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„Scheinbare Nähe“
Im Jahre 1985 erschien in der Edition
Suhrkamp ein weiteres Werk Foidls aus des-
sen Nachlaß. Es trägt den Titel
„Schein-
bare Nähe“.
Die Ausgabe wurde, da Foidl
sie nicht mehr selber hatte besorgen können,
von Peter Handke
„vorsichtig“
– wie es
heißt – bearbeitet und in Buchform gebracht.
„Scheinbare Nähe“
ist eine gnadenlose
Selbstsektion des Autors, vorgenommen
nach seiner Mexikoreise.
„Wirkliche
Nähe“
zu finden ist ihm auch jenseits des
großen Teiches nicht möglich gewesen.
Desillusioniert (zum wievielten Male!) fin-
det er sich, eingesponnen in das Bewußtsein
seines alles umfassenden Scheiterns, was die
menschlichen Beziehungen, was das beruf-
liche Fortkommen und auch was seine Exi-
stenz als Schriftsteller anbelangt, eingesargt
schon zu Lebzeiten in die horizontlose, ver-
mauerte Welt am Fuße des Salzburger Ka-
puzinerbergs.
Sein Dasein beschreibt Foidl als einen
einzigen schmerzhaften Riß zwischen seiner
Sehnsucht nach menschlicher Nähe, nach
Verstanden-werden, nach Anerkennung
und Lebenssinnerfüllung und seinem all-
umfassenden Unvermögen, solches auch
tatsächlich zu realisieren.
„Scheinbare
Nähe“
ist eine einzige Krankengeschichte
von Foidls Scheitern im und am sogenann-
ten
„Leben“.
Was er auch anfaßt, alles
mißrät ihm. In seinem erlernten Brotberuf
kann er sich nicht behaupten. Frauen ge-
genüber erweist er sich als beziehungsun-
fähig, ein literarisches Unterfangen kommt
über einige Anfangsseiten nicht hinaus usw.
Eine Reise nach Kötschach-Mauthen, wo
sein Vater mittlerweile in zweiter Ehe lebt,
hätte eine Aussöhnung bringen sollen. Stolz
überreicht der Autor ihm den Romanerst-
ling
(„Der Richtsaal“)
in der Hoffnung,
damit endlich demjenigen, der ihm solche
immer abgesprochen hat, Tauglichkeit zu
beweisen. Natürlich provoziert Foidl mit
solchem Tun nur blankes Entsetzen und
völlige Ablehnung. Im Rückblick auf das
Verhältnis zur leiblichen Mutter, aber auch
aus dem geschilderten Verhältnis zur nun-
mehrigen Stiefmutter wird deutlich, daß
eine niemals aufgearbeitete ödipale
Grundsituation für das Verhältnis zum
Vater, zu Frauen, in weiterer Folge zur
„Gesellschaft“
und zum Leben bestim-
mend gewesen sein muß. Die Wirklichkeit,
wie sie nun einmal ist, zu akzeptieren und
sich mit ihr zu arrangieren hätte ja ge-
heißen, dem verhaßten Vater recht zu ge-
ben. Das wäre
„Unterwerfung“
gewesen.
Mit fortschreitender Lektüre macht Foidl
immer deutlicher bewußt, daß sein Leben
nichts anderes ist als der Stein des Sysiphos,
an dem er sich vergeblich abquält. Die denk-
bar schroffe Antithese von Ich und Welt
kann keine gnädige Aufhebung in einer wie
immer gearteten Synthese finden. Was
bleibt, am Ende der Schrift und am Ende ei-
nes tragischen Lebens, ist ein Ausdruck tief-
ster Depression und einer Verachtung, die
alles, die eigene Existenz vor allem, in sich
schließt.
Auch das letzte Lebensziel, das Foidl
noch erkennen und anerkennen zu können
glaubt, das Schreiben, entlarvt sich als
Chimäre.
„Merkst du“,
schreibt er, als er bereits
spürt, wie der Krebs ihn zerfrißt,
„selbst
jetzt versuche ich noch Schriftsteller zu sein.
Welch aussichtsloses Unterfangen.“
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
67. Jahrgang –– Nummer 3-4
Lois Außersteiner
(2)
Gerold Foidl – „Der Richtsaal“
Eine Nachlese anläßlich der 60. Wiederkehr des Geburtstages von Gerold Foidl
• meiner lieben Kollegin, Frau Kulturre-
ferentin Dr. Ulli Strobl, daß sie mich in
die hochinteressante Thematik „Gerold
Foidl“ „hineingefetschelt“ hat.
• Frau Dorothea Macheiner. Sie hat mich
mit den wichtigen persönlichen Daten
Gerold Foidls vertraut gemacht. Ihr ver-
danke ich auch all mein Wissen um die
Zirkumstantien des Romans. Sie hat mir
auch folgendes interessante Detail aus
dem Leben Foidls anvertraut: Er habe
nämlich seit frühester Kindheit mit der
Atmung Probleme gehabt (Asthma). Er
habe außerdem unter Sprechschwierig-
keiten (Stottern) gelitten. Er sei, so ver-
mutet sie, „zum Verstummen gebracht
worden“.
• meinem lieben Kollegen, Herrn Prof.
Dieter Messner verdanke ich folgende
Geschichte: Er sei in Gymnasialjahren
Foidls neben diesem in der gleichen
Bank gesessen. Besonders in Erinnerung
sei ihm noch heute, daß sein Banknach-
bar ganz über die Maßen außer sich ge-
wesen sei vor Freude, wenn ihn (Foidl)
Professor Schalber (Deutschlehrer) für
irgendeine Leistung gelobt habe.
• dem Osttiroler Lyriker und Maler Hans
Salcher. Er hat den Roman, wie er sagt,
gelesen, hat mir von seinen eigenen Er-
fahrungen in der Nervenheilanstalt er-
zählt und meint, „Flora habe keineswegs
an der Realität vorbeigerlebt“.
Alle drei Hinweise betrachte ich als
wichtig im Zusammenhang mit der Fra-
ge bezüglich des „fiktionalen Charak-
ters“ des Romans
„Der Richtsaal“.
• meinem lieben Kollegen, Prof. Manfred
Wassermann, daß er sich die Mühe an-
getan hat, für mich das Grab G. Foidls in
Kötschach-Mauthen zu fotografieren.
• der Edition Löwenzahn, insbesondere
Herrn Josef Rabl, daß er mir ein Gratis-
exemplar des Romans und eine Bild-
Disk zur Verfügung gestellt und mich
auf anzapfbare Quellen verwiesen hat.
• meinem lieben Kollegen, Prof. Josef
Schraffl, daß er mir ein Exemplar von
„Scheinbare Nähe“
zur Lektüre über-
lassen hat.
• den Damen in der Öffentlichen Bücherei
Lienz für ihre Bemühungen.
Mein Dank gilt
Literatur von und über
Gerold Foidl
Foidl, Gerold,
Der Richtsaal, Ein Hergang,
Roman. Walter Verlag, Olten 1978
Foidl, Gerold,
Der Richtsaal, Ein Hergang,
Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/
Main 1981
Foidl, Gerold,
Scheinbare Nähe, Edition
Suhrkamp 1237, Neue Folge, Band 237,
Frankfurt/Main 1985
Foidl, Gerold,
Der Richtsaal, Roman. Her-
ausgegeben und mit einem Nachwort von
Dorothea Macheiner, Edition Löwenzahn
(Skarabäus), Innsbruck 1998
Foidl, Gerold,
Alleinsein, in: Salzburger
Literaturzeitung, Jg. 4, Nr. 16. Mai 1979
Foidl, Gerold,
Gedanken, in: das Fenster,
Tiroler Kulturzeitschrift, Heft 26, Sommer
1980, S. 2593 f.
Foidl, Gerold,
Notizen in einem fernen
Land, in: das Fenster, Tiroler Kulturzeit-
schrift, Heft 28, Sommer 1981, S. 2791-
2798
Foidl, Gerold,
Standhalten, in: Thurntaler,
Heft 7, 1982, S. 6-9
Forster, Petrus,
Hergang und Abgang, in:
Salzburger Literaturzeitung, Jg. 7/IV, Nr.
28/1982
Haidegger, Eberhard,
Sag mir, wo die
Narren sind, in: Schütz Christel (Hrsg.):
Das neue Narrenschiff, Vlg. Fischer Boot,
Frankfurt/Main 1980, S. 19-29
Messner, Dieter,
So habe ich nicht leben
wollen, in: Thurntaler, Heft 8, 1983, S. 6-9
(D. M. stellt interessante Überlegungen
hinsichtlich der literarischen Verfahrens-
weise G. Foidls an. Interessant sind auch
Messners Überlegungen bezüglich der
Querverbindungen zur zeitgenössischen
deutschsprachigen Literatur.)
Mayr, Michael,
Schicksal Richtsaal, in:
Der Thurntaler, Heft 7, 1982, S. 10-13
(M. M. liefert eine einfühlsame biographi-
sche Skizze. Seiner Darstellung liegt auch
eine Einsichtnahme in die Korrespondenz
Foidls mit dessen Vater zugrunde.)
M. W., Foidl
in Innsbruck, in: Thurntaler,
Heft 7, 1982, S. 14 (eine Anekdote aus dem
Leben G. Foidls)
Troyer, Johannes E.,
Lebensabriß von G.
Foidl, in Thurntaler, Heft 7, 1982, S. 14
Britta Steinwender
hat G. Foidl inter-
viewt. Das Interview wurde am 1. April
1982 in den Kulturnachrichten von Öl um
17.00 Uhr gesendet.
Dorothea Macheiner
(Nachlaßverwal-
terin) schrieb 1985 ein Hörspiel mit dem
Titel „Grüner Vogel Sehnsucht“ über G.
Foidl. Es wurde im Landesstudio Steier-
mark aufgenommen und im ORF sowie im
SFB gesendet.
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini. Für
den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verant-
wortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer: Mag.
Lois Außersteiner, A-9900 Lienz, Dolomitenstraße
41 – OSR Alois Heinricher, Hauptschuldirektor i.
R., A-9900 Lienz, Roter-Turm-Weg 1.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2a.