit Geschichte
im weitesten Sinn und dazu zählen auch
Kunstgeschichte, Volkskunde, Literatur-
geschichte usw. , und mit Dichtung, die
wieder teils historische Themen aufgreift,
befaßte. Der Erwerb von Kenntnissen der
Geschichte wird ihm zu einem Anliegen,
zur Voraussetzung einer höheren Denkkul-
tur. Man muß freilich noch für die erste
Hälfte des 19. Jahrhunderts bedenken, daß
eine exakte wissenschaftliche Ge-
schichtsforschung erst im Entstehen war
und daß allgemein ein enger Zusammen-
hang zwischen Geschichtsforschung und
Literatur gesehen wurde. Diese Auffassung
stammt aus dem vorhergehenden Jahrhun-
dert und wirkte noch in die Zeit eines Leo-
pold von Ranke (1795-1886) hinein, für
den Geschichte und Literatur untrennbar
miteinander verbunden waren.
Gegeben durch seinen Eintritt in das Be-
nediktinerstift Marienberg (1820) wird
man auch die Tradition der benediktini-
schen Geschichtsforschung seit dem 18.
Jahrhundert als Einflußnahme auf Beda We-
ber berücksichtigen müssen. Diese Tradi-
tion war bereits im 18. Jahrhundert durch
Kontakte mit den bedeutendsten deut-
schen Benediktinerklöstern entstanden.
Dieser geistige Hintergrundwirkte sich in
der benediktinischen Geschichtswissen-
schaft im 19. Jahrhundert in Tirol ent-
sprechend aus. – Sozusagen als wichtigste
Exponenten benediktinischer Wissen-
schaft im 19. Jahrhundert sind – bezogen
auf Marienberg – Beda Weber, Pius Zin-
gerle und Albert Jäger hervorzuheben.
In seiner Meraner Zeit von 1826 – mit
kurzer Unterbrechung als Seelsorger in St.
Martin im Passeier – bis in das Jahr 1848
hinein entstanden Beda Webers wichtigste
Arbeiten auf wissenschaftlich-landes-
kundlichem und dichterischem Gebiet.
Er unterrichtete also durch viele Jahre am
Gymnasium in Meran und so sehr er sich
auch mit Engagement der Lehrtätigkeit
hingab, war sie dennoch nur ein Teil seiner
regen Tätigkeit. Wissenschaft und Dich-
tung und zunehmend auch Politik gehörten
zu seiner Beschäftigung. Man darf aber auf
keinen Fall daraus schließen, daß ihm die
Lehrtätigkeit zur Last geworden wäre. Im
Gegenteil! Beda Weber hatte ein ausge-
sprochen pädagogisches Geschick, wenn
er auf die Eigenart der Jugend einging und
sie zu selbständigem Arbeiten und Beob-
achten aneiferte. Seine große Begeisterung
für die vorgetragenen Fächer übertrug
sich auch auf die Schuljugend. Es ist auch
bezeichnend, wenn die Studienhofkom-
mission in Wien Beda Weber und Pater Pi-
us Zingerle im Jahr 1837 eine Remunera-
tion zugestand, da „
die beiden Lehrer of-
fenbar zu den auch ausgezeichnetsten der
Prov inz gehören, denen das Gymnasium
v iel von seinem guten Ruf v erdank t“.
Es ist auch erwähnenswert, daß Pater Be-
da Weber 1833 einen Ruf an die Inns-
brucker Universität erhielt, 1834 an das
Gymnasial-Lyzeum in Augsburg. Der Erb-
prinz von Hohenzollern-Sigmaringen – er
hatte Beda Weber in Meran kennengelernt
– versuchte, ihn 1843 als Studiendirektor
für die Donaustadt Sigmaringen zu gewin-
nen. Der Erzbischof von Freiburg und
Staatskanzler Metternich versuchten den
Abt von Marienberg dafür zu gewinnen, der
jedoch wie in den vorhergehenden Fällen
ablehnte. Und nochmals erreichte Beda
Weber ein Ruf an die Innsbrucker Univer-
sität, jedoch – sonst immer ein ungestümer
Geist – überließ es der Pater in seinem
mönchischen Gehorsam auch dieses Mal
seinem Abt, über sein Schicksal zu ent-
scheiden, auch wenn ihn der Ruf in die Fer-
ne wohl gelockt hätte.
Greifen wir Beda Webers bedeutendste
Publikation heraus: Es ist das dreibändige
Werk
„Das Land Tirol. Ein Handbuch für
Reisende“.
Diese umfangreiche Arbeit, in
Mei nrad Pi zzi ni ni
Beda Weber als Wissenschafter und
Dichter des tirolischen Vormärz
Titelseite des 2. Bandes von Beda We-
bers Hauptwerk „Das Land Tirol. Ein
Handbuch für Reisende“, erschienen in
Innsbruck 1838.